Kunst

Chinesische Kunstsammler nehmen den deutschen Markt ins Visier

Das Auktionshaus Sotheby's wirbt in einem Pekinger Hotel für eine Kunstauktion.
Wegen des boomenden chinesischen Kunstmarktes haben Auktionshäuser wie Sotheby's und Christie's Filialen in Peking eröffnet. © dpa / picture alliance / epa Adrian Bradshaw
Von Sabine Oelze · 21.11.2014
11,5 Milliarden Euro wurden im vergangenen Jahr für Kunst in China umgesetzt. Zunehmend interessieren sich die chinesischen Sammler für deutsche Kunst. So sehr, dass sie bereits in Gruppen nach Deutschland kommen, um lukrative Deals aufzuspüren.
Die Düsseldorfer Filiale des Auktionshauses Villa Griesebach liegt versteckt in einem Hinterhof. Dort empfängt Geschäftsführer Daniel von Schacky die zehn Sammler aus dem Reich der Mitte.
Daniel von Schacky hat einen Vortrag vorbereitet: eine Schnelleinführung in das Thema Provenienzforschung. Er erklärt den Zuhörern, wie wichtig es ist, beim Kauf eines Werkes auf Herkunft, Vorbesitzer und Titel zu achten.
"Why is provenance important: authenticiy, value and finally clear titel for a work."
Daniel von Schacky projiziert Abbildungen von Gemälden an die Wand. Es sind Werke von Künstlern mit klingenden Namen wie Adolf Menzel, Max Beckmann und Anselm Kiefer. Die Chinesen machen sich fleißig Notizen. Sie sind nach Deutschland gekommen, um sich helfen zu lassen, eine Sammlung mit westlicher Kunst aufzubauen. Zhu Binfeng aus Peking ist einer der Teilnehmer:
"Zeitgenössische Kunst zu sammeln, ist ein internationales Phänomen. Wir in China haben unsere eigenen Gewohnheiten beim Aufbau von Sammlungen. Aber wir sind sehr offen. Ich bin sehr neugierig zu erfahren, wie zeitgenössische Kunst in Deutschland gesammelt wird."
Enorme Kaufkraft der Kunstsammler
In großem Stil Kollektionen aufzubauen, ist in China ein Prestigefaktor. Jedenfalls liegt das Reich der Mitte kurz hinter den USA, wenn es darum geht, hohe Summen für Kunst auszugeben. Die aktuelle Marktanalyse der Messe TEFAF meldet, dass in China im vergangenen Jahr 11,5 Milliarden Euro in Kunst umgesetzt wurden. Angesichts dieser enormen Kaufkraft ist es auch für ein Auktionshaus wie die Villa Griesebach von Interesse, die Kontakte nach China zu intensivieren. Daniel von Schacky:
"Wenn Sie sich den Kunsthandel mit Asiatika ansehen, ist klar, dass mit dem Wiedererstarken von China auch die Preise für chinesische Antiquitäten explodieren. Lange war die Frage aber, werden sich die Chinesen auch für westliche Kunst des 20. Jahrhundert interessieren? Und da zeichnet sich jetzt langsam ein größeres Interesse ab."
Gute Informationen sind beim Kunstsammeln der Schlüssel zum Erfolg. Vor allem, wenn man aus einem komplett anderen kulturellen Umfeld kommt. In Deutschland holen sich die chinesischen Unternehmer und Sammler deshalb Informationen aus erster Quelle. Sie besuchen alles, was Rang und Namen hat in der Kunstszene. Zuerst waren sie in Berlin unterwegs. Leonie Spiekermann von der Düsseldorfer Agentur Art Gate hat das Programm ausgearbeitet:
"In Berlin haben wir sehr viele Gespräche mit Privatsammlern geführt mit Erika Hoffmann, Karen Boros und Thomas Rusche, also mit wichtigen Vertretern von Berlin. Wir haben versucht, sie in den privaten Räumen zu besuchen, wir haben persönliche Gespräche geführt, und allen Beteiligten die Möglichkeiten gegeben, sich auszutauschen."
Preise, Renditen, Umsätze
So haben die Chinesen erfahren, dass beim Kunstsammeln ein langer Atem zählt, dass es Zeit braucht, Künstler zu entdecken und aufzubauen. Der zweite Teil ihrer Reise führt sie ins Rheinland. Bei ihrem Besuch in der Villa Griesebach stellen sie Daniel von Schacky detaillierte Fragen nach Preisen und Renditechancen im Bereich der zeitgenössischen Kunst.
Welcher junge Künstler bei Auktionen Toppreise erzielt habe, will einer der chinesischen Sammler wissen. Eine Teilnehmerin fragt, wie hoch der Umsatz des Auktionshauses im Jahr 2013 im Bereich der zeitgenössischen Kunst gewesen sei.
Zeitgenössische Kunst aus Deutschland: In China seien vor allem Namen wie Joseph Beuys, Anselm Kiefer oder Neo Rauch ein Begriff, erklärt Li Zhao. Der Unternehmer ist gleichzeitig Professor an der Central Academy of Fine Arts. Früher war die Kunstakademie in Peking eine Elite-Einrichtung und galt als parteikonform, heute öffnet sie sich und unterhält sogar eine Abteilung für Experimentelle Kunst. Li Zhao organisiert regelmäßig solche Bildungsreisen nach Deutschland. Er hat die chinesischen Sammler ausgewählt:
"Die chinesischen Firmen sind momentan konfrontiert mit zwei Phänomenen. Erstens mit der Globalisierung und zweitens mit der Errichtung einer eigenen Unternehmenskultur. Viele der hier Anwesenden sind Firmeninhaber, für die Kunst sammeln ein Hobby ist. Sie fragen sich, wie sie ihr persönliches Hobby und ihr Firmenleben in Verbindung bringen können."
Kunstsinn und wirtschaftlicher Erfolg scheinen sich im Leben der zehn chinesischen Teilnehmer nicht auszuschließen, wie bei Herrn Shang, der mit Kunst groß geworden ist:
"Ich stamme aus Peking und bin der Enkel einer einflussreichen Künstlerfamilie in China. Mein Großvater, Wu Zuoren, war ein wichtiger Künstler der klassischen Moderne in China. Ich verwalte seinen Nachlass. Um seine Werke besser zu konservieren, habe ich eine Firma gegründet, die sich auf die Produktion hochwertiger handgeschöpfter Papiere spezialisiert hat."
Sammlungen von bereits mehr als 1000 Werken
Diese chinesische Elite will ihre Werke nicht nur zu Hause, sondern auch in eigenen Museen ausstellen. Zhou Fang ist eine erfolgreiche Unternehmerin aus der Nähe von Peking:
"Phoenix Art Groups heißt meine Firma in Wuxi, etwa eine halbe Stunde von Peking entfernt. Wir produzieren Künstlerbedarf, Leinwände, Keilrahmen, Ölfarben. Weltweit sind wir die Nummer eins oder zwei. In Europa ist Deutschland ein wichtiger Markt. Aber wir haben auch Ausstellungsflächen, um die von uns gesammelte zeitgenössische Kunst auch auszustellen."
Einige der Chinesen besitzen bereits einen Fundus von mehr als 1000 Werken – noch dominieren allerdings heimische Künstler ihre Sammlungen. Aber wer weiß, vielleicht gehört auch bald einer der weltweit gefragtesten Fotografen der Düsseldorfer Schule dazu. Der nächste Programmpunkt, der an diesem Tag auf der Tagesordnung steht, ist nämlich der Besuch des Ateliers von Thomas Ruff.
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