Kino und Corona

Wie sich die Filmbranche gegen die Krise wehrt

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Kino-Anzeigentafel während der Corona-Krise. Statt Spielfilm gute Wunsche: Bleiben Sie gesund und achten Sie aufeinander.
Kino in Zwangspause: Die Zuschauer bleiben zu Hause und müssen Filme streamen. © imago images / Arnulf Hettrich
Von Christian Berndt · 28.03.2020
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Die Kinos sind seit zwei Wochen geschlossen, aber schon bahnen sich große Veränderungen an: Die Branche hat Existenzängste, Spendenaktionen werden gestartet und Festivals finden online statt.
"Mein erstes Kinoerlebnis war, da war ich glaube ich sechs, Peter Pan", erzählt die Schauspielerin Jasna Fritzi Bauer von ihrem ersten Kinobesuch. Der Spot läuft auf hilfdeinenmkino.de, einer Hilfsaktion für die unter der Corona-Krise leidenden Lichtspielhäuser. Per Klick auf ein Kino eigener Wahl, zum Beispiel in der Nähe, starten Werbespots online, die sonst vor Publkum gelaufen wären. Die Filmtheater erhalten den entsprechenden Anteil.

Doppelbelastung für Künstleragenturen

Eine andere Sparte, von der bislang im Zusammenhang der Coronakrise wenig zu hören war, hat sich jetzt mit einer Petition an die Kulturstaatsministerin Monika Grütters gewandt – die Künstleragenturen: "Wenn unsere Klientel, das sind Schauspieler, Regisseure und Drehbuchautoren, wenn bei ihnen die Einnahmen wegfallen, dann fallen sie auch sofort bei uns weg."
Die Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Agenturen, Ulla Skoglund, erklärt, dass die Agenturen zwar wie ihre Künstler staatliche Unterstützungen beantragen können, aber vor einer Doppelbelastung stünden: "Schlussendlich muss man feststellen, dass wir als Künstleragenten sehr viel in dieser Krise auffangen, was unsere Klientel betrifft. Hilfestellungen zu leisten, klären, was ihnen zusteht, und nicht zu vergessen die psychologische Seite. Wir sind immer auch der Fels in der Brandung für unsere künstlerische Klientel. Also sind wir eine ganz eigene Berufsgruppe, und darauf wollten wir mit diesem Schreiben aufmerksam machen."

Diagonale-Festival online

Rudelbildung auf dem Platz: "Robin’s Hood" erzählt nicht nur hautnah aus dem Leben einer multikulturellen Wiener Fußballmannschaft, sondern auch vom haarsträubenden Rassismus in der Amateurliga. Eigentlich hätte der Dokumentarfilm auf dem Festival des österreichischen Films "Diagonale" gezeigt werden sollen, aber jetzt läuft er online.
Als mit der Absage des Festivals die Idee aufkam, ein Online-Programm zu zeigen, zögerte Co-Intendant Peter Schernhuber: "Wir sind dieser Idee prinzipiell immer skeptisch gegenübergestanden. Wir sehen das Festival und auch Kinos sehr wohl als eigene Kulturtechnik und als soziales Ereignis, haben uns dann trotzdem hinreißen lassen und versucht, zumindest teilweise diesen Wünschen, die auch aus der Filmbranche kamen, zu entsprechen."

Zusatzangebot zum Kino

Auch das abgesagte Festival "Dok.fest München" wird ein Online-Programm zeigen. Diese Entscheidungen werden kritisch gesehen, weil sie dem Kino weiter das Wasser abgraben könnten.
Für Österreich sieht Schernhuber aber eine besondere Situation: "Wir diskutieren viele Kino- und Filmfragen immer so, als würden sie das ganze Land betreffen, tatsächlich betreffen diese Diskussionen nur die Hauptstadt Wien. In den Bundesländern, wo der reguläre Kinobetrieb schon sehr ausgedünnt ist, da kann online auch noch mal ein ganz anderes Zusatzangebot schaffen." Aber ein Ersatz für das Festival könne das Online-Programm niemals sein.
So sieht es auch Regisseurin Jessica Hausner, der eine Filmschau auf der diesjährigen "Diagonale" gewidmet ist. "Wenn ein Festival stattfindet, dann treffen sich Leute und tauschen sich live über Filme aus, die sie gemeinsam gesehen haben, also all das, was ein Festival bietet, bietet eine Internetplattform nicht." Allerdings, so Hausner, werde die Corona-Krise wahrscheinlich nur eine Entwicklung beschleunigen, die ohnehin im Gange sei, nämlich zunehmendes Streamen.
Das müsse aber kein Nachteil für den Film sein: "Jeder Mensch, der meinen Film sieht, nimmt was anderes wahr. Wenn ich da anfange zu sagen, da ist was verloren gegangen, dann kann ich sagen, es darf einer, der einen Husten hat, nicht meinen Film gucken oder einer, der Liebeskummer hat, weil da könnte was verloren gehen, weil er abgelenkt ist." Die Kinos der Zukunft sieht Hausner als eine Art Festival im Kleinen: "Ich glaube, dass Kinos umrüsten werden und zum Beispiel in einer Art von Blockveranstaltung Filme zeigen werden."

Videotheken weiterhin geöffnet

Betroffen von Corona ist auch eine andere Branche, die sich um den Film verdient macht, die Videotheken. Trotz der Beschränkungen sind sie in verschiedenen Städten geöffnet: "Ich mach jetzt Lieferservice, das Ordnungsamt hat das nicht so hingenommen, dass ich gesagt habe, das ist ein Dienstleistungsunternehmen", sagt Olaf Ernsting von der "Video Boxx" in Bremen. "Die haben zu mir gesagt, Du darfst deine Snickers verkaufen, dein Eis, Getränke, aber man darf keine Filme ausleihen. Man darf sie aber liefern und abholen, das geht." Ernsting erzählt, dass der Andrang zu Beginn der Coronakrise größer als sonst gewesen sei.
Das hat auch Silvio Neubauer von der "Filmgalerie 451" in Berlin erlebt: "Sogar mehr als sonst. Für die ganzen Leute, die jetzt Homeoffice machen, merkt man deutlich, dass da der Wunsch ist, so ein Stück Normalität vorgesetzt zu bekommen."

DVD durch die Tür

Bei den Videotheken herrscht Unsicherheit, ob sie – wie mancherorts Buchhandlungen – geöffnet bleiben dürfen. Die Schließungsverfügungen sind Ländersache und Kommunen haben Ermessungsspielraum: "Wenn es irgendwelche Kritik gäbe von offizieller Seite, wir könnten quasi wie ein Automat durch die Tür hindurchverleihen. Dort gibt es einen winzigen Rückgabeschlitz, durch den eine DVD durchpasst, das hätte dann wirklich so den Charakter eines Automaten."
Als filmisches Gedächtnis sind gut sortierte Programmvideotheken anders als Streamingdienste unverzichtbar. Das gilt auch für die Kinos, zu deren Rettung nun Berliner Programmkinos auf der Internetplattform Startnext einen Spendenaufruf gestartet haben.
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