Kunst der Gastfreundschaft

"Unser Gehirn braucht Glanz und Glamour"

Musterwohnung im Haus Cumberland aufgenommen am 15.02.2011 in Berlin. Der Verkaufsstart für die exclusiven Wohnungen ist der 15. März.
Hier könnte sie stattfinden: Die Kunst der Gastlichkeit © dpa / picture alliance / Xamax
Erwin Seitz im Gespräch mit Jörg Magenau · 24.12.2015
Gastlichkeit ist eine Kulturtechnik, sagt der Buchautor und Gastrokritiker Erwin Seitz. Sie sei sogar eine Art moralisches Gebot und zeuge von den erlernten, sozialen Fähigkeiten des Menschen. Damit könne aus dem Fremden auch ein Freund werden.
Was serviert man den Gästen an Weihnachten? An Heiligabend sei er für das Menü zuständig, sagt der Buchautor und Gastrokritiker Erwin Seitz. Er plaudert aus der heimischen Küche und stellt sein heutiges Weihnachtsmenü für die Familie vor. Es bestehe aus vier Gängen:
"Wir fangen klassisch mit Fisch an. In diesem Jahr wird es ein Saibling aus der Region sein. Danach gibt es als Hauptgang ein Rumpsteak vom Rind mit Rosenkohl und Kartoffelgratin. Und dann kommt als Zwischengang Rohmilchkäse. Das Dessert ist ein Zimtparfait mit Zwetschgen, die in Alkohol eingelegt sind."
Gastlichkeit sei für ihn die Wurzel aller Kultur, sagte Seitz:
"Soweit man weiß, sitzt der Mensch seit zwei Millionen Jahren um die Feuerstelle, teilt sich das Essen, teilt sich das Fleisch. Es ist eine lange Tradition. Und an der Feuerstelle lernt man auch zu kommunzieren, lernt man zu sprechen, lernt man Freundschaften zu schließen, lernt man Vertrauen zu schaffen."
Wie aus dem Fremden ein Freund wird
"Gast" heiße auf lateinisch "hostis", was ursprünglich einmal der Feind oder der Fremde bedeutet habe. So mache Gastlichkeit schließlich aus dem Fremden einen Freund:
"Weil man ihn eben mit dem Nötigsten des Daseins versorgt. Der Gast bekommt Grundgüter des Lebens, also Essen und Trinken und ein Dach über den Kopf. Und das stimmt jeden schon milde. Das schafft Vertrauen. Das verwandelt einen auch ein bisschen. Man ist für Momente, für Stunden aller Sorgen ledig und kehrt sein Bestes, was man in sich hat, nach außen."
Gastlichkeit als Kulturtechnik
Lässt sich Gastlichkeit auch als ein Art moralisches Gebot verstehen? Das gehöre mit dazu, meinte Seitz. Es entspreche sogar einer bestimmten Kulturtechnik:
"Es ist fast für einen selbst schon eine Notwendigkeit. Es gibt zwei Gene in der menschlichen Brust: Das eine ist das aggressive, hetzende Element, das während der Jägerzeit der Menschheit verinnerlicht wurde. Zugleich gibt es ein soziales Gen: Unser genetischer Code hat über Jahrmillionen gemerkt, dass das soziales Gen erfolgreicher ist als das aggressive."
Zur Gastlichkeit gehöre auch eine bestimmte Ästhetik, beschrieb Seitz:
"Der Mensch ist das einzige Wesen, das ein großes Gehirn entwickelt hat. Es muss ständig beschäftigt werden. Und es braucht auch Glanz und Glamour. Und es braucht einen gewissen Grad an Luxus, sonst werden wir depressiv."

Erwin Seitz: Kunst der Gastlichkeit. 22 Anregungen aus der deutschen Geschichte und Gegenwart
Insel Verlag, Berlin, 2015
250 Seiten, 22,95 Euro

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