Kein Trend zur Rekonstruktion
Nach Ansicht des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Gottfried Kiesow, gibt es keinen generellen Trend zum Wiederaufbau von historischen Gebäuden. Die Rekonstruktion der Dresdner Frauenkirche sei eine "große Ausnahme" und vor allem auf das Engagement der Bürger zurückzuführen, sagte Kiesow.
Roelcke: Ich begrüße nun am Telefon einen der wichtigsten deutschen Denkmalschützer, Professor Gottried Kiesow, den Vorsitzenden der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Guten Morgen, Herr Kiesow.
Kiesow: Guten Morgen.
Roelcke: Was ist in Dresden zu bestaunen? Die originale Frauenkirche oder eine Kopie?
Kiesow: Es ist weder das eine noch das andere. Ich bezeichne es als Anastelose, das ist ein Begriff aus der klassischen Archäologie, wenn man unter Verwendung von Originalmaterial ein zusammengestürztes Bauwerk wiedererrichtet. Also beispielsweise der Niketempel auf der Akropolis, da hatten die Türken den auseinander genommen und in die Bastionen eingebaut und man hat in dann im 19. Jahrhundert den aus den Bastionen Stein für Stein wieder rausgelöst und wieder zusammengesetzt, natürlich fehlendes Material ergänzt. Man könnte auch die Tempel von Selinunt nehmen als Beispiel, durch Erdbeben eingestürzt und dann sind die Säulentrommel wieder errichtet worden.
Es war ja noch sehr viel Originalmaterial da. Vor allen Dingen unterscheidet sich der Wiederaufbau der Frauenkirche von allen anderen diskutierten eben dadurch, dass eine sehr, sehr sorgfältige Dokumentation besteht. Man hat ja schon in den 30er Jahren das Denkmal Stein für Stein vermessen und man konnte das Material, was aus dem zusammenstürzenden Bauwerk ja noch da lag und in Regalen sorgfältig aufgehäuft wurde, ja ganz genau kopieren, da wo die Steine so verglüht waren, dass man sie nicht benutzen konnte. Im Übrigen sieht man ja all die dunklen Steine als Original am Bauwerk.
Also, es unterscheidet sich und es ist im Grunde nicht so sehr viel anders als der Wiederaufbau vieler Kirchen im Westen. Ich nehme mal Groß St. Martin in Köln, das ähnlich kaputt war, oder der Michel in Hamburg, der gleich zweimal wiederaufgebaut worden ist, einmal nach einem Brand in den 20er Jahren und dann nach der Kriegszerstörung. Es gibt ja kaum noch ein Baudenkmal, was seine Originalsubstanz hundertprozentig besitzt.
Roelcke: Herr Kiesow, wenn man nach dem Original fragt, fragt man natürlich auch nach der Aura. Ist die Aura entscheidend für ein Kunstdenkmal?
Kiesow: Ja, natürlich, nur muss man sich auch klar sein, dass mit der Zeit eine solche Aura auch wieder entstehen kann. Die Aura des Originals ist jetzt auch bei der Frauenkirche vielleicht noch nicht gegeben, aber auch selbst die von mir bekämpften Fachwerkhäuser in Frankfurt, gegen die ich mich ja eindeutig gestellt habe, den Argumenten des eben gehörten Kommentars folgend, selbst die werden eines Tages Geschichte. Sie sind dann auch Zeitzeugnisse, weniger für das Mittelalter oder für die Zeit danach, Renaissance oder Barock, sondern mehr für die Geisteshaltung damals der 80er Jahre in Frankfurt. Geschichte schreitet ja ständig fort.
Roelcke: Wird denn durch den Wiederaufbau der Frauenkirche ein Trend zum Wiederaufbau insgesamt eingeläutet?
Kiesow: Das wäre falsch. Die Frauenkirche ist die ganz große Ausnahme in jeglicher Hinsicht. Dieses wirklich überwältigende Engagement der Bevölkerung, wenn man das gestern im Fernsehen gesehen hat, dass man selbst auf den Platz nicht mehr konnte, geschweige denn in die Kirche, was sich ja die ganze Nacht fortgesetzt hat, und was heute sicher weitergeht, wenn man das mit ansieht, dann muss man doch feststellen, dass das ein einmaliger Akt ist und den wird man auch beim Braunschweiger Schloss z.B. nicht erreichen können und sicherlich auch nicht bei der Garnisonenkirche in Potsdam.
Roelcke: Wenn wir über die Menschen sprechen, über das bürgerliche Engagement, das diesen Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden ermöglicht hat, stellt sich natürlich die Frage: Welche Menschen sind das, welche Generation? Kann man das zuordnen?
Kiesow: Ich glaube, dass das im Wesentlichen meine Generation ist. Ich bin also 74, um das deutlich zu machen, was ich damit meine. Es ist die Generation, die, wenn auch im Kindesalter, noch die Frauenkirche gekannt hat, die entweder auch aus Dresden stammt, oder wie der Nobelpreisträger Professor Blodel bei der Flucht durch Dresden kamen. Also alles Menschen, die eine emotionale Bindung noch zu dem Original haben. Das wird mit dieser Generation dann aussterben.
Roelcke: Besteht denn die Gefahr, dass die Menschen sich mit historisch rekonstruierten Fassaden vielleicht auch begnügen? In diesem Fall ist es ja keine nur Fassadenrekonstruktion.
Kiesow: Nein, nein, das rechtfertig ja auch die Frauenkirche, die unwahrscheinliche Solidität, mit der das gemacht worden ist. Man hätte diese Kuppel ja auch als Betonglaskuppel für einen Bruchteil der Kosten machen können. Da ist Steinmetzmäßig alles gemacht und es ist außen und innen und bis hin zu den Malereien ja genau dem Original folgend, während die Fassadendenkmalpflege natürlich verheerend ist. Ein Bauwerk besteht nun mal nicht nur aus der Fassade, sondern auch aus den Innenräumen und es darauf zu reduzieren, ist natürlich für die Denkmalpflege selbst eine große Gefahr.
Auch diese Verfügbarkeit des Denkmals: Wenn es im Wege steht, reißt man es ab. Schließlich haben die Braunschweiger damals mit einer Stimme Mehrheit im Magistrat den Abbruch beschlossen, sie hätten es ja stehen lassen können. Jetzt haben sie mit einer Stimmer Mehrheit den Wiederaufbau beschlossen. Diese beliebige Verfügbarkeit des Denkmals, dass man es wie eine Kulisse mal hin und mal her schiebt, mal wird es gebraucht und wenn es wieder nicht gebraucht wird, wieder abgerissen, dagegen muss man sich schon wehren.
Roelcke: Vor kurzem hat der Berliner Tagesspiegel geschrieben, mit dem Wiederaufbau werde die Geschichte repariert. Professor Kiesow, kann man denn mit Wiederaufbauten, mit Rekonstruktionen, die Geschichte reparieren?
Kiesow: Nein, also die Geschichte lässt sich weder reparieren, noch lässt sie sich bewältigen. Das lässt sie sich einfach nicht. Geschichte kommt ja von Geschehen, das wird ja nicht ungeschehen, sowohl die ungeheuren Morde des Dritten Reiches, dem Holocausts und dem Bombenkrieg, den wir schließlich ja auch mit Coventry angefangen haben und dem Rückschlag dann seitens der englischen Luftwaffe, das lässt sich ja nicht ungeschehen machen, nur weil jetzt die Frauenkirche wieder da steht. Aber was natürlich ist, dass sie in die Zukunft weist, die Frauenkirche, dass sie versöhnend ist, dass sie mahnt, dass so was nicht wieder geschieht, aber deswegen wird die Vergangenheit nicht repariert.
Roelcke: Heißt denn die Beschwörung der Vergangenheit auch zugleich eine Angst vor der Moderne, vor der Zukunft?
Kiesow: Ich bin nicht gegen einen gewissen Rückblick auf die Vergangenheit. Ich formuliere immer gerne, "Denkmalschutz ist der Dank an die Vergangenheit, für das kulturelle Erbe, was sie uns hinterlassen hat", sei es in Musik, Dichtung oder Architektur und es ist die Freude an der Gegenwart und das Geschenk an die Zukunft. Insofern spielt natürlich für einen Denkmalpfleger die Vergangenheit eine Rolle, nur lässt sich damit der tiefe Abgrund des Dritten Reiches nicht zuschütten. Aber es lässt sich mit der Besinnung auf die großen kulturellen Leistungen Deutschlands doch eine Brücke über diesen Abgrund bauen.
Da kann man dann immer in diesen Abgrund reinschauen, der ist nicht zugeschüttet, aber irgendwo hat der Bundespräsident ja auch, sich zwar nicht auf die Vergangenheit bezogen, aber gemeint, dass wir etwas mehr Vertrauen in uns selbst und unsere Zukunft finden können, wenn wir an diese Leistung anknüpfen, diese Frauenkirche wiedererstehen zu lassen. Es ist etwas, was uns vielleicht etwas mehr Selbstvertrauen gibt. Darunter leiden wir ja.
Das hat natürlich mit dem Dritten Reich zu tun, dass wir dieses mangelnde Selbstvertrauen haben, dass wir eigentlich keine Identität haben, und das sagen mir auch meine ausländischen Kollegen immer, die sagen, "Ihr seid ja gar nicht kalkulierbar, wer seid ihr Deutschen eigentlich? Wo findet ihr eure Identität?" Und ich finde sie schon in unserer großartigen Kultur und da ist der Beitrag der Frauenkirche ein ganz wichtiger.
Roelcke: Und zu dieser Kultur gehören alte aber auch neue und moderne Bauten, zeitgenössische Architektur.
Kiesow: Ja, selbstverständlich, ich habe gerade ein Seminar über die Architektur des 20. Jahrhunderst gemacht, vorige Woche mit einer Reihe von Teilnehmern und da haben wir die ganz modernsten Kirchen in Frankfurt angeguckt, von Gottfried Böhm und natürlich ist es wie mit moderner Musik, man kann Mozart Menschen näher bringen als Arnold Schönberg, aber wir haben es versucht. Die Geschichte und die Kultur hört ja nicht auf, sondern das ist ein ständiger Prozess und in dieses Konzert der großartigen Leistung der Vergangenheit von Städtebauarchitektur muss auch unsere Zeit ihre Spuren hinterlassen.
Roelcke: Professor Gottried Kiesow war das. Vielen Dank.
Kiesow: Guten Morgen.
Roelcke: Was ist in Dresden zu bestaunen? Die originale Frauenkirche oder eine Kopie?
Kiesow: Es ist weder das eine noch das andere. Ich bezeichne es als Anastelose, das ist ein Begriff aus der klassischen Archäologie, wenn man unter Verwendung von Originalmaterial ein zusammengestürztes Bauwerk wiedererrichtet. Also beispielsweise der Niketempel auf der Akropolis, da hatten die Türken den auseinander genommen und in die Bastionen eingebaut und man hat in dann im 19. Jahrhundert den aus den Bastionen Stein für Stein wieder rausgelöst und wieder zusammengesetzt, natürlich fehlendes Material ergänzt. Man könnte auch die Tempel von Selinunt nehmen als Beispiel, durch Erdbeben eingestürzt und dann sind die Säulentrommel wieder errichtet worden.
Es war ja noch sehr viel Originalmaterial da. Vor allen Dingen unterscheidet sich der Wiederaufbau der Frauenkirche von allen anderen diskutierten eben dadurch, dass eine sehr, sehr sorgfältige Dokumentation besteht. Man hat ja schon in den 30er Jahren das Denkmal Stein für Stein vermessen und man konnte das Material, was aus dem zusammenstürzenden Bauwerk ja noch da lag und in Regalen sorgfältig aufgehäuft wurde, ja ganz genau kopieren, da wo die Steine so verglüht waren, dass man sie nicht benutzen konnte. Im Übrigen sieht man ja all die dunklen Steine als Original am Bauwerk.
Also, es unterscheidet sich und es ist im Grunde nicht so sehr viel anders als der Wiederaufbau vieler Kirchen im Westen. Ich nehme mal Groß St. Martin in Köln, das ähnlich kaputt war, oder der Michel in Hamburg, der gleich zweimal wiederaufgebaut worden ist, einmal nach einem Brand in den 20er Jahren und dann nach der Kriegszerstörung. Es gibt ja kaum noch ein Baudenkmal, was seine Originalsubstanz hundertprozentig besitzt.
Roelcke: Herr Kiesow, wenn man nach dem Original fragt, fragt man natürlich auch nach der Aura. Ist die Aura entscheidend für ein Kunstdenkmal?
Kiesow: Ja, natürlich, nur muss man sich auch klar sein, dass mit der Zeit eine solche Aura auch wieder entstehen kann. Die Aura des Originals ist jetzt auch bei der Frauenkirche vielleicht noch nicht gegeben, aber auch selbst die von mir bekämpften Fachwerkhäuser in Frankfurt, gegen die ich mich ja eindeutig gestellt habe, den Argumenten des eben gehörten Kommentars folgend, selbst die werden eines Tages Geschichte. Sie sind dann auch Zeitzeugnisse, weniger für das Mittelalter oder für die Zeit danach, Renaissance oder Barock, sondern mehr für die Geisteshaltung damals der 80er Jahre in Frankfurt. Geschichte schreitet ja ständig fort.
Roelcke: Wird denn durch den Wiederaufbau der Frauenkirche ein Trend zum Wiederaufbau insgesamt eingeläutet?
Kiesow: Das wäre falsch. Die Frauenkirche ist die ganz große Ausnahme in jeglicher Hinsicht. Dieses wirklich überwältigende Engagement der Bevölkerung, wenn man das gestern im Fernsehen gesehen hat, dass man selbst auf den Platz nicht mehr konnte, geschweige denn in die Kirche, was sich ja die ganze Nacht fortgesetzt hat, und was heute sicher weitergeht, wenn man das mit ansieht, dann muss man doch feststellen, dass das ein einmaliger Akt ist und den wird man auch beim Braunschweiger Schloss z.B. nicht erreichen können und sicherlich auch nicht bei der Garnisonenkirche in Potsdam.
Roelcke: Wenn wir über die Menschen sprechen, über das bürgerliche Engagement, das diesen Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden ermöglicht hat, stellt sich natürlich die Frage: Welche Menschen sind das, welche Generation? Kann man das zuordnen?
Kiesow: Ich glaube, dass das im Wesentlichen meine Generation ist. Ich bin also 74, um das deutlich zu machen, was ich damit meine. Es ist die Generation, die, wenn auch im Kindesalter, noch die Frauenkirche gekannt hat, die entweder auch aus Dresden stammt, oder wie der Nobelpreisträger Professor Blodel bei der Flucht durch Dresden kamen. Also alles Menschen, die eine emotionale Bindung noch zu dem Original haben. Das wird mit dieser Generation dann aussterben.
Roelcke: Besteht denn die Gefahr, dass die Menschen sich mit historisch rekonstruierten Fassaden vielleicht auch begnügen? In diesem Fall ist es ja keine nur Fassadenrekonstruktion.
Kiesow: Nein, nein, das rechtfertig ja auch die Frauenkirche, die unwahrscheinliche Solidität, mit der das gemacht worden ist. Man hätte diese Kuppel ja auch als Betonglaskuppel für einen Bruchteil der Kosten machen können. Da ist Steinmetzmäßig alles gemacht und es ist außen und innen und bis hin zu den Malereien ja genau dem Original folgend, während die Fassadendenkmalpflege natürlich verheerend ist. Ein Bauwerk besteht nun mal nicht nur aus der Fassade, sondern auch aus den Innenräumen und es darauf zu reduzieren, ist natürlich für die Denkmalpflege selbst eine große Gefahr.
Auch diese Verfügbarkeit des Denkmals: Wenn es im Wege steht, reißt man es ab. Schließlich haben die Braunschweiger damals mit einer Stimme Mehrheit im Magistrat den Abbruch beschlossen, sie hätten es ja stehen lassen können. Jetzt haben sie mit einer Stimmer Mehrheit den Wiederaufbau beschlossen. Diese beliebige Verfügbarkeit des Denkmals, dass man es wie eine Kulisse mal hin und mal her schiebt, mal wird es gebraucht und wenn es wieder nicht gebraucht wird, wieder abgerissen, dagegen muss man sich schon wehren.
Roelcke: Vor kurzem hat der Berliner Tagesspiegel geschrieben, mit dem Wiederaufbau werde die Geschichte repariert. Professor Kiesow, kann man denn mit Wiederaufbauten, mit Rekonstruktionen, die Geschichte reparieren?
Kiesow: Nein, also die Geschichte lässt sich weder reparieren, noch lässt sie sich bewältigen. Das lässt sie sich einfach nicht. Geschichte kommt ja von Geschehen, das wird ja nicht ungeschehen, sowohl die ungeheuren Morde des Dritten Reiches, dem Holocausts und dem Bombenkrieg, den wir schließlich ja auch mit Coventry angefangen haben und dem Rückschlag dann seitens der englischen Luftwaffe, das lässt sich ja nicht ungeschehen machen, nur weil jetzt die Frauenkirche wieder da steht. Aber was natürlich ist, dass sie in die Zukunft weist, die Frauenkirche, dass sie versöhnend ist, dass sie mahnt, dass so was nicht wieder geschieht, aber deswegen wird die Vergangenheit nicht repariert.
Roelcke: Heißt denn die Beschwörung der Vergangenheit auch zugleich eine Angst vor der Moderne, vor der Zukunft?
Kiesow: Ich bin nicht gegen einen gewissen Rückblick auf die Vergangenheit. Ich formuliere immer gerne, "Denkmalschutz ist der Dank an die Vergangenheit, für das kulturelle Erbe, was sie uns hinterlassen hat", sei es in Musik, Dichtung oder Architektur und es ist die Freude an der Gegenwart und das Geschenk an die Zukunft. Insofern spielt natürlich für einen Denkmalpfleger die Vergangenheit eine Rolle, nur lässt sich damit der tiefe Abgrund des Dritten Reiches nicht zuschütten. Aber es lässt sich mit der Besinnung auf die großen kulturellen Leistungen Deutschlands doch eine Brücke über diesen Abgrund bauen.
Da kann man dann immer in diesen Abgrund reinschauen, der ist nicht zugeschüttet, aber irgendwo hat der Bundespräsident ja auch, sich zwar nicht auf die Vergangenheit bezogen, aber gemeint, dass wir etwas mehr Vertrauen in uns selbst und unsere Zukunft finden können, wenn wir an diese Leistung anknüpfen, diese Frauenkirche wiedererstehen zu lassen. Es ist etwas, was uns vielleicht etwas mehr Selbstvertrauen gibt. Darunter leiden wir ja.
Das hat natürlich mit dem Dritten Reich zu tun, dass wir dieses mangelnde Selbstvertrauen haben, dass wir eigentlich keine Identität haben, und das sagen mir auch meine ausländischen Kollegen immer, die sagen, "Ihr seid ja gar nicht kalkulierbar, wer seid ihr Deutschen eigentlich? Wo findet ihr eure Identität?" Und ich finde sie schon in unserer großartigen Kultur und da ist der Beitrag der Frauenkirche ein ganz wichtiger.
Roelcke: Und zu dieser Kultur gehören alte aber auch neue und moderne Bauten, zeitgenössische Architektur.
Kiesow: Ja, selbstverständlich, ich habe gerade ein Seminar über die Architektur des 20. Jahrhunderst gemacht, vorige Woche mit einer Reihe von Teilnehmern und da haben wir die ganz modernsten Kirchen in Frankfurt angeguckt, von Gottfried Böhm und natürlich ist es wie mit moderner Musik, man kann Mozart Menschen näher bringen als Arnold Schönberg, aber wir haben es versucht. Die Geschichte und die Kultur hört ja nicht auf, sondern das ist ein ständiger Prozess und in dieses Konzert der großartigen Leistung der Vergangenheit von Städtebauarchitektur muss auch unsere Zeit ihre Spuren hinterlassen.
Roelcke: Professor Gottried Kiesow war das. Vielen Dank.