Wenn das Schulbuch mitdenkt
Gehört das klassische Schulbuch schon bald der Vergangenheit an? Wissenschaftler arbeiten an Unterrichtsmaterial, das sich mit Hilfe Künstlicher Intelligenz den Schülerinnen und Schüler anpasst, um den Lernstoff besser zu vermitteln.
Julia Brishtel gibt die gläserne Schülerin. Und zwar im Lernlabor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz, dem DFKI in Kaiserslautern. Mit hochmodernen Computern und Doppelmonitoren sieht das sogenannte "Living Lab" mit der großen Fensterfront wie ein High-Tech-Klassenzimmer aus, manchmal sind hier auch Schulklassen zu Gast.
Brishtel hat die Schule längst hinter sich, die 25-Jährige hat Sozial- und Kognitionswissenschaft* studiert. Sie promoviert jetzt am DFKI. Soeben bereitet sie sich und den PC darauf vor, dass ein Sensor, ein sogenannter Eye-Tracker, am Bildschirm ihre Augenbewegungen verfolgt – und zwar während sie ein Schulbuch liest.
"Genau - hier ist wichtig dabei, dass wir immer den gleichen Abstand haben, und wir müssen erstmal die Augen kalibrieren."
… also so einstellen, dass die Messung der Blickbewegung dem Forschungsprojekt zuverlässige Daten liefert.
"… damit das eine hohe Genauigkeit erreicht. Und das machen wir gerade."
"Genau - hier ist wichtig dabei, dass wir immer den gleichen Abstand haben, und wir müssen erstmal die Augen kalibrieren."
… also so einstellen, dass die Messung der Blickbewegung dem Forschungsprojekt zuverlässige Daten liefert.
"… damit das eine hohe Genauigkeit erreicht. Und das machen wir gerade."
Der Computer erkennt, was der Proband nicht versteht
Die **Nachwuchswissenschaftlerin am DFKI schaut zu einem Punkt auf dem Bildschirm, bis der explodiert, dann zum nächsten Punkt. Nach einer Minute ist der Eye-Tracker eingestellt, die Mittzwanzigerin beginnt mit der Lektüre eines Physikschulbuchs auf dem Monitor.
"So, und links hier neben auf diesem Bildschirm habe ich jetzt mal den Analysebildschirm", sagt Nicolas Großmann, zuständig für Smarte Daten und Wissensdienste am DFKI.
"Und was man hier sehen kann, wo sie gerade hinschaut, wo sie insgesamt hingeschaut hat, von der Reihenfolge her, oder was dann wirklich komplett angeschaut wurde. Das ist so eine ‚heatmap‘," also eine Wärmebildkarte, auf der die Blickintensität farblich abgebildet wird. Der 33-jährige Forscher sieht:
"Das Rote wurde gelesen, in den weißen Bereichen wurde noch nichts gemacht."
Rechts oben auf dem Analysemonitor finden sich Zeitangaben, die das Verhalten der Probandin detaillierter beschreiben.
"Die Fixation hier oben gibt an, wie lange schaut sie immer auf einen Punkt, das sind ja immer so 300, 400, 500 Millisekunden, das spricht dafür, dass man normal am Lesen ist, und das ist die Sakkaden-Länge. Sie sehen ja, das Auge geht nicht kontinuierlich, es macht immer so kleine Sprünge. Und hier an der Sakkaden-Länge sieht man, hier immer ein paar kleine, ein großer, ein paar kleine, ein großer - das spricht eben auch fürs Lesen, weil sie in der Zeile immer eine paar kleine Sprünge macht. Und dann einen großen zurück zur nächsten Zeile", erläutert der promovierte Experimentalphysiker und Physikdidaktiker.
"So, und links hier neben auf diesem Bildschirm habe ich jetzt mal den Analysebildschirm", sagt Nicolas Großmann, zuständig für Smarte Daten und Wissensdienste am DFKI.
"Und was man hier sehen kann, wo sie gerade hinschaut, wo sie insgesamt hingeschaut hat, von der Reihenfolge her, oder was dann wirklich komplett angeschaut wurde. Das ist so eine ‚heatmap‘," also eine Wärmebildkarte, auf der die Blickintensität farblich abgebildet wird. Der 33-jährige Forscher sieht:
"Das Rote wurde gelesen, in den weißen Bereichen wurde noch nichts gemacht."
Rechts oben auf dem Analysemonitor finden sich Zeitangaben, die das Verhalten der Probandin detaillierter beschreiben.
"Die Fixation hier oben gibt an, wie lange schaut sie immer auf einen Punkt, das sind ja immer so 300, 400, 500 Millisekunden, das spricht dafür, dass man normal am Lesen ist, und das ist die Sakkaden-Länge. Sie sehen ja, das Auge geht nicht kontinuierlich, es macht immer so kleine Sprünge. Und hier an der Sakkaden-Länge sieht man, hier immer ein paar kleine, ein großer, ein paar kleine, ein großer - das spricht eben auch fürs Lesen, weil sie in der Zeile immer eine paar kleine Sprünge macht. Und dann einen großen zurück zur nächsten Zeile", erläutert der promovierte Experimentalphysiker und Physikdidaktiker.
Das Physikbuch wird intelligent
"So, und dann könnte zum Beispiel sein, dass sie etwas nicht versteht. Der Computer kann dann erkennen, die Fixation ist besonders lang da. Anscheinend versteht sie dieses Experiment nicht, jetzt blenden wir hier dieses Video ein, das das gleiche noch mal erklärt."
So weit die Vorausschau aufs intelligente Physikbuch, das im "Hypermind-Projekt" am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz entsteht – gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Weitere Sensoren, so Nicolas Großmann, versorgen das anpassungsfähige Schulbuch mit Daten, auch über die Befindlichkeit des Lesers.
"Zum Beispiel mit Hilfe der Infrarotkamera, wenn ich feststelle, die Nasentemperatur fällt im Vergleich zum Gesicht, das heißt erhöhte Anstrengung, dann kann ich überlegen, o.k., blende ich zusätzliche Hilfen ein."
Aus dem statischen Buch wird ein dynamisch-adaptives. Aus Lektionen werden assoziativ verlinkte Wissensbausteine – und zwar so portioniert, wie es das Lerntempo und der Lerntypus des einzelnen Schülers erfordern: Wer eher visuell aufnimmt, bekommt ein Video, wer besser übers Hören lernt, ein Audio-Erklärstück eingespielt. Das "Immersive Quantified Learning Lab" ist das Klassenzimmer der Zukunft – ein Gemeinschaftsprojekt der Physikdidaktik der Uni Kaiserslautern mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz.
"Die einzelnen Technologien wurden jeweils mal verwendet, auch im Bildungsbereich, aber so als Klassenraumszenario, wo man mit jetzt erhältlicher Technologie wirklich versucht, wie kann ich die diversen Sensoren kombinieren und daraus das Lernverhalten bestimmen, das gibt es meiner Meinung nach sonst noch nicht."
So weit die Vorausschau aufs intelligente Physikbuch, das im "Hypermind-Projekt" am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz entsteht – gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Weitere Sensoren, so Nicolas Großmann, versorgen das anpassungsfähige Schulbuch mit Daten, auch über die Befindlichkeit des Lesers.
"Zum Beispiel mit Hilfe der Infrarotkamera, wenn ich feststelle, die Nasentemperatur fällt im Vergleich zum Gesicht, das heißt erhöhte Anstrengung, dann kann ich überlegen, o.k., blende ich zusätzliche Hilfen ein."
Aus dem statischen Buch wird ein dynamisch-adaptives. Aus Lektionen werden assoziativ verlinkte Wissensbausteine – und zwar so portioniert, wie es das Lerntempo und der Lerntypus des einzelnen Schülers erfordern: Wer eher visuell aufnimmt, bekommt ein Video, wer besser übers Hören lernt, ein Audio-Erklärstück eingespielt. Das "Immersive Quantified Learning Lab" ist das Klassenzimmer der Zukunft – ein Gemeinschaftsprojekt der Physikdidaktik der Uni Kaiserslautern mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz.
"Die einzelnen Technologien wurden jeweils mal verwendet, auch im Bildungsbereich, aber so als Klassenraumszenario, wo man mit jetzt erhältlicher Technologie wirklich versucht, wie kann ich die diversen Sensoren kombinieren und daraus das Lernverhalten bestimmen, das gibt es meiner Meinung nach sonst noch nicht."
Wie funktioniert tiefes Lernen?
"Hypermind" ist eines von rund 300 DFKI-Projekten, so dessen wissenschaftlicher Direktor Andreas Dengel. Der Informatik-Professor leitet den DFKI-Standort Kaiserslautern, lehrt an der Technischen Universität dort und unterhält rege Kontakte in die lebendige Lauterer KI-Gründerszene.
"Also, es ist hier tatschlich eine Campus-Atmosphäre entstanden, mit diesen vielen kreativen Unternehmen, die in ihren Nischensegmenten sehr, sehr erfolgreich sind."
Rund 90 DFKI-Spin-Offs beleben die regionale Wirtschaft im Süden von Rheinland-Pfalz und dem angrenzenden Saarland. Über Forschungstrends sagt Professor Dengel:
"Die KI lebt heute sehr stark von diesen neuen Methoden des sogenannten tiefen Lernens, wo man jetzt neuronale Netze im menschlichen Gehirn simuliert. Die KI war seit ihrer Gründung schon interdisziplinär, weil natürlich das Gehirn viele Facetten hat, neurophysiologische, Kognitionsaspekte sind da wichtig, Codierung der Sprache und, und, und.
"Also, es ist hier tatschlich eine Campus-Atmosphäre entstanden, mit diesen vielen kreativen Unternehmen, die in ihren Nischensegmenten sehr, sehr erfolgreich sind."
Rund 90 DFKI-Spin-Offs beleben die regionale Wirtschaft im Süden von Rheinland-Pfalz und dem angrenzenden Saarland. Über Forschungstrends sagt Professor Dengel:
"Die KI lebt heute sehr stark von diesen neuen Methoden des sogenannten tiefen Lernens, wo man jetzt neuronale Netze im menschlichen Gehirn simuliert. Die KI war seit ihrer Gründung schon interdisziplinär, weil natürlich das Gehirn viele Facetten hat, neurophysiologische, Kognitionsaspekte sind da wichtig, Codierung der Sprache und, und, und.
Grundsätzlich arbeiten wir mit vielen Disziplinen an der Uni zusammen, ob das die Sozialwissenschaftler sind, die Linguisten, die Bauingenieure, die Elektrotechniker, die Maschinenbauer. Überall gibt es diese Brücken und diese Schrägstrich-KI sozusagen, weil die KI eben in viele Bereiche hineindringt und wir auch darauf angewiesen sind, von diesen Disziplinen zu lernen und über die Probleme und auch das Wissen, das dort existiert, eine Rückkopplung zu erfahren, auf unsere eigenen Methoden, die wir wieder anwenden."
*Unsere Korrektur stellt die Studienfächer von Frau Brishtel richtig.
**Auf Bitte der Interviewpartnerin haben wir ein Wort gelöscht.