Schwangerschaftsabbrüche

Auch der Paragraf 218 muss weg

07:21 Minuten
Protest gegen den Abtreibungsparagraf in Berlin, eine Frau hält ein Schild mit dem durchgestrichenen Pararafen 219a in der Hand.
Paragraf 219a wurde gestrichen. Nun kommt es auf die FDP an, ob sie es wirklich ernst meint mit der Freiheit und dem Selbstbestimmungsrecht der Frauen, meint unsere Kommentatorin. © Getty Images / Till Rimmele
Von Ann-Kathrin Jeske · 24.06.2022
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Der Bundestag hat das Werbeverbot für Abtreibungen gekippt. Ärzte, die darüber informieren, machen sich nicht mehr strafbar. Eine überfällige Entscheidung, kommentiert Ann-Kathrin Jeske. Und plädiert dafür, noch einen Schritt weiterzugehen.
Die prominenteste Frauenärztin Deutschlands, Kristina Hänel, ist keine Straftäterin mehr. Mit der heutigen Entscheidung wurde sie und mit ihr alle anderen Ärztinnen und Ärzte rehabilitiert, die seit 1990 etwa auf ihren Internetseiten über Schwangerschaftsabbrüche informiert haben und dafür verurteilt wurden. Dass dies im Jahr 2022 ein Fortschritt und keine Selbstverständlichkeit ist, stimmt nachdenklich genug.

Straffreiheit als Ausnahme

Die Abschaffung des Werbeverbots kann deshalb nur der Anfang sein. Die Ampel-Koalition muss auch den Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch streichen. Der Schwangerschaftsabbruch an sich ist nämlich noch immer ein Straftatbestand. Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, so steht es im Gesetz.
Die Botschaft des Gesetzes an Frauen in Deutschland ist also: Wenn ihr abtreibt, könnt ihr dafür bis zu drei Jahre ins Gefängnis gehen, aber wir haben da ein paar Ausnahmen vorgesehen. Denn erst in einem zweiten Schritt stellt das Gesetz in Paragraf 218a fest, dass die Frau sich doch nicht strafbar macht, wenn sie sich beraten lässt und ein Arzt die Abtreibung vor der 13. Woche vornimmt.

Frauen entscheiden selbst über ihren Körper

Grüne und SPD wollen die Paragrafen zum Schwangerschaftsabbruch deshalb streichen. Abtreibungen wären dann trotzdem nur unter der Einhaltung bestimmter Regeln erlaubt, aber nicht mehr kriminalisiert. Es wäre die notwendige, politische Ansage, dass nicht in erster Linie der Staat, sondern die Frau über ihren Körper und ihr Leben entscheidet.
Die Freie Demokratische Partei, FDP, will aber zuerst – zugegeben wie im Koalitionsvertrag vereinbart – eine Kommission darüber beraten lassen. Sie versteckt sich hinter dem Argument, dass das Bundesverfassungsgericht einst urteilte, der Schwangerschaftsabbruch müsse im Strafgesetzbuch geregelt sein, um die Würde des Embryos zu schützen.

Ist der FDP die Freiheit der Frauen egal?

Das ist mutlos und scheinheilig. Denn das „jüngste“ Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Frage ist aus dem Jahr 1993 und somit fast 30 Jahre alt. Gerade die Freien Demokraten sollten den Mut haben, Schwangerschaftsabbrüche zu entkriminalisieren und die Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen.
Wie keine andere Partei hat die FDP in der Coronapandemie vor sich hergetragen, wie wichtig ihr die Freiheit und Selbstbestimmung des Einzelnen ist - und wie selbstbewusst sie dafür vor dem Bundesverfassungsgericht streitet. Wenn die FDP jetzt nicht mit Grünen und SPD mitzieht, kann nur Folgendes hängen bleiben: Dass der männlich dominierten FDP Freiheit egal ist, wenn es nur um Frauen geht.

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