Kritik an Period Positivity

Die Periode ist nicht Teil meiner Identität

Porträtbild der Autorin Şeyda Kurt
Wenn die Periode positiv dargestellt wird, weil sie Fruchtbarkeit und Mutterschaft repräsentiert, dann reproduziere das patriarchale Geschlechterbilder, kritisiert Şeyda Kurt. © picture alliance / Panama Pictures / Christoph Hardt
Von Şeyda Kurt · 26.09.2023
Period Positivity ist seit einiger Zeit ein Trend in den sozialen Medien. Gemeint ist eine positive Grundeinstellung zur Periode. Die Autorin Şeyda Kurt ärgert sich über diesen Trend. Denn damit würden traditionelle Geschlechterbilder reproduziert.
Sie wird seit Jahrhunderten stigmatisiert und soll die angebliche Schwäche des weiblichen Geschlechts beweisen: die Periode. Nicht umsonst ist sie seit jeher ein feministisches Thema. Und seit einigen Jahren auch im Mainstream Gegenstand politischer und kultureller Debatten. Manche davon sind mehr und andere weniger sinnvoll.
Menstruationsurlaube? Unbedingt! Kostenlose Hygieneprodukte für alle? Längst überfällig! Die blaue Flüssigkeit in der Periodenwerbung soll authentisch blutrot sein? Von mir aus. Eine positive Grundeinstellung zur Periode? Moment, warum das eigentlich?

Symbol für selbstbewusste Weiblichkeit

Nach einer Endometriose-Operation vor vielen Jahren habe ich entschieden, die Pille durch zu nehmen und nicht mehr zu menstruieren, um Schmerzen zu vermeiden. Und bin irritiert, wenn Menschen mich fragen, ob ich meine Periode nicht vermisse. Oder wenn Freundinnen erzählen, sie würden sich ohne Monatsblutung unvollständig fühlen. Die Periode ist nicht Teil meiner Identität.
Doch in liberalen Feminismen symbolisiert sie neuerdings Empowerment und selbstbewusste Weiblichkeit. Die sozialen Medien wimmeln von Influencerinnen und Start-ups, die mit Pastellfarben, Diversität und Positivität für Menstruationsartikel werben. Ein Unternehmen mit rund 100.000 Followerinnen und Followern verbreitet auf Instagram gar Beziehungstipps. Zu Schlagworten wie Body- oder Mind-Positivity gesellt sich nun: Period Positivity. Die Message ist klar: Die Periode ist nicht eklig, sondern Teil eines erfüllten Frauenlebens.
Die Autorin Caro Wißing treibt das in einem WDR-Beitrag auf die Spitze: Die Periode sei zwar lästig, heißt es darin, trotzdem sei es wichtig, über positive Aspekte des weiblichen Zyklus zu sprechen. Zitat: „Er ist die Voraussetzung dafür, dass wir Kinder bekommen können. Sollten wir deswegen nicht schon eine positive Grundeinstellung zur Periode haben?“

Patriarchale Geschlechterbilder rechtfertigen

Was sich als modern und feministisch tarnt, entlarvt sich hier als ein konservativer Geschlechtsessenzialismus: Die Periode wird mit Reproduktionsfähigkeit verknüpft – also mit der Möglichkeit, Kinder zu gebären. Sie soll positiv sein, weil sie Fruchtbarkeit und Mutterschaft repräsentiert und bestätigt – das vermeintlich natürliche, ewig Weibliche.
Hier wird ein biologistisches Bild von Geschlecht gezeichnet. Und die Natur muss herhalten, um historisch gewachsene, patriarchale Geschlechterbilder sowie Rollenverteilungen zu rechtfertigen.
An der Periode ist nichts per se gut oder schlecht oder automatisch einem Geschlecht zuzuordnen. Sie ist eine körperliche Funktion, die sich bei unterschiedlichen Menschen unterschiedlich äußert. Manche Frauen bluten, andere nicht. Dafür sind manche Männer von Menstruationsschmerzen geplagt. Oder nicht-binäre Menschen.

Glorifizierung der Periode für mehr Umsatz

Natürlich störe auch ich mich an der Tabuisierung der Periode. Doch warum können Körperflüssigkeiten nicht einfach ebensolche bleiben? Lässt sich nicht für gerechtere Gesundheits- und Lebensbedingungen kämpfen, ohne eine Brühe aus Blut, Gebärmutterschleimhaut, Vaginalflüssigkeit und unbefruchteten Eizellen zum Symbol eines pseudofeministischen Widerstandes zu erklären? Wem ist damit geholfen, wenn die Periode glorifiziert wird? Na ja, vor allen den Märkten.
„Lange sollten Menstruationsprodukte vor allem eins sein: unauffällig. Nun erobern immer mehr Frauen den Markt und setzen auf einen offeneren Umgang mit der Periode“, heißt es in der „Süddeutschen Zeitung“. Bis 2030 soll der Markt für Hygieneprodukte laut dem Marktforschungsinstitut Market Research Future jährlich um knapp sieben Prozent wachsen.
Mehr Sichtbarkeit der Periode bedeutet nicht immer bessere Gesundheitsversorgung für menstruierende Menschen. Sondern oft profitablen Positivitätskitsch, der traditionelle Geschlechterbilder beschwört. Und solange das so ist, gibt es für mich keinen Grund, die Periode zu vermissen.

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Şeyda Kurt studierte Philosophie und Romanistik sowie Kulturjournalismus in Köln, Bordeaux und Berlin. Als freie Journalistin schreibt sie unter anderem für den Zeit Verlag und war Kolumnist*in beim Theaterfeuilleton nachtkritik.de. Im April 2021 erschien ihr Sachbuchbestseller „Radikale Zärtlichkeit – Warum Liebe politisch ist“, in dem sie Liebesnormen im Kraftfeld von Kapitalismus, Kolonialismus und Patriarchat untersucht. 2023 ist Kurts zweites Sachbuch erschienen: „Hass. Von der Macht eines widerständigen Gefühls“.

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