Kinokolumne Top 5

Die besten Filme rund um das "Erinnern"

05:37 Minuten
Eine Filmszene aus "Die totale Erinnerung" (Total Recall) von 1990, mit Arnold Schwarzenegger und Sharon Stone, unter der Regie von Paul Verhoeven.
Eine Filmszene aus "Die totale Erinnerung" mit Arnold Schwarzenegger und Sharon Stone von 1990. © United Archives/Impress
Von Hartwig Tegeler · 28.09.2019
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Janet Tobias Doku "Memory Games" - ab nächster Woche in unseren Kinos – erzählt von Gedächtnissportlern und genialen Erinnerern. Aber wie funktioniert das Erinnern eigentlich? In der Filmgeschichte taucht dieses Sujet immer wieder auf.

Platz 5: "Die totale Erinnerung - Total Recall" von Paul Verhoeven (1990)

"Wenn Sie Recall wählen", verspricht der Firmenverkäufer, " kriegen Sie absolut erstklassige Erinnerungen." Und zwar implantiert. "Und wie echt wirken die?", fragt Bauarbeiter Douglas, alias Arnold Schwarzenegger. Echt, total echt, so das Versprechen, ansonsten gebe es das Geld zurück. Aber ist das dann alles noch real?
Paul Verhoeven wischt den dystopischen und technikkritischen Ansatz von Sci-Fic-Guru Philip K. Dick, auf dessen Erzählung der Film beruht, mit einer Handbewegung weg und macht aus "Total Recall" eine brachiale Komödie. Aber das Misstrauen, dass unsere Erinnerungen uns trügen, kann nicht, tja, es kann nicht "gelöscht" werden. Was aber kann gelöscht werden?

Platz 4: "Vergiss mein nicht" von Michel Gondry (2004)

Nicht um das Einpflanzen von Erinnerungen geht es in "Vergiss mein nicht!", sondern um das Löschen von Erinnerungen. Das haben Joel – Jim Carrey – und Clementine – Kate Winslet – unbedingt nötig, weil sie ihre zweijährige Beziehung endlich hinter sich lassen wollen. Technisch kein Problem!
Aber das Löschen von Erinnerungen an ehemals geliebte Menschen ist ein hochkomplexer Prozess, und so wird die Geschichte, die Michael Gondry erzählt, zu einem verschlungenen, labyrinthischen, irrwitzig-durchgeknallten Stück - was Wunder bei einem Drehbuchautor wie Charlie Kaufmann! Das folgt weniger der Logik herkömmlichen Erzählens, sondern der des Unterbewussten. Kann man den Film also verstehen?

Platz 3: "Trance" von Danny Boyle (2013)

Simon (James McAvoy) leidet angeblich an Amnesie, seitdem ihn Gangster Franck beim Raub des Goya-Gemäldes niedergeschlagen hat. Da braucht es die Hypnose-Therapeutin, um das Versteck des Gemäldes zu finden. Nur leider – und das macht den ungemeinen Charme von Danny Boyles Erinnerungsthriller aus – tut sich nun ein wahrhaftes Labyrinth von Möglichkeiten, Abwegen und Geschichtsversionen auf, von Gegenwart und Vergangenheit, die sich vermischen und verwischen.
Und das alles geleitet – Femme fatale! – von der erotischen Macht einer Frau, die Rosario Dawson gegenüber James MacAvoy und Vincent Cassel ausspielt. "Trance" ist also faszinierend, betörend, verstörend, basierend auf folgender Kino- und Lebens-Prämisse: Traue nie deiner Erinnerung, wenn sich Angst und Verdrängung mischen mit Begehren.

Platz 2: "Memento" von Christopher Nolan (2000)

Leonards Erinnerungsfähigkeit ist auf wenige Minuten reduziert: ein Ausgangspunkt. Der andere: Seine Frau wurde ermordet. Er will sich an dem Mörder rächen, aber da er sich nicht erinnern kann – auch nicht daran, dass er einen vermeintlichen Mörder schon ermordet hat -, wird er zur Marionette derjenigen, die ihn für eigene Interessen manipulieren. Die krude Genregeschichte durchlöchert Christopher Nolan inhaltlich wie formal, indem er einen Teil der Szenen vom Ende zum Anfang erzählt und so eine Orientierungslosigkeit schafft, in der Zuschauer und die von Guy Pearce gespielte Hauptfigur sich spiegeln können.
Bei allen Unabwägbarkeiten von "Memento" bleibt die Erkenntnis, dass Erinnerung existentiell und fundamental ist für ein Leben diesseits des Wahnsinns - so wenig sie auch identisch ist mit Wahrheit.

Platz 1: "Still Alice" von Richard Glatzer (2014)

Mit der Alzheimer-Krankheit wird auch die Erinnerung gelöscht, die Erinnerung an ein Leben, an eine Identität. Julianne Moore spielt eine 50-jährige Linguistin, die ihre Erinnerung verliert, und langsam, aber mit gnadenloser Unaufhaltsamkeit in die Demenz gleitet. Einmal fällt ihr ein Wort nicht ein, einmal verliert sie beim Joggen die Orientierung. Julianne Moore konzentriert sich in ihrem Spiel ganz auf das Gefühl der Verzweiflung, sich zu verlieren.
In ihrem letzten Vortrag vor ihren Studenten sagt sie, fragt sie: "Wer nimmt uns ernst, wenn der Mensch, der wir einst waren, sich immer weiter entfernt?" Das ist die Bedeutung des Titels "Still Alice": Sie ist es immer noch, auch, wenn sie es nicht mehr ist. Dieser Film ist, jenseits jeglichen kinematografischen Budenzaubers, sehr respektvoll im Umgang mit denen, die ihre Erinnerung verlieren.
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