Nachruf auf Klaus Schulze

Mit epischer Musik den Körper befreien

05:12 Minuten
Klaus Schulze sitzt im weißen Pulli auf der Bühne und spielt an einem Synthesizer mit Holzverkleidung.
Als Klangtüftler ging er in die Musikgeschichte ein: Klaus Schulze in den Siebzigern. © picture-alliance / jazzarchiv / Hardy Schiffler
Von Andreas Dewald · 27.04.2022
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Klaus Schulze ist im Alter von 74 Jahren gestorben. Der deutsche Musiker und Komponist gilt als Wegbereiter der elektronischen Musik. Mit den Bands Tangerine Dream und Ash Ra Tempel entwickelte er eine eigene Klangsprache und prägte Techno und Ambient.
„Krautrock“ sollten die Briten in den 1970er-Jahren halb ehrfurchtsvoll, halb abschätzig zur Musik von Klaus Schulze sagen. Krautrock nährte sich von allem, was nach der 68er-Revolte in Deutschland durch die Köpfe junger Musiker geisterte. Er verarbeitete Einflüsse von Hendrix bis Zappa, von LSD Sounds bis Free Jazz, von Anleihen aus moderner Klassik bis zu ethnischen Elementen.
Krautrock war radikal und experimentell und klang anders als die Musik aus England und Amerika. Gitarre, Bass, Schlagzeug, Drei-Minuten-Songs? Vergessen Sie's!
„Ich meine, das sind ja sehr lange Stücke für andere Leute, die machen Vier-fünf-Minuten-Stücke“, sagte Klaus Schulze, „bei mir ist das alles so wie in der klassischen Musik, mit langem Aufbau, Hauptteil in der Mitte und dann wieder langsam Ausfaden. Ich denke eigentlich mehr episch und könnte nie einen Hit machen von drei, vier Minuten. Das liegt einfach nicht in mir.“

"Musique planante"

Klaus Schulze, einst Drummer bei Tangerine Dream und Ash Ra Tempel, spielte mit neuen Instrumenten, mit Synthesizern, eine elektronische Maschinenmusik, die alle Formen und Grenzen sprengte. Schon bei seinem Solodebüt „Irrlicht“ von 1972, von ihm selbst als „quadrofonische Sinfonie“ bezeichnet, fühlte man sich keinesfalls an Rockmusik erinnert.
Klaus Schulze sitzt auf der Bühne und blickt hinter einem Synthesizer hervor und in die Kamera. Auch hinter ihm sind große Synthesizer-Wände zu sehen.
Synthesizer waren seine Leidenschaft: Klaus Schulze bei einem Konzert in Polen am 17. September 2019.© picture-alliance / dpa / Pawel_Supernak
"Musique planante haben die Franzosen damals meine Musik genannt und ich fragte: Was heißt denn das? Und das bedeutet schwebend. Ich fand das eigentlich eine sehr gute Bezeichnung der Musik. Ich habe ja auch damals in Frankreich meinen ersten Durchbruch gehabt, und die Leute damals waren davon fasziniert, dass man so lange schwebende Flächen machen kann, auf denen sie mit ihrer Gefühlswelt frei sind.“
Man kann sich verlieren in den unendlichen Klangflächen, die Klaus Schulze auf mehr als hundert Alben ausgebreitet hat. Er hat eine ganz eigene Ton- und Klangsprache entwickelt, eher durch langsames Improvisieren als durch Komponieren, die sich allen Beschreibungen, Assoziationen und Zuordnungen entzieht.

Zu sperrig für Eskapismus

Klaus Schulze hat sich immer dagegen gewehrt, über die Bedeutung seiner Musik zu sprechen. Auf YouTube haben Fans seine Klanglandschaften mit Bildern der Apokalypse visualisiert, mit Science-Fiction-Fantasien, Fotos aus dem Kosmos, surrealen Visionen im Stile von Dalí. Aber das sind nur Projektionen.
Andere halten die ausufernden Synthesizer-Sounds von Klaus Schulze für eskapistisches New-Age-Gewaber, das einlullt. Doch dazu waren sie immerzu unbehaglich, erratisch und mysteriös. Hat Klaus Schulzes Haltung zur Politik, zur Kultur, zur Gesellschaft eigentlich je Eingang in seine Musik gefunden?
„Gar nicht, weil ich habe mich da nie darum gekümmert, weil ich habe immer das gemacht oder in Musik umgesetzt, was ich persönlich gefühlt habe, ob das nun in die oder die Richtung ging oder gehen müsste, war mir eigentlich egal. Ich habe immer das gemacht, was ich als schön empfunden haben.“

Die heilende Kraft der Musik

Klaus Schulze hat nach Stockhausen die Tür in den Raum elektronischer Musik aufgestoßen, durch die ihm viele gefolgt sind. Er hat Strömungen wie Ambient, Industrial, Techno, Drum’n‘Bass vorweggenommen, und sein Einfluss ist bei Künstlern von Pink Floyd, Jean Michel Jarre, Air bis zu Schiller und Paul Kalkbrenner zu spüren.

„Musikmachen ist für mich auch eine körperliche Befreiung, auch wenn sie von mir ausgeht, ist sie aber im Rückweg auch heilend. Deshalb fühle ich mich auch eigentlich sehr wohl mit der Musik, weil ich mache sie nicht nur, sie gibt mir auch noch was.“

Klaus Schulze, Musiker

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