Frauenfußball

Zwischen Hype und Heuchelei

Eine Fußballerin springt bei einem Spiel zum Kopfball in die Luft.
Führt im Vergleich zum Männersport noch immer ein Schattendasein: Frauenfußball © picture alliance / Sportfoto Zink / Peter Kotzur
Ein Kommentar von Katrin Weber-Klüver · 19.07.2023
Erst war der Hype um Frauenfußball, als 2022 rund 18 Millionen Zuschauer das EM-Finale verfolgten. Doch der ist vorbei. Damit der Sport einen Durchbruch erlebt, müssten mehr Frauen im Fußball entscheiden, meint Katrin Weber-Klüver.
War schön im vergangenen Jahr, diese Fußball-Europameisterschaft der Frauen. Richtig gute Spiele, tolle Publikumsresonanz, schließlich als Höhepunkt das Finale England gegen Deutschland im legendären Wembley-Stadion.
In all der sprudelnden Begeisterung große Zuversicht: Das war jetzt wirklich der endgültige Durchbruch für den Frauenfußball. Wenn sogar Männer, die hardcore Fußball gucken, aber damit natürlich ausschließlich Männerfußball meinen, auf einmal sagten: Das kann man sich wirklich ansehen! Also wie die kicken, alle Achtung!
Genau, Achtung! Denn: Ziemlich oft klang dieser Zuspruch ziemlich gönnerhaft. Womit wir bei dem sind, was man das ewige Dilemma des Frauenfußballs nennen könnte: Frauenfußball ist kein Männerfußball. Das Problem haben zwar auch alle anderen Sportarten, aber die werden nicht ständig mit Männerfußball verglichen.

Männer schwärmen von ihrem Engagement

Gerade schwärmen viele Vereinsführungen – also Männer – von ihrem Engagement für Frauenfußball. Eher selten erwähnen sie, dass sie verpflichtet sind, Mädchen und Frauen zu fördern. Das gehört zu den Lizenzauflagen für Proficlubs. Was die Clubs leisten müssen, ist bescheiden, der Kollateralschaden dieser Regelung ist es nicht.
Echte Frauenfußballvereine, die den Sport über Jahrzehnte dominiert haben, können hochklassig nicht mehr mithalten. Der 1. FFC Frankfurt hat sich 2020 aufgelöst und ist zur Frauenabteilung von Eintracht Frankfurt geworden.
Der noch unabhängige, einst ebenfalls Titel sammelnde 1. FFC Turbine Potsdam ist gerade sang- und klanglos aus der Ersten Liga abgestiegen. In der kommenden Saison werden in dieser höchsten Spielklasse nun elf von zwölf Teams Vereine repräsentieren, deren Kerngeschäft professioneller Männerfußball ist.

Frauenfußball entwickelt sich in Wellen

Vielleicht profitiert der Frauenfußball von dieser Entwicklung und bekommt kräftig Schub. Aber was, wenn die Entscheider in diesen Clubs die Lust verlieren? Wenn ihnen Frauenfußball zu kostspielig wird. Oder doch wieder zu langweilig. Man muss diesen Männern nicht mal Böswilligkeit unterstellen. Lediglich, dass Frauenfußball ihnen irgendwie doch egal ist.
Frauenfußball entwickelt sich in Wellen und die Wellenbrecher sind gern mal Männer. Ein Blick zurück: In Westdeutschland gab es in den 1950er-Jahren eine lebendige Frauenfußballszene – bis der Deutsche Fußball-Bund einschritt. 1955 untersagte der Verband seinen Vereinen, Frauen Fußball spielen zu lassen. Die Funktionäre fürchteten um etwas, das sie „weibliche Anmut“ nannten und mahnten: „Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden.“

In der Spitze 21 Millionen Zuschauer bei EM-Finale

Das Verbot blieb bis 1970 bestehen. Weil Männer es so wollten. Das eingangs erwähnte EM-Finale der Frauen haben in Deutschland 18 Millionen Menschen im Fernsehen verfolgt, in der Spitze 21 Millionen. Kein Männerspiel hatte im vergangenen Jahr so viele Zuschauer. Kein einziges.
Wenn jetzt in Australien und Neuseeland die Weltmeisterschaft ausgespielt wird, können all die alten und neuen Frauenfußballfans wieder mitfiebern. Live vor dem Fernseher.
Versteht sich von selbst? Nein, tut es eben nicht. Noch einen Monat vor Turnierbeginn zankten sich der Weltfußballverband und europäische Sender, wie viel die Übertragungsrechte wert seien. Für den deutschen Markt ging es am Ende um einen einstelligen Millionenbetrag. Die Rechte für die Männer-WM im vergangenen Jahr kosteten mehr als 200 Millionen Euro.

Viel mehr Frauen müssen Entscheidungen im Fußball treffen

Es gibt nur eine Möglichkeit, Durchbrüche für den Frauenfußball nicht ständig von Männern nach Belieben mal goutiert, dann wieder torpediert zu sehen. Es sollten nicht nur viel mehr Frauen und Mädchen Fußball spielen. Es müssen auch viel mehr Frauen die Entscheidungen im Fußball treffen.

Katrin Weber-Klüver, geboren 1966 in Schleswig-Holstein, lebt in Berlin und arbeitet freiberuflich als Autorin, Journalistin und Dramaturgin. Im Jahr 2000 brachte sie den Begriff Rumpelfüßler in die Fußballwelt.

Die Journalistin Katrin Weber-Klüver. Eine ältere Frau mit halblangen Haaren steht auf Spazierweg.
© privat
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