Familienalltag mit Corona

Wie halten wir bloß unsere Kids bei Laune

37:22 Minuten
Abby, 6, mit ihrer Mutter Lisa beim Homeschooling auf dem Sofa zu Hause. Die Kuscheltiere sitzen auch alle vor einem Arbeitsheft. 20. März 2020 in Claira, Frankreich.
"Kinder müssen teilweise ein wirklich großes Lernpensum bewältigen. Das sorgt für eine Menge Stress in den Familien", so Nora Imlau. © Getty / Corbis News / Tim Clayton
Nora Imlau im Gespräch mit Frank Meyer · 02.04.2020
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Die Coronakrise stellt die Familien vor große Herausforderungen: Kita und Schule sind dicht, viele Eltern balancieren zwischen Homeoffice und Homeschooling - dazu die Kontaktsperre. Wie meistern sie den Alltag, wie motivieren sie ihre Kinder?
Seit knapp zwei Wochen herrschen in den meisten Bundesländern Ausgangsbeschränkungen und die Familien sind in Haus oder Wohnung "verbannt". Sie müssen den Alltag ohne Kita und Betreuung der Kinder in der Schule bewerkstelligen und noch ist nicht absehbar, wie lange dieser Zustand andauert. Wie organisieren Familien ihr verändertes Leben? Wie behalten Eltern bei allen Belastungen die Nerven? Und was können sie tun, um ihre Kinder möglichst gut durch die Coronakrise zu begleiten?
Nora Imlau ist selbst eine "Betroffene". Die Journalistin und Autorin mit Schwerpunkt Familienthemen hat vier Kinder: zwei Töchter im Alter von 13 und zehn Jahren, einen dreijährigen Sohn und ein acht Monate altes Baby. Sie und ihr Mann sind im Homeoffice und versuchen, den neuen Familienalltag mit Schwung zu meistern.

Der Flur wird zum Abenteuerparcours

So könne gegen das Gefühl des Eingesperrt-Seins etwa helfen, wenn man das vertraue Umfeld – soweit möglich – einfach ein wenig verändere. Sie beobachte im Moment, sagt Nora Imlau, dass Eltern grade in diesem Punkt sehr kreativ würden:
"Viele versuchen, das eigene Zuhause nochmal ganz neu erfahrbar zu machen: Sie bauen zum Beispiel den Flur zu einem Abenteuerparcours um. Oder füllen die Badewanne im Bad mit Sand, damit die Kinder einen Indoor Sandkasten haben, wenn die ganzen Spielplätze gesperrt sind. Also es gibt viele Dinge, die man tun kann – aber das steht und fällt natürlich alles mit den Ressourcen der Eltern: Viele Eltern dieser Tage haben das Gefühl ‘Ich weiß gar nicht, wann ich das auch noch alles auf die Beine stellen soll‘ – sie sind oft an ihrem Limit."

Raus aus der Lähmung

Nora Imlau rät, Kinder auf jeden Fall "mit ins Boot zu holen". Es sei wichtig, ihnen zu erklären, dass wir alle grade in einer schwierigen Situation sind – dass aber auch sie helfen und Verantwortung übernehmen können:
"Es geht dabei um ihre Selbst-Wirksamkeit. Es ist ja für Kinder was ganz Schlimmes, wenn sie das Gefühl haben, da passiert etwas Unheimliches um sie herum und sie sind dem hilflos ausgeliefert und können nichts tun. Alles, was zeigt: ‘Du kannst aktiv werden!‘ holt Kinder aus dieser Schockstarre heraus und gibt ihnen das gute Gefühl, etwas verändern zu können.

Kindern zu zeigen, wie sie selber Trost spenden und andere unterstützen können, stärke ihr Selbstbewusstsein, sagt Nora Imlau:
"Ob das jetzt heißt, wir hängen ein schönes Bild in unser Fenster, das den Passanten Mut macht – und wir zeigen ihnen sozusagen aus der Ferne: Wir denken an euch, wir wünschen euch alles Gute.‘ oder ob wir zu Hause ins Maskennähen einsteigen – das alles sind wunderbare Strategien, um aus einer Lähmung durch Angst herauszukommen."

Schadet die Distanz?

Derzeit verändern sich gezwungenermaßen viele unserer gewohnten Umgangsformen: Umarmungen bei Begrüßungen fallen weg, Bekannte und Freunde bleiben auf Abstand – wie wirkt sich der distanziertere Umgang mit Personen außerhalb der Familie auf die Kinder aus? Schadet ein permanentes "Abstand-Halten" zu ‘den anderen‘ ihrer Psyche? Expertin Nora Imlau sieht keinen Grund für diese Sorge:
"Ich kann da beruhigen. Kinder brauchen für eine gesunde Entwicklung vor allem einen guten und engen Kontakt mit ihren Bindungspersonen. Das heißt, wenn wir als Eltern mit unseren Kindern zusammen sein können, ist das schon mal die halbe Miete. Was natürlich schlecht wäre, wäre, wenn die Kinder das Gefühl bekämen, das Draußen ist gefährlich und jeder Mensch ist eine potentielle Gefahr."

Haben Sie Fragen zum Coronavirus? Schreiben Sie sie uns an corona@deutschlandfunkkultur.de. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen für unser Programm. Von Montag bis Freitag zwischen 9 und 10 Uhr beantworten Expertinnen und Experten sie live im Deutschlandfunk Kultur. Während der Sendung können Sie Ihre Fragen auch live stellen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254.

Hier käme es darauf an, dass Erwachsene klug mit der Situation umgingen. Und mit ihrem Verhalten nicht permanent signalisierten: Alle anderen stellen eine Bedrohung für uns dar.
"Wir können ja freundlich und respektvoll Abstand halten, einander zulächeln, einander zunicken, so dass das Kind spürt: Das ist jetzt einfach grade die Normalität. Wir sind einander freundlich zugewandt, aber halten eben körperlichen Abstand."

Den Schulen den Druck zurückmelden

Viele Eltern müssen neben ihren täglichen Aufgaben – etwa der Arbeit im Homeoffice – jetzt auch das Homeschooling bewältigen. Kitas und Schulen sind geschlossen, zu Hause übernehmen die Mütter und Väter und – sie fühlen sich oft überfordert. Neben Spielen, Basteln, Kochen und Bei-Laune-Halten der Kinder warten auch noch die Hausaufgaben. Die würden manchmal mehr belasten als helfen, sagt Nora Imlau:
"Die Schulen stellen sehr unterschiedliche Aufgaben – manche sagen: ‘Das hier sind Angebote, falls euch langweilig wird, könnt ihr hier ein bisschen was arbeiten. Aber viele Schulen geben wirklich auch den Druck an die Eltern weiter und schreiben: ‘Hier sind die Aufgaben für heute. Bitte per E-Mail einreichen bis heute Abend – es können auch Noten vergeben werden!‘ Und sowas macht Eltern dann zu Hilfslehrern. Und die Kinder müssen teilweise ein wirklich großes Lernpensum bewältigen. Das sorgt für eine Menge Stress in den Familien."
Nora Imlau empfiehlt dringend, den Schulen Feedback zu geben, wenn Anforderungen zu hoch erscheinen. Die Bildungsminister mehrerer Bundesländer haben im Übrigen darauf hingewiesen, dass es während der Corona-Zwangspause keine Benotung geben soll.

Alleinerziehende in der Krise

Besonders alleinerziehende Eltern trifft die Krise hart. Wer seit Wochen von morgens bis abends mit einem oder mehreren Kindern ohne die Hilfe eines Partners in der Wohnung sitzt, dem falle schon mal die Decke auf den Kopf, sagt Nora Imlau. Doch grade dann müsse man unbedingt versuchen, Kontakt zu anderen aufzunehmen:
"Um aus diesem Gefühl ‘Ich bin immer nur alleine, ich kann mit keinem Erwachsenen sprechen‘ herauszukommen. Man sollte tatsächlich kucken, ob man über Telefonieren oder Video-Telefonie was auf die Beine stellen kann. Natürlich ist das nicht das Gleiche, wie sich zu begegnen und, klar, ist Babyschwimmen viel, viel netter, als mit Baby skypen. Aber es ist so, dass wir aus dieser Isolation und dieser Einsamkeit herauskommen müssen. Und da gibt es mittlerweile viele Versuche, wie etwa virtuelle Krabbelgruppen und virtuelle Müttertreffs – die alle nur ein Ersatz sein können. Aber besser als nichts!"
(tif)

Nora Imlau schreibt Bücher und bloggt über Erziehungsfragen und Familienthemen. Sie hat selbst vier Kinder und gestaltet gemeinsam mit der Urania Berlin einen Podcast zum Corona-Alltag: "Kopf oben halten – Eltern während der Corona-Krise".

Anregungen für eine kreative Zeit zu Hause:
Kakadu – Der Kinderfunk von Deutschlandfunk Kultur mit spannendem Podcast und täglichem Hörspiel
Inspirierende Spielideen für Kids und ihre Eltern:
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