Kunst und KI

(K)ein Widerspruch

Illustration einer Roboterhand, die dabei ist ein Gemälde zu zeichnen, was an das "Mädchen mit dem Perlenohrring" erinnert.
Ob künstliche Intelligenz auch künstlerische Intelligenz hat und wirklich Neues erschaffen kann, daran scheiden sich die Geister © Getty Images / Artis777
Zerstört KI unsere Kreativität? Zumindest behaupten das manche, während andere sagen, dass Künstliche Intelligenz die Menschen sogar inspiriert. Aber kann ein KI-geschaffenes Werk überhaupt Kunst sein?
Künstliche Intelligenz kann Kunst schaffen. Stimmt das wirklich? Zumindest wurden bereits Kunstwerke, die mithilfe von KI-Modellen erschaffen wurden, für mehrere hunderttausend Euro versteigert. Manche Philosophen und Wissenschaftler sehen im "Kunstwerk auf Knopfdruck" das Ende der menschlichen Kreativität. Andere wiederum betrachten KI als große Bereicherung, die die Kunst demokratisiert und für alle nutzbar macht.

Welche Argumente gegen KI-Kunst gibt es?

KI-Tools, die Illustrationen oder Bilder erstellen können, gibt es viele. Immer wieder verbreiten sich solche künstlich geschaffenen Darstellungen auf sozialen Netzwerken stark, gehen viral, wie es so schön heißt. Ein Beispiel: Der „Shrimp Jesus“ – ein aus Garnelen zusammengesetzter Jesus Christus, der in verschiedenen Versionen vor allem auf Facebook populär wurde.
Mediensoziologe und Bildungswissenschaftler Thomas Sommerer hat zu Memes, Illustrationen und sonstigen Bildern, die mithilfe von generativer KI erzeugt wurden, eine klare Meinung: Weil sie nicht von Menschen gemacht wurden, gebe es bei KI-Kunstwerken nun einmal keine Spur „einer sozialen oder kulturellen Umgebung, aus der heraus etwas entsteht“, sagt er.

KI reproduziert nur bereits vorhandene Kunst

Damit ein KI-Bildgenerator beispielweise den Eingabebefehl (auch „Prompt“ genannt) „Erstelle ein Gemälde, das ein Pferd zeigt“ ausführen kann, muss die Künstliche Intelligenz dahinter „wissen“, wie ein Pferd aussieht. Dafür werden Tools wie Midjourney, Dalle-E, Leonardo, ChatGPT und weitere mit tausenden realen Fotos und Bildern gefüttert.
Dadurch steht allen Usern gewissermaßen der gleiche Topf an extrahiertem kulturellem Wissen zur Verfügung, um Kunst zu schaffen, erklärt Thomas Sommerer. „Wir fühlen uns zwar selbstständig, weil wir diesen Prompt triggern. Aber es werden nur bereits vorhandene kulturelle Artefakte immer wieder neu zusammengesetzt und ausgespuckt“, kritisiert er.
Roberto Simanowski sieht das ähnlich. Das Bild eines Pferdes, das die KI generiere, sehe halt aus wie ein Durchschnittspferd – „errechnet aus all den Pferdebildern, die der KI zur Verfügung standen“, sagt der Kultur- und Medienwissenschaftler.
Weil alles, was die KI hervorbringt, beschränkt sei auf die Blackbox des Algorithmus, in die Menschen keinen Einblick haben, spricht Mediensoziologe Sommerer sogar von einer Entdemokratisierung der Kunst.

Kreatives Denken geht verloren

Letztendlich geht den Menschen durch Künstliche Intelligenz das kreative Denken verloren, glaubt Thomas Sommerer. Ein Zustand, der auch Auswirkungen aufs Gemüt habe:
„Ich würde behaupten, dass diese Traurigkeit, auch Depression, die wir heutzutage erleben, damit zusammenhängt, dass wir ständig mit Inhalten konfrontiert sind, die eine gewisse Bedeutung vorgeben. Aber eigentlich sind wir sozusagen nur mehr die Zuschauer maschineller Algorithmen.“

Was loben Befürworter an KI-Kunst?

Schon in vergangenen Jahrhunderten haben technische Neuerungen die Kunst- und Kulturwelt stark verändert, darunter der Buchdruck oder das Radio. Allerdings hätten beide Erfindungen nur dabei geholfen, Kunst schneller zu verbreiten, sagt der israelische Historiker Yuval Noah Harari.
Mit generativer Künstlicher Intelligenz gebe es nun zum ersten Mal ein Werkzeug, das Kunst nicht nur verbreiten, sondern selbst völlig neue Werke schaffen könne, sagt er.
Adrian Lobe hat viel zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf unsere Gesellschaft recherchiert. Der Journalist und Politikwissenschaftler betont, dass der Mensch durchaus eine zündende Idee braucht, um KI als Werkzeug benutzen zu können: „Je kreativer mein Prompt ist, desto "kreativer" wird auch die Maschine.“

KI ermöglicht Kunst für alle

KI als Künstler? Davon hält Roberto Simanowski wenig. Der Kultur- und Medienwissenschaftler berichtet aber, dass seine Freunde durchaus eine Demokratisierung der Kunst sähen – ausgelöst durch KI.
Demnach wiederholt die KI die einst von der Fotografie bewirkte Demokratisierung der Kunst-Rezeption auf der Ebene der Kunst-Produktion: Denn mit der richtigen Technik kann nun jeder Kunst machen, sekundenschnell und auf Knopfdruck.

Ist KI-Kunst wahre Kunst?

Daran, ob KI-generierte Werke wie der sogenannte Shrimp Jesus wirklich Kunst genannt werden dürfen, scheiden sich die Geister. Roberto Simanowski jedenfalls hat eine andere Meinung als seine Freunde, die ihm einen Kalender mit KI-generierten Landschaftsbildern schenkten.
„Ich werde immer das Menschliche in der Kunst suchen, und zwar nicht als mathematischen Querschnitt, sondern als individuelle Erfahrung“, sagt er.
Auch Dorothea Winter hält Künstliche Intelligenz nicht für fähig, echte Kunst hervorzubringen. Zur Erklärung verweist die Forscherin, die zu Intentionalität und KI promoviert, auf die Philosophiegeschichte:
„Seit Platon und Aristoteles braucht es zum Kunstwerk vor allem zwei Dinge: erstens Techne und zweitens Episteme“, sagt Winter. „Techne“ entspricht den handwerklichen Fähigkeiten, zum Beispiel der gekonnte Umgang mit Pinsel und Farbe. „Episteme“ steht für die geistige Intention, also die Idee, eine künstlerische Aussage in ein Werk zu legen.
Technik plus Episteme gleich Kunst. 2.000 Jahre später kam zu dieser Formel noch ein dritter Aspekt hinzu: Kant und die künstlerische Freiheit. Dorothea Winter:
„Damit ist keine praktische Freiheit oder politische Freiheit gemeint – also auch Menschen im Gefängnis oder die körperlich in irgendeiner Weise unfrei sind, können Kunst machen –, sondern es geht eher um Freiheit im Sinne von Willensfreiheit. Nur durch diese Freiheit entsteht etwas Neues oder kann erst etwas Neues entstehen.“
KI alleine könne also keine wahre Kunst schaffen, schlussfolgert Winter. Ihr Fazit: „Kunst erfordert Freiheit und das kann KI per se nicht. Also nicht nur zum aktuellen Status quo des technischen Fortschritts, sondern prinzipiell nicht, weil sie eben nicht zur Freiheit fähig ist und es auch nie sein wird.“

jma
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