Memes und Crowdfunding für die Ukraine
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird in den Sozialen Netzwerken immer populärer. © imago images / CTK Photo / David Tanecek
Der Krieg in sozialen Medien
10:05 Minuten
Das Netz reagiert mit einer Flut von Memes auf Russlands Angriff auf die Ukraine. Es sei zum Beispiel auffällig, dass der Präsident der Ukraine in vielen Tweets zu einer Heldenfigur hochstilisiert werde, sagt die Autorin und Bloggerin Berit Glanz.
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine sorgt im Netz für eine Flut von Reaktionen. Dies ist auch ein Krieg um Informationen, Deutungen und Symbole. Der Schock und die Fassungslosigkeit finden ihren Ausdruck auch in den sozialen Medien, häufig in Memes – kritischen, satirischen oder auch zu Herzen gehenden Schnipseln, Fotos, Collagen, Piktogrammen, Filmchen und Zeichnungen.
"Das Thema dominiert absolut in den sozialen Medien", sagt die Kulturwissenschaftlerin, Autorin und Bloggerin Berit Glanz, die in ihrem Newsletter schon in den vergangenen Monaten den "Meme-Krieg" um die Ukraine beobachtete. Es würden die für diese Plattformen typischen Formen verwendet: "Lange Threads mit Statements, emotionale Tweets, leidenschaftlich und hart geführte Konflikte und eben auch Memes." Das sei bei anderen Themen mit hohem Nachrichtenwert genauso.
Waffenkauf per Crowdfunding
Allerdings sei der Krieg in der Ukraine ein fortlaufendes Ereignis: "Alles, was in den sozialen Medien passiert, ist wie eine Art Live-Kommentar", sagt Glanz. "Gleichzeitig ist es ein Konflikt, in dem Menschen in Social Media ganz klar Position beziehen, und er wird dann weitergeführt in den sozialen Medien und wirkt von dort auf die Realität ein, wenn zum Beispiel von der Ukraine sehr erfolgreich Waffen gecrowdfunded werden."
Sehr populär und eingängig sind Gegenüberstellungen der Präsidenten Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj: "Es ist ganz auffällig, dass Selenskyj in den letzten Tagen zu einer Art Heldenfigur mit der entsprechenden Verehrung hochstilisiert worden ist. Dafür wird ganz viel auf Popkultur zurückgegriffen." Ein Beispiel sei ein Filmplakat mit dem montierten Gesicht von Selenskyj auf einer Captain America-Figur, betitelt "Captain Ukraine".
Rückkehr eines Männlichkeitsbildes
Berit Glanz weist allerdings darauf hin, dass viele Memes auf ein "ziemlich altmodisches Männlichkeitsbild" zurückgreifen, in denen Selenskyj der echte Anführer sei – im Gegensatz zu Putin. Nach demselben Muster würden reiche Menschen aus der Ukraine und Russland gegenübergestellt: Man feiere die Klitschko-Brüder und Selenskyj dafür ab, dass sie in ihrer Heimat bleiben, während russische Superreiche die Klappe bei diesem Konflikt hielten. Diese Tweets folgten alle demselben Muster: "Diese Superreichen fliehen alle nicht, sondern verteidigen die Ukraine."
Ein "ganz massiv gewordenes" Meme zitiere einen Satz von Selenskyj, der auf das Angebot der Amerikaner, ihn auszufliegen, geantwortet haben soll: "Der Krieg ist hier. Ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit."
Man dürfe aber nicht glauben, dass dieser sozial-mediale Krieg nur einseitig geführt werde: "Der wird auch von Russland geführt, und der wird sehr geschickt geführt durch Desinformation, durch Streuen von Zweifeln und das ganz gezielte Bespielen von Konflikten, die es im Umgang mit diesem Krieg gibt. Da sind zwei Seiten gerade sehr aktiv dabei, einen sozial-medialen Krieg zu führen."
Nicht permanent mit News überfluten
Berit Glanz warnt davor, obsessiv Nachrichten, Bilder und Memes zu konsumieren: "Wir haben jetzt quasi einen Krieg in Echtzeit, es ist klar, das verursacht extremen Stress, denn eigentlich ist unsere Psyche nicht dafür gemacht, dass wir uns permament mit Nachrichten überfluten können."
Die Bloggerin rät dazu, Pausen zu machen, aus dem Strom auszusteigen und sehr stark nachzudenken, "wie man sich an diesem Krieg in den sozialen Medien beteiligt". Man solle sich die Frage stellen, "wie man retweetet, wie trägt man bei, ist das empathisch, was man macht, ist das nötig, was man macht, verbreitet man eventuell gerade Fakes und Falschinformationen?"