Kolumbiens Kohle

Exportschlager statt Energiewende

23:07 Minuten
Blick auf ein Waldgebiet in der Nähe des Rancheria-Flusses, in dessen Umgebung das indigene Volk der Wayú lebt. Im Hintergrund türmt sich die Cerrejón-Kohlemine.
El Cerrejón ist der größte Steinkohletagebau Lateinamerikas. Im nahen Waldgebiet am Fluss Rancheria leben die Wayú, eine indigene Gruppe Kolumbiens. © Getty Images / Anadolu Agency / Lis Mary Machado
Von Viktor Coco · 10.08.2022
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Der Steinkohletagebau El Cerrejón in Kolumbien ist einer der größten der Welt. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs steigt die Nachfrage nach Kohle aus dem Land rasant an, auch aus Deutschland. Die vom Präsidenten versprochene Energiewende muss warten.
Am späten Nachmittag herrscht viel Verkehr in der Kleinstadt Albania im Nordosten Kolumbiens. Überall sieht man Menschen in Arbeitskleidung. Auf Motorrädern, in Sammeltaxen oder in Shuttle-Bussen machen sie sich auf den Weg. Gleich ist Schichtwechsel in der nahegelegenen Steinkohlemine Cerrejón.
In der Mitte eines Kreisverkehrs liegt eine verrostete Baggerschaufel als Monument für die Mine. Ein paar Meter weiter strecken zwei überdimensionale Hände einen als schwarzen Kohlebrocken angemalten Klotz in die Höhe. Die Stadt ist stolz auf den angrenzenden Megabergbau. Ohne Kohle wäre hier wenig los.
Im Ortsteil Villa Reina leben viele Bergleute mit ihren Familien. Daniel wohnt mit seiner Frau und vier Kindern in einem kleinen einstöckigen Haus mit drei Zimmern. Am Abend ist es noch immer sehr warm. In der offenen Wohnküche lehnt Daniel am kühlen Granittresen.
„Hier ist es der Traum eines jeden Schülers bei Cerrejón zu landen. Es gibt nicht viele Jobmöglichkeiten. Ich habe sehr jung, mit 18, angefangen und bis heute arbeite ich dort“, erzählt er.

Kolumbianische Kohle fürs Ausland

Seit 15 Jahren ist Daniel bei Cerrejón, wo über 10.000 Menschen im größten Steinkohletagebau Lateinamerikas arbeiten. Die Mehrheit als Leiharbeiter, viele mit einem Monatslohn von etwa 250 Euro, bei 48 Wochenarbeitsstunden. Daniel verdient knapp 1000 Euro.
Er gehört zu den glücklichen Festangestellten und berichtet: „Meine ersten Verträge waren immer nur sechs Monate gültig. Entfristet wurde ich erst nach einem langen Streik. Einer von vielen, die es bei Cerrejón gab.“
Monument für die Kohleförderung in Albania: Zwei überdimensionale Hände halten einen als schwarzen Kohlebrocken angemalten Klotz in die Höhe.
Ein Monument für die Kohleförderung: Die Stadt Albania ist stolz auf den angrenzenden Megabergbau.© Viktor Coco
Der Abbaukonzern Cerrejón wurde in den 70er-Jahren unter Beteiligung des kolumbianischen Staates gegründet. Seit 2000 ist er vollständig privatisiert in ausländischer Hand und seit Anfang des Jahres komplett im Besitz des globalen Rohstoffmultis Glencore aus der Schweiz.
„Ich habe erst direkt in der Produktion gearbeitet. Wo gesprengt und abgetragen wird, habe ich den Abraum weggefahren. Also das wertlose Geröll, das auf eine Halde kommt. Sechs Jahre war ich dort.“ Daniel hat die Boomjahre miterlebt.
Seit den 90ern hatte sich die Produktion bis zum Rekordjahr 2012 gesteigert, ging danach aber stetig zurück. 2021 wurden in Cerrejón etwa 40 Prozent der nationalen Kohle gefördert, die fast komplett ins Ausland geht und Kolumbien zu einem der wichtigsten Kohleexporteure macht.
Auch Deutschland importiert Steinkohle aus Kolumbien. Zuletzt gingen die Einfuhren im Zuge der Energiewende zurück, aber durch die Sanktionen gegen Russland soll sich das nun wieder ändern.

12-Stunden-Schichten unter Leistungsdruck

Daniel ist trotz seiner Festanstellung unzufrieden mit den Arbeitsbedingungen: „Man arbeitet unter Druck, das zermürbt mental. Der Aufseher, das Funkgerät, die Zentrale, die Sekunde für Sekunde den Lkw überwacht. Bei einem Schaden, zum Beispiel ein platter Reifen, weil man einen Felsbrocken übersehen hat, wird man gleich verwarnt.“
Das Verhältnis zur Belegschaft ist seit Langem angespannt. Ein Arbeitskollege kommt dazu und der Frust sprudelt aus beiden heraus.
Gibt es Kumpel, die glücklich sind? „Nein, niemand! Ich garantiere, dass man dort mit allen sprechen kann und niemanden findet, der glücklich ist! Zuletzt ging bei Cerrejón viel Angst um, denn bis Februar hatten sie wirklich viele Leute entlassen.“
Noch während der Pandemie versuchte man wegen der radikal gesunkenen Nachfrage Tausende Arbeiter loszuwerden. Diejenigen, die übrig blieben, müssen nun in belastenden 12-Stunden-Schichten arbeiten. Daniel hatte in den letzten Jahren mehrere Arbeitsunfälle. Er und sein Kollege leiden unter chronischen Schlafstörungen. In der firmeneigenen Klinik auf dem Betriebsgelände lassen sie sich aber ungern behandeln.

Es gibt da Klüngelei, damit die Ärzte uns nicht krankschreiben. Kollegen wurden nach Arbeitsunfällen ohne Diagnose nach Hause geschickt. Aber woanders wurden dann Schäden an der Wirbelsäule oder innere Verletzungen festgestellt. Viele haben das Vertrauen hier in die Ärzte verloren.

Daniel

Besonders schlimm sei die Luftverschmutzung. Gelegentlich werde zwar Wasser versprüht, um den Staub zu binden, aber Wasser ist rar. Die Provinz La Guajira leidet vielerorts an Trockenheit. Der Wasserverbrauch der Mine steht seit jeher in der Kritik. Die Firma selbst spricht von einem verantwortungsvollen Umgang und verteilt zudem mit Tanklastern Trinkwasser in den Nachbarorten. Die Luftwerte entsprächen der Norm.
Daniel misstraut seinem Arbeitergeber. „Wenn viel in Werbung investiert wird, glaubt ihnen jeder. Aber kaum einer bekommt Einblicke in die Mine. Ich selbst habe von der Arbeit im Bergwerk Asthma bekommen, wegen einer chronischen Entzündung wurde ich schon dreimal an den Nasenmuscheln operiert. Alles wegen der Verschmutzung.“

Kohle ja, aber kein Gras für die Ziegen

Am nächsten Tag nieselt einer der seltenen Regen herab. Wenn man von Albania aus die riesige Steinkohlemine umfährt, ist man mitten in der Natur. Keine Spur von schwerem Bergbaugerät. Nur die exklusive Bahntrasse, auf der mehrmals täglich Tausende Tonnen Kohle bis zum konzerneigenen Exporthafen transportiert werden, gibt ein Gefühl für die Größe der Mine.
Auf der Südseite der Mine führt eine menschenleere, gut asphaltierte Sackgasse in die Perijá-Berge, die nördlichsten Ausläufer der Andenkette. Gleich hinter einem Höhenzug – nicht zu erahnen – wird Gestein gesprengt und ausgebaggert, berichtet Leobardo Sierra.
Er gehört zum Volk der Wayú, die seit Jahrhunderten diese Region besiedeln. „All diese Berge sind Abraum, vergiftetes Geröll. Das ist unfruchtbar. Das Einzige, was da wächst, sind Wüstenbäume, die wenig zum Wachsen brauchen. Aber wenn man eine Eiche pflanzen würde, würde sie nach einer Woche sterben.“
Leobardo Sierra blickt im Dickicht des Waldes auf den für ihn lebenswichtigen Bach.
Leobardo Sierra fürchtet um den für ihn lebenswichtigen Bach. © Viktor Coco
Der Abraum sind jene Bergbauabfälle, die Bergmann Daniel jahrelang bei der Arbeit bewegte. Hier sagt man, die Erde sei „steril“. Es sind 4400 Hektar aus vergangenen Jahrzehnten des Bergbaus, die aus der Ferne durch die knorrigen, aber grünen Wüstenbäume einen vermeintlich bewaldeten Eindruck machen.
Aber gibt es Gras für die Ziegen? „Nein“, ruft Leobardo, „auf gar keinen Fall. Das muss man kaufen. Die Erde ist absolut steril.“ Leobardo Sierra ist ein hagerer 47-Jähriger, heute in Badeschlappen, kurzer Sporthose und einem verwaschenen Poloshirt.
Er ist traditionelles Oberhaupt der hier lebenden Gemeinschaft El Rocío, ein Dutzend Familien vom Klan Apshana der Wayú-Indigenen. Mit 300.000 Menschen bilden die Wayú die größte indigene Gruppe Kolumbiens.

Wayú-Indigene werden verdrängt

Leobardo und sein Dorf trennen nur noch wenige Hundert Meter von der wachsenden Kohlemine. Heute wird auf dem Dach des ein Zimmer großen Grundschulhäuschens eine Minisolaranlage installiert. Drei Jahre hatte die Gemeinschaft darauf gewartet.
Wie viele Wayú in ländlichen Regionen leben sie von der Ziegenzucht und hier, in einem üppigen Auwald, auch von der Landwirtschaft, berichtet Leobardo. „Wir befinden uns am mittleren Verlauf des Bruno-Flusses. Jeden Tag verliert der Fluss etwas von seiner Spiritualität. Aber wir sind immer noch hier und kämpfen für seinen Erhalt, damit er so schön bleibt, wie er ist.“
Der Bruno – hier mit seinem wenige Meter breiten Verlauf noch eher ein Bach – verliere an spiritueller Bedeutung, weil er von Cerrejón bedroht werde. Nur 26 Kilometer ist er lang, aber für Leobardo und seine Gemeinschaft ist er lebensnotwendig. Für Umweltschützer ist er symbolträchtig.
Für die Kohlemine ist Bruno nur lästig, sagt Leobardo.
„Cerrejón will den Fluss austrocknen, um hier Kohle abzubauen. Schon bei der ersten Umleitung wollten sie das, um von hier bis ins Tal Kohle zu fördern. Sie konnten sich aber nicht durchsetzen und seitdem sind wir im Widerstand, damit sie weder Kohle fördern, noch den Fluss umleiten und erst recht uns nicht vertreiben“, erzählt er.
2016 wurde Bruno dennoch teilweise umgeleitet. Nicht der erste krasse Eingriff der Minenbetreiber in die Natur. Über 15 Wasserläufe wurden in den letzten Jahren für den Bergbau umgelegt oder sind heute unbrauchbar für Menschen und Landwirtschaft.

Olaf Scholz bemüht sich um höhere Lieferquoten

Mehrfach wurde das Unternehmen von kolumbianischen Gerichten für Umweltvergehen verurteilt. Zuletzt hatte gar der Sonderberichterstatter für Menschenrechte und Umwelt der Vereinten Nationen eine Schließung der Mine empfohlen. Auch haben kolumbianische Umweltjuristen in der Schweiz Beschwerde gegen den Mutterkonzern Glencore eingereicht.
Aber weder dort noch in den Abnehmerländern wird konkret auf die Situation am anderen Ende der Energielieferketten reagiert. Rohstoffabbau in Kolumbien solle „sozial, nachhaltig, menschenrechtskonform“ sein, hieß es zuletzt im Deutschen Bundestag. Dies ist in Cerrejón definitiv nicht das Fall. Dennoch hat sich Kanzler Olaf Scholz persönlich um höhere Lieferquoten bemüht.
Leobardo bleibt nur sein privater Widerstand hier neben seiner Lehmhütte.

„Sie haben mir Geld geboten, aber der Fluss gehört mir nicht. Als ich auf die Welt kam, war er schon da. Ich habe ihn von meinen Kindern geborgt und will ihn meinen Enkeln weitergeben. Vielleicht ist der Fluss schon nicht mehr das, was meine Großeltern mir überließen.

Aber da ist noch immer Schönheit, Identität und Spiritualität: im Wasser und auf diesem Boden. Wenn das verschwindet, würden langfristig auch die Wayú-Indigenen verschwinden.

Leobardo Sierra

Zeitweise hat Leobardo selbst für Cerrejón in der Wiederaufforstung gearbeitet, aber dies stehe in keinem Bezug zu seinem Kampf um das Territorium seiner Kultur. Wegzugehen wäre eine irreparable Entwurzelung. Sowieso seien Verhandlungen immer verspätet angeboten worden und nie fair abgelaufen.
Das Misstrauen ist groß: „Woanders gab es Umsiedlungen. Aber eigentlich hat die Firma immer ihre Ziele durchgesetzt. Die Gemeinden haben kleinere Ländereien bekommen und dabei ihre Bräuche und Spiritualität verloren. Menschen, die früher von der Landwirtschaft gelebt haben, leben jetzt in Städten.“

Junge Frauen lernen zu verhandeln

Entlang der Kohlemine geht es für eine knappe Stunde in den Süden der Provinz. Trockener Tropenwald säumt stellenweise die Strecke. Riesige wilde Cashew- und Mangobäume spenden in den Siedlungen Schatten. Barrancas ist die dritte Stadt, die direkt an Cerrejón grenzt.
Auch hier hinterlässt der Kohleabbau seine Spuren. Während die Mittagshitze die Straßen leer räumt, laufen in der Lobby eines kleinen Hotels ununterbrochen die Ventilatoren. Vier farbenfroh gekleidete junge Frauen sitzen um einen Plastiktisch voller Bücher und Mappen.
„Wir machen einen Workshop“, erklärt die Afrokolumbianerin Yanelis, „um Teil einer Forschungsgruppe zu werden. Wir lernen, wie man mit Wissen und Aktivismus seinen Wohnort verteidigen kann.“ Yanelis stammt aus Patilla, einer kleinen Ortschaft, die aus dem Gebiet des Tagebaus umgesiedelt wurde. Wo sie als Kind spielte, schaufeln heute riesige Hochlöffelbagger schweres Gestein.
Workshop zur Stärkung der lokalen Frauen in La Guajira.
„Wir machen einen Workshop“: Die Frauen in La Guajira wollen ihren Wohnort verteidigen.© Viktor Coco
Jede der vier Frauen erlebt einen anderen Konflikt mit dem Bergbaukonzern. Ihr Treffen organisiert eine Menschenrechtsorganisation aus der Hauptstadt Bogotá. Die Fortbildung leitet Jenny Ortíz.
Sie glaubt: „Bei Verhandlungen herrscht eine große Asymmetrie. Der Konzern hat seine Forschungsgruppen. Wenn sich diese Frauen fortbilden, können sie perspektivisch auch als Expertinnen auftreten. Die Gespräche finden dadurch zwar nicht auf Augenhöhe statt, sind aber etwas fairer. Und die Menschen sind so auch weniger auf ortsfremde Organisationen angewiesen.“
Und es geht auch darum, Frauen innerhalb ihrer eigenen Communitys zu stärken. Denn zwar geben die Wayú-Indigenen Erbschaften matrilinear weiter und die Partizipation der Frauen auf dem Arbeitsmarkt in La Guajira ist im Landesvergleich relativ hoch.
Aber nirgendwo in Kolumbien ist das geschlechtsspezifische Lohngefälle höher. Und in der gesamten Provinz gibt es keine einzige Bürgermeisterin.
Jenny Ortíz erläutert den Teilnehmerinnen kleinschrittig Abläufe und Fachbegriffe des Mega-Bergbaus. Es geht um Umweltauflagen, Abbauphasen und Renaturierung. Die 29-jährige Roxana vertritt eine Wayú-Gemeinde, die bei einer Umleitung des besagten Bruno-Flusses betroffen wäre.

Bergbau hinterlässt "Opferzonen"

Opferzone – „Zona de sacrificio“: Der Begriff wird in Lateinamerika häufiger verwendet. Für Gebiete, die Industrie oder Bergbau zum Opfer fallen. In Europa kam er im Zuge der Tschernobyl-Katastrophe auf, für langfristig nicht mehr bewohnbare, vergiftete Landstriche.
Greylis aus dem afrokolumbianischen Dorf Roche meldet sich zu Wort. Nach jahrzehntelangen Verhandlungen mit Cerrejón wurden ihre und andere Familien unter Polizeigewalt zwangsumgesiedelt. In kleine Fertigbaureihenhäuser in der Stadt oder auf trockene, für die Viehzucht unbrauchbare Ländereien.
„Wir waren eine Opferzone. Unsere Gemeinde hat nichts erhalten, sondern nur großen Schaden erlitten. Ich als Bewohnerin kann wirklich bezeugen, dass wir geopfert wurden. Wir haben nichts! Und der Staat und der Bergbaukonzern ignorieren das. Unsere Gesundheit leidet, der Zugang zu Wasser ist immer schwieriger. Und wenn dieses Projekt in Cañaverales umgesetzt wird, wird es auch dort fatale Konsequenzen haben“, so die Teilnehmerin Greylis.
Cañaverales ist eine kleine ländliche Siedlung ein paar Kilometer südlich von Cerrejón. Dort will ein türkischer Konzern eine neue Kohlemine eröffnen. Als erstes von drei geplanten Bergbauprojekten.
Die Projektleiterin Jenny Ortíz hakt nach: „Was sind außerdem Opferzonen in La Guajira? Was ist noch geplant? Es geht um das Bergbauprojekt in Cañaverales: Wer lebt dort?“ Greylis antwortet: „Da ist doch der Afro-Gemeinderat von Cañaverales! Es sind Afro-Kolumbianer.“ „Sehr gut“, so Ortíz. „Es sind Afros. Also Menschen mit besonderem Schutz in der Verfassung.“

Kein Fracking unter dem neuen Präsidenten

Laut Kolumbiens Verfassung genießen Gemeinden von Afrokolumbianern und Indigenen kollektive Rechte an ihrem Land, sodass dieses eigentlich gar nicht so einfach an Bergbaukonzerne wie Cerrejón verkauft werden kann. Dennoch geschah in der Vergangenheit häufig genau dies. Bei Großprojekten müssen außerdem die ethnischen Gruppen konsultiert werden. So steht es zumindest auf dem Papier. Soziale Bewegungen wie jene der vom Bergbau betroffenen Frauen können im Zweifelsfall klagen.
Dann käme möglicherweise Amarylis Llanos ins Spiel, Anwältin und Umweltaktivistin in der Region. Sie hat bereits erfolgreich ein Netzwerk gegen Fracking geknüpft, das ebenso in der Kohleabbauregion La Guajira vorgesehen ist.
„Mit einer Klage von unserer Anti-Fracking-Allianz wurde die Lizenzierung ausgesetzt. Allerdings nicht die Fracking-Testbohrungen, die von der letzten Regierung in Betrieb genommen wurden“, erklärt sie.
Die neue Regierung unter Präsident Gustavo Petro hat dem Fracking zwar eine klare Absage erteilt und sich zum beschleunigten Ausbau von erneuerbaren Energien bekannt. Aber in den Kohleexportprovinzen Cesar und La Guajira sind die Menschen skeptisch, und das aus gutem Grund. Trotz millionenschwerer Steuereinnahmen und Versprechen von Wohlstand und Entwicklung gehören sie zu den ärmsten Regionen des Landes.

Es ist auch kein Geheimnis, dass es einen direkten Bezug zwischen Bergbau – zumindest hier in der Region – und Gewalt gibt. Es gibt zahlreiche Zeugenaussagen dazu, wie Konzerne bewaffnete Banden bezahlt haben, um Gewerkschafter umbringen.

Amarylis Llanos

Diese Zeiten, in denen Paramilitärs systematisch Tausende Gewerkschafter bedrohten und töteten, scheinen in Kolumbien zwar vorbei zu sein. Aber das Erlebte wiegt sehr schwer.

Windparks in der Kritik

„Wir haben so schlechte Erfahrungen mit dem klassischen Bergbau bei der Kohle gemacht, dass wir jetzt von diesen Fracking-Projekten nichts Besseres erwarten können. Und erst recht nicht, wenn es sich wie beim Fracking um eine Technik handeln, die so schwere Auswirkungen auf die Natur mit sich bringt.“
Sandra Fonseca sieht die Pläne der neuen Regierung skeptisch.
Sie ist die Direktorin von Asoenergía, einem Interessenverband der großen Energiekonsumenten in Kolumbien: „Ich denke nicht, dass das so schnell geht. Trotz einer schnellen Entwicklung der Erneuerbaren bin ich davon überzeugt, dass man zwecks Energiesicherheit noch für 20 oder 30 Jahre auf Gas angewiesen ist.“
Für Fonseca ist eine Absage an Fracking vor allem ein ökonomischer Fehler. Wer nicht frackt, müsse importieren. „Die große Frage ist: Ist das Land bereit, eine solche finanzielle Anstrengung einzugehen anstatt sein eigenes Gas zu produzieren?“
Kolumbien nutzt zu fast 80 Prozent Energie aus Wasserkraft. Gas ist für die nationale Energiesicherheit nötig, während Kohle fast ausschließlich exportiert wird. Solange es regnet, funktionieren die Wasserkraftwerke. Um sich auch in trockenen Jahren von fossilen Brennstoffen unabhängig zu machen, wird auf Solar- und Windenergie gesetzt.
16 Windparks, die bereits von der alten Regierung angeschoben wurden, sind überwiegend dort geplant, wo die Kohle seit jeher für Konflikte sorgt und auch Fracking geplant ist. Im Siedlungsgebiet der Wayú-Indigenen in der Region La Guajira.
„Es gibt dort Schwierigkeiten mit der technischen Infrastruktur“, so die Energieexpertin. „Es wird an Verteilungslinien gearbeitet, aber das zögert sich alles hinaus, wegen Problemen mit Umweltgutachten und Widerstand in der Bevölkerung.“

Kein Vertrauen in Großprojekte

Ob Bergbau oder erneuerbare Energien, ob für den nationalen Bedarf oder für den Export: Die Menschen in La Guajira haben das Vertrauen verloren und wehren sich. Jahrzehntelang gab es trotz hoher Profite aus der Kohle keine lokale Entwicklung.
Menschen wie dem indigenen Oberhaupt Leobardo Sierra, ist dies eine Lehre. Er verteidigt den Bruno-Fluss – seinen Fluss – gegen Kohleabbau und ist mittlerweile weder gesprächsbereit noch zuversichtlich.
„Wenn das hier verschwindet, verschwinden die Wayú-Indigenen. Und wir wollen nicht, dass das in La Guajira passiert. Aber gerade das geschieht. Unsere Ländereien werden immer kleiner, heute ist es eine Firma wie Cerrejón, morgen eine Firma die erneuerbare Energie erzeugen will. Aber auch sie drängen in das Gebiet der Indigenen. Wenn wir kein Land haben, haben wir keine Identität“, sagt er.

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