China

Schere im Kopf

Der chinesische Künstler Ren Rong, der in Bonn und Peking lebt, posiert am Sonntag (14.2.2010) bei der Eröffnung seiner Ausstellung in der Kunsthalle Koblenz vor einem Bild mit dem Titel "Pflanzenmensch/ Mao 2007".
Der chinesische Künstler Ren Rong posiert vor seinem Bild "Pflanzenmensch/Mao 2007". © picture alliance / dpa / Foto: Thomas Frey
Von Ruth Kirchner · 02.04.2014
Neben Ai Weiwei gibt es in China eine große Szene, die auch hochwertige Kunst produziert. Diese jungen Künstler haben zwar viele Freiheiten, aber die eigene Beschränkung ist dennoch allgegenwärtig - oft auch unbewusst.
Chinas Kunstszene ist groß, bunt, unübersichtlich und international wie bei dieser Ausstellung junger Kunst letztes Jahr im Ullens Zentrum in Pekings bekanntestem Kunstviertel 798. Trotzdem gibt es Einschränkungen – wenn auch nicht mehr so streng wie früher, sagt der 51-jährige Gao Qiang, der zusammen mit seinem Bruder international bekannt geworden ist. Die Unklarheit darüber, was erlaubt ist und was nicht, sei dabei Teil der Mechanismen der Zensur.
"Es gibt keine klare Linie, die man nicht überschreiten darf, obwohl wir uns das manchmal wünschen würden. Es wäre dann einfacher. Wir Künstler wünschen uns natürlich Freiheit; alles sollte erlaubt sein, so lange es niemanden verletzt. Aber wissen wir natürlich, dass bestimmte politische Themen nicht angerührt werden dürfen."
Freiheiten, von denen ihre Vorgänger nur träumen konnten
Politische Themen – das sind die Nationalflagge, die Niederschlagung der Studentenbewegung von 1989, das Rühren an politischen Tabus. Trotzdem erlebten gerade junge Künstler Freiheiten, von denen ihre Vorgänger nur träumen konnten, sagt Philip Trinani, künstlerischer Direktor des Ullens Zentrums.
"Diese Künstler sind nach dem Tod von Mao auf die Welt gekommen. Es ist eine Generation, die mit den Realitäten einer Kunst-Welt aufgewachsen ist. Dazu gehören politische Einschränkungen, aber auch Marktkräfte."
Und der Markt ist heute wichtiger als die Politik. Gerade viele junge Künstler sind dabei sehr auf sich bezogen, thematisieren die Sinnsuche in einem scheinbar sinnentleerten materialistischen Alltag. So wie der Fotograf Chen Wei, der in einem seiner Bilder ein Künstleratelier als farbverschmiertes Gefängnis inszeniert.
"Wenn wir über Kunst reden, wollen wir ihr immer einen Zweck zuschreiben. Für mich ist Kunst einfach nur eine andere Form der Kommunikation, neben der Sprache, Essen, Trinken, Spaß haben. Kunst ist eine Brücke, sie ermöglicht Kommunikation. So hat sie wenigstens ein bisschen Sinn."
Schielen auf das Geld
Manche Ältere,die sich ihren Freiräume in den 80er- und 90er-Jahren mühsam erkämpfen mussten, haben für dieses Kreisen der Jungen um ihre eigene Befindlichkeit und ihr Schielen auf das Geld wenig Verständnis. Zum Beispiel der 60-jährige Huang Rui, einst zusammen mit Ai Weiwei Gründer der Avantgarde-Bewegung.
"Ich denke, Künstler sollten sich klar für Politik entscheiden, statt sie zu vermeiden. Man darf nicht nur gehorchen, sondern muss sich mit den Verhältnissen auseinandersetzen. Du musst für Deine Freiheit etwas tun, sie nutzen und sie versuchen, zu erweitern."
Doch die offene Konfrontation oder die klare politische Positionsbestimmung sucht man meist vergeblich. Chinesische Künstler seien da nicht anders als die in anderen Ländern, sagt Philip Trinani:
"Diese junge Generation von Künstlern hat einen Weg gefunden, sich trotz des Drucks von verschiedenen Seiten eine Existenz aufzubauen. Aber es nicht mehr so absolut oder so konfrontativ, dabei ist diese Kunst trotzdem nuanciert und geht auf die Gesellschaft in sehr realer Weise ein."
Aber auch Trinani räumt ein, dass so mancher Künstler die Schere im Kopf schon gar nicht mehr wahrnehme. Zwischen Markt und Maßregelung bleiben die Spielräume trotz aller neuen Freiheiten immer noch eingeschränkt.
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