Humor in Krisenzeiten

Wir sollten mehr lachen - gerade jetzt

Unter einer zerrissenen schwarzen Folie in Form einer wütenden Grimasse schaut ein lächelnder Smiley hervor.
Studien zeigen, dass humorvolle Menschen unbeschwerter durchs Leben gehen. In Krisenzeiten ist das gut zu wissen, findet der Coach und Autor Christian Thiele. © Getty Images / Ralf Hiemisch
Überlegungen von Christian Thiele · 13.07.2022
Bei Krieg und Klimawandel bleibt einem das Lachen immer öfter im Halse stecken. Doch gerade jetzt sollten sich die Menschen mehr Witze – auch schlechte – erzählen, sagt Coach und Autor Christian Thiele. Eine Portion Humor schadet nicht, im Gegenteil.
Kennen Sie den? „Mein Großvater konnte nichts wegwerfen – leider. Er starb im Krieg durch eine Handgranate…“ Und warum lassen wir uns noch Tattoos stechen – wenn es doch durch den Klimawandel Melanome gratis gibt? Und wie erklärt man einem Fünfjährigen die Inflation? Die Zahnfee kommt nur noch nach jedem dritten Milchzahn.
Solche Witze in Zeiten von Covid, Krieg, Klimakrise? Finden Sie geschmacklos? Mag schon sein, aber Humor ist gerade in Krisen unverzichtbar! Denn Witze schaffen Distanz vom grauen(haften) Alltag in schwierigen Zeiten, gerade Galgenhumor kann eine höchst wirksame Bewältigungsstrategie für einen konstruktiveren Umgang mit Unmut und Ungewissheit sein. Auch wenn sie möglicherweise Gefühle verletzen können – das Risiko gehört zum Witz dazu. Man darf ihn dann auch nicht witzig finden.
Krisen machen uns Stress. Und Stress löst den Autopiloten in uns aus: Kampf oder Kapitulation, viel mehr Optionen haben wir eigentlich nicht. Auf neue Ideen, Zuversicht, Einfühlungsvermögen, Entschlossenheit, also auf all das, was wir brauchen, um gut durch Krisen zu kommen, haben wir in diesen Zuständen keinen Zugriff. Witz und Leichtigkeit können da helfen. 

Humor hilft Gesunden – und auch Kranken

Die Positive Psychologie, also die Wissenschaft vom gelingenden Leben, liefert seit einigen Jahren immer mehr Hinweise: Humor hilft, sowohl gesunden Menschen als auch Kranken. Wer sich zum Beispiel jeden Abend drei witzige, komische Dinge aufschreibt, die ihr oder ihm widerfahren sind, ist im Durchschnitt zufriedener und zeigt weniger depressive Symptome als Menschen, die das nicht tun.
Humor und andere positive Emotionen, das zeigen etliche Studien, fühlen sich nicht nur gut an. Sie öffnen unsere Perspektive für neue, andere Gedanken und Handlungen, sie stärken uns für schwierige Momente – und lassen uns schneller von Momenten von Krise und Verzweiflung erholen.
Nehmen wir etwa das Pflegepersonal in italienischen Krankenhäusern während der Pandemie-Peaks: Jene, die humorvoller durchs Leben gingen, fühlten sich auch in den Hochzeiten der Covid-Wellen weniger gestresst und belastet. Und Studierende, das haben Untersuchungen in Israel gezeigt, haben doppelten Grund zu lachen, wenn ihnen Lernstoff humorvoll dargestellt wird: Sie behalten mehr – und schneiden in den Prüfungen besser ab. Kein Witz. 

Auch sich selbst nicht immer so ernst nehmen

Wer lacht, leistet leichter. Viele Forschungsergebnisse legen nahe, dass wir kreativer, vertrauensfähiger und vertrauenswürdiger werden und sogar intelligenter auf andere wirken, wenn wir nicht immer nur bierernst durchs Leben gehen, sondern auch mal einen flapsigen Kommentar machen, ein Gif-Bildchen ins Teams-Meeting schicken, einen witzigen Spruch unter die Abwesenheitsnotiz oder sogar ins Angebot an den Kunden packen. 
Müssen Sie deshalb von früh bis spät Witze reißen? Nein. Aber im eigenen Alltag Inkongruenzen und Kontraste finden, eine unpassende Situation auch mal ins Groteske übertreiben und vor allem sich selbst nicht immer so ernst nehmen: Das könnte helfen, um auch den schwieriger gewordenen Alltag seine heiteren Seiten abzugewinnen. Damit machen Sie das Leben leichter, sich selbst und anderen.  

Wissen Sie, warum Gott den Krieg schuf?

Alleine weglachen werden wir den Klimakollaps, die Inflation, den Ukrainekrieg genauso wenig wie die womöglich nächste Corona-Welle. Und wenn Sie ernsthafte gesundheitliche Probleme haben, sollten Sie bitte dennoch eine Ärztin aufsuchen statt einfach nur einen Witz zu reißen. Denn Beiträge über die Heilkraft des Humors ersetzen keine medizinische Diagnose – dieser Warnhinweis stand neulich in einer bayerischen Zeitung unter einem Artikel über das Lachen in schwerer Zeit. Das fand ich dann schon wieder witzig. 
Apropos Witz, einen noch zum Abschluss: Wissen Sie, warum Gott den Krieg schuf? Damit die Amerikaner Geografie lernen. Nix für ungut…

Christian Thiele ist Coach und Autor, sein Podcast „Positiv Führen“ ist auf allen großen Plattformen zu hören. Er gehört zum Trainerteam der Deutschen Gesellschaft für Positive Psychologie, ist (meist) zuversichtlicher Patchwork-Vater und lebt in Garmisch-Partenkirchen.

Porträt des Coachs und Autors Christian Thiele
© privat
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