Vor der WM

Wie der Frauenfußball in Deutschland boomt

23:59 Minuten
Frauen des DFB-Teams bejubeln einen Treffer im Testspiel gegen den Vietnam
Die Frauen des DFB-Teams begeisterten bei der EM 2022. Wie weit kommen die Frauen bei der WM (hier im Testspiel gegen den Vietnam)? © dppa / picture alliance / Memmler
Von Wolf-Sören Treusch · 16.07.2023
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Alexandra Popp, Lena Oberdorf, Lina Magull: drei deutsche Spielerinnen bei der Fußball-WM in Australien und Neuseeland. Seit den begeisternden Auftritten bei der EM 2022 strahlen die Leistungen des deutschen Teams aus bis in die kleinsten Stadien.
Lokalderby in der Fußball-Regionalliga Nordost der Frauen: Viktoria 89 trifft auf Union Berlin. Völlig ungewohnt für ein Spiel in dieser Leistungsklasse strömen die Zuschauerinnen und Zuschauer ins schnuckelige Stadion in Berlin-Lichterfelde. 700 sind es, manch Bundesligaspiel ist nicht so gut besucht.

Auch Tabea Kemme unterstützt Viktoria 89

Die Europameisterschaft ist gerade mal zwei Monate her, die Menschen haben Lust auf Frauenfußball. Am Einlass steht Tabea Kemme, vielfache Nationalspielerin, Olympiasiegerin, TV-Expertin. Sie verkauft Eintrittskarten.
„Von den Gründerinnen kam die Frage in den Medien: ‚Hey, wer Bock hat, kann helfen‘. Und ich wollte in meinem Leben schon immer mal Bier ausschenken, das ging aber nicht, und deswegen stehe ich jetzt gerade an der Kasse. Es ist einfach schön, dieses Gefühl mit aufgreifen zu können. Was hier gerade passiert, dieser Prozess, bin ich absoluter Fan von. Also ich kann das nur weit und breit unterstützen.“

Unternehmerinnen wollen "Gamechanger" sein

Was die Ex-Nationalspielerin meint, nennen die Macherinnen selbstbewusst Revolution des Frauenfußballs. Sechs Unternehmerinnen aus Wirtschaft, Sport und Medien haben das Frauenteam aus dem Traditionsverein FC Viktoria 1889 Berlin ausgegliedert und in eine GmbH überführt.
Sie wollen damit die Fußballwelt verändern, “Gamechanger“ sein, sagt Katharina Kurz. Sie ist Mitinhaberin der Craftbier-Brauerei BRLO und eine der sechs Gesellschafterinnen.
„Insgesamt geht es uns auch darum, mehr Aufmerksamkeit auf das Thema Frauenfußball zu lenken und tolle Player, Menschen etc. dahinter zu versammeln. Da darf man ruhig mal auch ein bisschen lauter sein."

Gesellschafterinnen sammeln eine Million Euro

Katharina Kurz und ihre Mitstreiterinnen haben innerhalb von drei Monaten eine Million Euro eingesammelt. Wie in einem Start-up-Unternehmen. 87 Investorinnen und Investoren beteiligten sich, darunter Franziska van Almsick, Carolin Kebekus und Dunja Hayali.

Frauenfußball soll ja kein Charity-Ding bleiben, weil: Sonst verdient am Ende auch niemand etwas. Klar soll das wirtschaftlich funktionieren und wir wollen Sponsoring-Gelder und irgendwann die Spielerinnen besser bezahlen. Das geht nur nicht von heute auf morgen, das geht nur mit mehr Aufmerksamkeit und Begeisterung.

Katharina Kurz, Gesellschafterin bei Viktoria 1889 Berlin

Die Saisonpremiere gegen Union beginnt verheißungsvoll.
Schauspielerin, Tatort-Kommissarin und neuerdings Viktoria-Botschafterin Ulrike Folkerts sitzt mitten im Publikum auf der Tribüne, den neu gestylten himmelblau-violetten Fanschal um den Hals.

„Ich war total froh, dass wir gleich ein Tor geschossen haben …“
Ulrike Folkerts, Botschafterin von Viktoria Berlin
Schauspielerin Ulrike Folkerts ist Botschafterin von Viktoria Berlin.© Wolf-Sören Treusch
Seit der EM sei sie vom Frauenfußball richtig angefixt, fügt Ulrike Folkerts noch hinzu. Das Finale England gegen Deutschland hat sie, wie knapp 18 Millionen Menschen im Land insgesamt, im Fernsehen verfolgt. Damit ist ein Fußballspiel der Frauen zum ersten Mal in Deutschland die meistgeschaute Sportsendung des Jahres.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz zeigt sich hinterher begeistert.
„Ich glaube, nicht nur mir ist es so gegangen, sondern ganz vielen, dass sie tief berührt waren und mitgefiebert haben und dass sie letztendlich sogar den ganz großen Erfolg, der fast möglich gewesen ist, für alle herbeigewünscht haben. Ganz hat es nicht geklappt, aber die Begeisterung, die ist auf alle Fälle von diesem Turnier, von diesem Wettbewerb, ausgegangen.“

Der Fußball wird weiblicher

Der Fußball wird weiblicher, lauten die Schlagzeilen nach dem knapp verlorenen Finale. Jetzt gilt es, den Hype hochzuhalten, lautet die Forderung der neuen Lieblinge der Nation.
"Frauen im Fußball und Frauenfußball kann nur gut gelingen, wenn es von der Spitze eines Verbandes auch wirklich gewollt ist."
Meint der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes Bernd Neuendorf und macht unmissverständlich klar: Dieses Mal will der DFB die Chance nutzen, den Schwung des sportlichen Erfolgs in den Fußballalltag mitzunehmen.

DFB erreicht vor allem ein Ziel im Frauenfußball

Vor der EM hatte der DFB seine „Strategie Frauen im Fußball FF27“ vorgestellt. Nun ziehen die Funktionärinnen eine positive Zwischenbilanz. Sehr gut seien die Erfolgszahlen im Profibereich, in der Bundesliga.
Sabine Mammitzsch, für den Frauen- und Mädchenfußball zuständige Vizepräsidentin des DFB, findet: Vor allem ein Ziel sei erreicht.

Die Sichtbarkeit. Die ist enorm gestiegen - und damit auch die Vermarktungserlöse. Wir konnten die kontinuierliche Reichweite um 60 Prozent erhöhen. In den sozialen Medien sogar um 200 Prozent. Der Zuschauerschnitt bei den Frauen-Bundesligaspielen ist um 200 Prozent gestiegen. Also Durchschnitt: 800 auf 2.500 Zuschauer:innen.

DFB-Vizepräsidentin Sabine Mammitzsch

Und auch bei der Vermarktung der Medienrechte sei es gelungen, den Schwung der Europameisterschaft mitzunehmen.
„Für die Frauen-Bundesliga, das ist ein Quantensprung: Wir haben 5,17 Millionen jetzt ab der nächsten Saison erwirtschaftet, für die nächsten vier Jahre, das ist ein 16-facher Erlös. Hinzukommen noch die Erlöse aus der internationalen Vermarktung.“

Es gibt auch altbekannte Probleme

Die positive Entwicklung im Vermarktungsgeschehen täuscht allerdings über altbekannte Probleme hinweg. Noch immer gibt es in der Frauen-Bundesliga Fußballplätze, die bei Frost, Schnee oder Regen unbespielbar sind.
Professionellere Bedingungen in medizinischer Versorgung und Physiotherapie wären wünschenswert für die Gesundheit der Spielerinnen. Und dann ist da noch die Sache mit dem Geld. Eine Nationalspielerin verdient im Durchschnitt etwa 43.000 Euro im Jahr. Ihr männlicher Arbeitskollege 10,8 Millionen.

Kanzler Scholz unterstüzt Idee des Equal Pay

Bundeskanzler Olaf Scholz unterstützt daher die Idee des Equal Pay, also gleiche Bezahlung von Frauen und Männern. Die Profikickerinnen selbst wünschen sich zunächst einmal Equal Play, also bessere Strukturen und ein Grundgehalt in Höhe von 2000 bis 3000 Euro im Monat, damit sie sich voll auf den Fußball konzentrieren können und nicht nebenbei noch arbeiten müssen.
„Ich bin ja schon ein bisschen glücklich, dass die Diskussion um Equal Pay sich in Richtung Equal Play beziehungsweise etwas differenzierter stattfindet und nicht in 180 Ziffern bei Twitter gelöst ist ...“
... meint Nia Künzer, vielfache Nationalspielerin, Weltmeisterin, TV-Expertin.

Vereine passen seit Jahren Gehälter und Etats an

Seit Jahren passen die Fußballklubs Gehälter und Etats für den Frauenspielbetrieb an. Zuletzt sind ihre Ausgaben so rasant gestiegen, dass bis auf ganz wenige Ausnahmen, Beispiel SGS Essen, nur noch Lizenzvereine mit Männerspielbetrieb mithalten können. Hier werden die steigenden Kosten im Frauenbereich in der Regel über die Männerabteilung aufgefangen.
Axel Hellmann, Vorstandssprecher von Eintracht Frankfurt, tritt daher auf die Euphoriebremse.

Die Gesamtheit des Produkts, die wir im Moment schaffen, ist noch nicht marktfähig. Das ist ein Zuschussgeschäft. Es wird gefördert, es wird investiert, wir haben aber kein klares Zielbild, wo rein wir eigentlich investieren.

Axel Hellmann, Vorstandssprecher von Eintracht Frankfurt

Doch, haben wir, würden die sechs Gründerinnen der Viktoria 89 Berlin Frauen-Fußball GmbH erwidern. Mit ihrem Investment verfolgen sie ein klares Ziel, so die Journalistin Felicia Mutterer, eine der sechs Gesellschafterinnen.
„Unser Projekt ist mehr als der sportliche Erfolg. Es soll eine nachhaltige, wir nennen es immer soziale Bewegung sein, die innerhalb des Sportes passiert. Wir glauben, dass der Volkssport Fußball ein wahnsinnig tolles Vehikel ist, die Themen Chancengerechtigkeit, Geschlechtergerechtigkeit auch anzubringen. Deswegen glaube ich, dass wir ein sehr gutes Projekt sind, eine große Brücke zu schlagen und so ein Leuchtturm zu sein, der vielleicht auch anderen als Vorbild gilt, dass man selbst auch etwas anpacken kann.“

Fünfjahresplan von Viktoria 89 Berlin

Mehr Sichtbarkeit, mehr Geld, mehr Fans. Die Nummer eins werden in Berlin. Und hoch in die Bundesliga. So sieht der Fünfjahresplan von Viktoria 89 aus.
Dafür hat sich der Klub vor einem Jahr mit Aylin Yaren verstärkt. Die Stürmerin verdient ihr Geld schon lange mit Fußball: als Freestylerin.
Auf Social-Media-Kanälen folgen ihr mehr als hunderttausend Menschen, wenn sie ihre Tricks mit dem Ball zeigt. Für die jungen Mädchen, die nach dem Spiel ein Selfie mit ihr machen wollen, ist sie Vorbild.

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Yaren: "Die mit Abstand geilste Erfahrung"

Zudem hat Aylin Yaren für etliche höherklassige Klubs gespielt. Jetzt ist sie 34, das Projekt Viktoria hat sie noch einmal gereizt, denn Frauenfußball, sagt sie, brauche diese Form der Aufmerksamkeit.
„Wir haben Shooting-Tage, auf unserer Instagram-Seite wird auch viel getan. Wir haben professionelle Kamerateams hier, die uns filmen. Das sieht man auch auf Instagram. Finanziell ist es auch ganz gut bis jetzt, dass da endlich mal was getan wird. Ich habe jetzt auch in der ersten und zweiten Liga gespielt und kann sagen, dass es hier die mit Abstand geilste Erfahrung ist bis jetzt. Und das in der dritten Liga. Also Regionalliga.“

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44 Tore schießt sie in ihrer ersten Saison für die Viki-Girls, wie sich die Fußballerinnen von Viktoria nennen. Damit ist sie die erfolgreichste Torschützin aller deutschen Regionalligen und hat erheblichen Anteil am Gewinn der Meisterschaft.

Revolution bei Viktoria 89 zeigt Ergebnisse

Ihren letzten Treffer erzielt sie im Relegationsrückspiel um den Aufstieg in die zweite Bundesliga gegen den Hamburger SV. Doch es reicht nicht. Nach einem 0:3 in Hamburg verlieren die Viki-Girls das Rückspiel zu Hause mit 1:3.
Doch Kapitänin Marlies Sänger und ihr Team werden minutenlang von den Fans gefeiert. 3.600 Zuschauerinnen und Zuschauer sind ins Stadion gekommen - ausverkauft. Zudem sehen 220.000 Menschen das Spiel live im Fernsehen. Die Revolution im Berliner Frauenfußball zeigt erste messbare Ergebnisse.
Szene aus dem Relegationsspiel zur Frauen-Fussball-Bundesliga zwischen dem Hamburger SV und Viktoria 1889 Berlin
Szene aus dem Relegationsspiel zur Frauen-Fussball-Bundesliga zwischen dem Hamburger SV und Viktoria 1889 Berlin (rechts Aylin Yaren).© dpa / picture alliance / foto2press / Oliver Baumgart
Und auch die Rahmenbedingungen haben sich im ersten Jahr nach der Ausgliederung enorm verbessert. Die Spielerinnen bekommen ein monatliches Grundeinkommen fast in Höhe eines Minijob-Gehalts. Und sie sind in der Berufsgenossenschaft versichert.
„Die Konditionen sind echt gut. Und nicht nur das Geld an sich. Es hat sich auch einiges verändert. Wir haben das Rehathletikum an unserer Seite. Wenn wir muskuläre Probleme haben, dann können wir dort hingehen. Wir haben da Physiotherapeuten, die rund um die Uhr da sind. Wir haben ein Fitness-Studio mit richtig guten Geräten. Die ärztliche Versorgung ist einfach eine komplett andere, und wir können hier öfter mal im Stadion auf dem Rasen trainieren. Es sind viele Bedingungen, die sich für uns verbessern.“

Marlies Sänger ist Spielerin und Bankangestellte

Deshalb macht Marlies Sänger weiter. In den vergangenen Jahren hatte sie immer wieder überlegt, die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen. Nach einer 40-Stunden-Woche als Bankangestellte hatte sie oft keine Energie mehr für ihr Hobby, das Fußballspielen.
Ab der neuen Saison arbeitet sie nur noch Teilzeit, sie macht ihr Hobby quasi zum Beruf - in ihrem Fall zahlt der Klub die komplette Lohndifferenz, nicht nur ein Minijob-Gehalt.

Für mich ist das ein megageiler Ausgleich. Auf der einen Seite einen Bürojob zu haben, und auf der anderen Seite Power zu geben für den Sport, den ich liebe.

Marlies Sänger, Spielerin bei Viktoria 89 Berlin

Langfristig soll es für alle Spielerinnen dorthin gehen. Doch auch für die Viki-Girls gilt die alte Fußballerweisheit: „Was zählt, ist auf‘m Platz“. Der Klub wird sich weiter verstärken müssen, wenn es mit dem Aufstieg in die zweite Liga klappen soll.

Baerbocks Kindheitserinnerung

Die neue Popularität des Mädchen- und Frauenfußballs in Deutschland macht auch vor der Politik nicht halt. Zum Beispiel, wenn Außenministerin Annalena Baerbock in ihrem Berliner Amtssitz ein WM-Kick-off mit einem Ausblick auf die Weltmeisterschaft in Down Under veranstaltet.
Auf dem Podium diskutieren unter anderem DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg - und die Gastgeberin selbst, in ihrer Jugend Leistungssportlerin auf dem Trampolin, aber immer wieder gern auch auf dem Fußballplatz unterwegs.
„Das war mein persönlicher Ausgleich, so richtig alle Energie und Power rauszulassen und vor allen Dingen Mannschaftssport zu betreiben. Auf dem Fußballplatz sind alle gleich - das ist auch meine Kindheitserinnerung auf’m Dorf. Es ist egal, was die Eltern verdienen. Hauptsache, du schießt eine gute Ecke. Dann bist du mit dabei im Team.“
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (rechts) und Martina Voss-Tecklenburg, Frauen-Bundestrainerin, posieren mit jungen Fußballerinnen des SC Siemensstadt beim WM-Kick-Off im Auswärtigen Amt.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (rechts) und Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg mit jungen Fußballerinnen des SC Siemensstadt© dpa / picture alliance / Jörg Carstensen

Bundestrainerin will "Talentgerechtigkeit"

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nutzt die Gelegenheit, kurz mit denen zu sprechen, die ihr zu Beginn der Veranstaltung die guten Tipps für die WM gaben. Die elf- und zwölfjährigen Mädchen vom Berliner Klub SC Siemensstadt.
Die Bedingungen fürs Fußballspielen schon im Kinder- und Jugendbereich zu verbessern, mehr Trainingskapazitäten zu schaffen, ist seit vielen Jahren ein zentrales Anliegen der Bundestrainerin.
Und vor allem: Mädchen und Jungen gleich zu behandeln. Martina Voss-Tecklenburg nennt es "Talentgerechtigkeit". Sie findet, die Top-Talente unter den Mädchen sollten genauso professionell gefördert werden wie die der Jungen.

Der Boom seit der EM ist spürbar

Man spüre den Boom seit der EM im vergangenen Jahr, erzählt Rainer Manske. Er hat den Mädchen- und Frauenfußball beim SC Siemensstadt aufgebaut. Mit fünf Mädchen habe er 2019 angefangen, jetzt seien es 75.
„Der Zulauf, der hört eigentlich gar nicht auf. Früher war immer so: Über Winter war tot, und jetzt kommen die Mädchen im Wochentakt, mindestens immer eine, und man muss gucken, dass es den Verein nicht sprengt, weil es fehlt ja an Trainern und Betreuern.“
Auf dem Trainingsgelände von Viktoria 89 neben dem Stadion Lichterfelde im Südwesten Berlins tummeln sich zehn Jugendmannschaften gleichzeitig, männlich und weiblich.
Auf zwei Natur- und zwei Kunstrasenplätzen, pro Feld also teilweise drei Teams. Die 15- und 16-jährigen B-Juniorinnen haben ein halbes Spielfeld für sich.

Manche Jugendspielerinnen wirken überfordert

Trotz einiger guter Ansätze wirken die Fußballerinnen hier und da überfordert von den Anleitungen ihres Trainers. Johannes Fritsch übt mit ihnen Laufwege, Pässe, Torschüsse.
Er zeigt Verständnis für manche Unzulänglichkeit. Aber seine Ansprüche steigen, müssen steigen. Es geht hoch in die B-Juniorinnen-Bundesliga.
„Der Schritt ist halt riesig: Wenn du aus der Verbandsliga kommst und dann in die Bundesliga gehst, das sind gefühlt zwei oder drei Spielklassen, in allen Punkten: Psychisch, Kondition – Kondition deckt ja Austausch, Schnelligkeit, Beweglichkeit, Kraft ab – technisch haben wir auch noch Luft nach oben, und vor allem müssen sie sich erstmal als Mannschaft wiederfinden. Und dann muss ich mich halt auch im Kopf dran gewöhnen, wir sind immer noch mit sehr viel Spaß im Training, was gut ist, aber: es ist jetzt ein Sprung fast in den Leistungssport, vom Breitensport.“

Wenn individuelle Förderung unmöglich ist

21 Spielerinnen nehmen am Training teil. Auf einem halben Spielfeld alle ständig in Bewegung zu halten, ist eine logistische Herausforderung.
Einzelne Spielerinnen individuell zu fördern und aus ihnen Top-Talente zu machen: unmöglich.
Das ist einer der Gründe, warum der DFB beschlossen hat, die B-Juniorinnen-Bundesliga nach der kommenden Saison wieder abzuschaffen.
Ariane Hingst, die als Geschäftsführerin Sport der Viktoria Frauen-Fußball GmbH sehr daran interessiert ist, Talente aus dem eigenen Nachwuchs in die erste Mannschaft zu integrieren, kann den Schritt verstehen.

Spielen Mädchen künftig in den Ligen der Jungs?

„Wenn es um Leistungssport und Spitzenförderung geht, muss man klar sagen, dass diese Liga nicht stark genug ist. Dass es da andere Wege und Möglichkeiten geben muss, weil nicht die Top-Talente dadurch gefördert werden können."
Ein Ergebnis könnte sein, dass Mädchenteams in Zukunft öfter in den Ligen der Jungen mitspielen. Gemischtgeschlechtlicher regionaler Spielbetrieb heißt das dann.

DFB plant neue Förder- und Leistungszentren

Das Thema Talentförderung jedenfalls treibt den DFB um. Bundesweit plant der Verband neue Förder- und Leistungszentren weiblich. In Analogie zu den Nachwuchsleistungszentren männlich. Ob das wirklich der Königinnenweg für den Mädchen- und Frauenfußball ist, wird sich in einigen Jahren erweisen.
Jetzt geht es erst einmal darum, den Hype weiter hochzuhalten, den die EM vor einem Jahr erzeugt hat. Dafür ist es enorm wichtig, dass das Nationalteam eine erfolgreiche WM in Down Under spielt. Und das wird schwer genug.

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