Kinokolumne Top 5

Die Schauspielkunst des Ralph Fiennes

05:43 Minuten
Das Bild zeigt eine Szene aus dem Film "The White Crow" über den russischen Ausnahmetänzer Rudolph Nurejew.
Filmszene aus Fiennes Regiearbeit "The White Crow", in der Fiennes auch selbst mitwirkt. © Sony Pictures Classics / AP Photo
Von Hartwig Tegeler · 21.09.2019
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Ralph Fiennes wurde vor allem durch seine Rollen in "Schindlers Liste" und "Der englische Patient" berühmt. Mit "The White Crow" kommt nun seine dritte Regiearbeit ins Kino. Höchste Zeit für die Top 5 des feingeistigen Gentlemens.
Platz 5: "Stürmische Leidenschaft" von Peter Kosminsky (1992)
Ralph Fiennes als Heathcliff, der als Ziehkind nach "Wuthering Heights" kommt, das Gut im Hochmoor von Yorkshire, und sich unglücklich in die Tochter des Gutsherren verliebt. Steven Spielberg sah diese Verfilmung von Emily Brontës Klassiker und sagte danach über Ralph Fiennes, der in Spielbergs "Schindlers Liste" ein Jahre später den KZ-Kommandanten spielte: "Er war absolut brillant. […] In seinen Augen sah ich sexuell Böses, […] es gab Momente von Güte, die über seine Augen huschten und im gleichen Moment in Kälte erstarrten." Ralph Fiennes nur in die Augen schauen und dann erstarren, erschauern, sich erschüttern oder sehr tief berühren lassen.
Platz 4: "Der ewige Gärtner" von Fernando Meirelles (2005)
Beispielsweise berühren zu lassen, von diesem verstörenden Bild von Trauer, Melancholie und Frieden, wenn Ralph Fiennes als britischer Diplomat Justin auf seine Mörder wartet, an diesem einsamen See in Kenia, wo vorher Justins Frau Tessa – Rachel Weisz – ermordet wurde, weil sie die Verbrechen der Pharmaindustrie in Afrika aufdeckte. Da Tessa tot ist, will Justin nicht mehr leben, aber vorher das Komplott aufdecken. Es schwingt Todessehnsucht mit, wenn der Mann wartet und sich an dem einsamen See weg träumt aus dieser Realität. Großes Spiel eines Schauspiel-Giganten.
Platz 3: "Coriolanus" von Ralph Fiennes (2011)
Verfilmung eines eher unbekannten Shakespeare-Stückes. Erste Regiearbeit des Schauspielers, der in den 1980er Jahren berühmt wurde u. a. als Mitglied der Royal Shakespeare Company und immer noch auf der Theaterbühne steht. Fiennes verlegt die Geschichte des Kriegshelden Coriolanus in das 21. Jahrhundert. Die Sprache von Shakespeare bleibt. Der Fragen, die der Schauspieler Ralph Fiennes immer wieder an seine Figuren zu stellen pflegt, wie er sagt, werden hier viele gewesen sein, denn dieser Coriolanus – Fiennes spielt ihn selber - ist Kriegsheld, Aufrührer und Verräter an der eigenen Republik. Also so widersprüchlich, wie der britische Schauspieler und nun auch Regisseur es offensichtlich liebt.
Platz 2: "Grand Budapest Hotel" von Wes Anderson (2014)
Es war einmal ein Hotel in einem Märchen-Osteuropa in den 1930er Jahren. Ein Hotel, wo der Concierge Monsieur Gustave – absoluter Herrscher über diesen Kosmos - so sehr Dienstleister war, dass er alle weiblichen Gäste beglückte, auch Madame D, die ein wertvolles Gemälde besaß. Und als sie starb, unterstellte die raffgierige Verwandtschaft Gustave, die Dame ermordet zu haben. Eine ungeheure Lust, der Lust zuzusehen, mit der Ralph Fiennes diesen Gustave zum Besten, ach was, zum Allerbesten gibt in einer grandiosen Mischung aus exaltierter Komik, einer Menge Stil, Bauernschläue verbunden mit intellektueller Finesse und Liebenswürdigkeit.
Platz 1: "Die Herzogin" von Saul Dibb (2008)
Das Aufbegehren der Herzogin gegen die Lieblosigkeit ihres Mannes in der britischen Adelsgesellschaft des 18. Jahrhundert ist eindrucksvoll. Aber am Ende ist es nicht das Gesicht der schönen Keira Knightley, sondern das von Ralph Fiennes, das sich eingräbt. Weil der als Herzog als die fast tragischere Figur wirkt. Das ist das Faszinierende an der Darstellungskunst des Schauspielers, der mit wenigen Mitteln einer Figur auf einmal eine völlig andere Dimension eröffnen kann. Der Herzog geht zum Fenster und sagt, während er die Kinder draußen spielen sieht: "Wie herrlich, wenn man so frei ist!". Einem Mann, der seiner Frau so viel Gewalt und Lieblosigkeit entgegen brachte, können wir auf einmal Mitgefühl entgegen bringen, ihn auch als Gefangenen seiner Zeit sehen. Wie Ralph Fiennes einmal sagte: Es geht beim Schauspielen darum, den Menschen in all seinen Varianten und in seiner Widersprüchlichkeit zu zeigen, und nicht nur in der glatt gebügelten Variante.
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