Kate Devlin: "Turned on"

Sex mit Robotern – nüchtern betrachtet

06:40 Minuten
Im Still aus "Ex Machina" berührt Alicia Vikander in ihrer Rolle als Roboter das Gesicht eines anderen Roboters.
Kate Devlin sieht Sexroboter als prinzipiell nützlich, aber problematisch an - Filme wie "Ex Machina" haben natürlich einen ganz anderen Zugriff. © Picture Alliance / Collection Christophel / DNA Films / Film4
Von Vera Linß · 11.04.2020
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Seit Jahrhunderten haben Menschen eine Faszination für künstliche Liebhaber. Beim Einsatz von Sexrobotern sind aber noch viele ethische und rechtliche Fragen offen, erklärt die Informatikerin Kate Devlin. Auch die Technik ist noch nicht perfekt.
Sex mit einem Roboter? Für die meisten Menschen ist der Gedanke ziemlich abwegig. Vorstellen können sich das gerade mal rund zehn Prozent – so das Ergebnis der wenigen Studien, die es zum Thema gibt. Doch ist die Skepsis berechtigt? Diskussionsbedarf gibt es jedenfalls zuhauf, meint die Informatikerin Kate Devlin. Seit Jahren forscht die Britin zur Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Ihr kenntnisreiches Buch liefert die beste Grundlage dafür, sich selbst eine Meinung zu bilden zum Für und Wider von Sexrobotern.

Bislang gibt es keine männlichen Sexroboter

Diese, stellt Devlin klar, erscheinen allerdings nur auf den ersten Blick wie die spleenige Erfindung von Digitalnerds. Tatsächlich sei die Faszination für künstliche Liebhaber uralt. Angefangen in der griechischen Mythologie, wo Laodameia die Bronzefigur ihres verstorbenen Gatten mit ins Bett nahm. In der Antike dagegen habe es Sex mit Statuen gegeben und im 17. Jahrhundert hätten Seemänner Stoffbündel in Frauengestalt untereinander geteilt. Kate Devlin zeigt außerdem: Auch die Begeisterung für Automaten zieht sich durch die Jahrhunderte. Dass beides – Sex und Robotik – miteinander verschmilzt, war nur eine Frage der Zeit.
Das Cover von Kate Devlins "Turned on" auf orangenem Hintergrund.
Kate Devlin setzt sich in "Turned on" kenntnisreich und unaufgeregt mit Sexrobotern auseinander.© Buchcover: wbg Theiss, Montage: Deutschlandradio
Wohltuend, wie fundiert und gelassen die Britin diesen kulturellen Background ausbreitet und damit das Thema erdet. Diese Haltung zieht sich durch das gesamte Buch. Etwa auch, wenn sie ihre Besuche bei einigen Herstellern von Sexrobotern schildert. Zwar schwärmt sie von der Roboterfrau "Harmony", die spricht, mit den Augen zwinkert und auch durch ihre weiche Haut überzeugt ("Es ist wundervoll"). Oder von "Samantha", die über elf Sensoren verfügt und bei Berührung ebenfalls spricht. Kate Devlins Marktanalyse ist dann aber doch ernüchternd: Die Roboter seien hypersexualisiert und bedienten nur den stereotypen männlichen Blick, auch Mechanik und KI ließen oft noch zu wünschen übrig. Ein Manko auch: Es gibt keine männlichen Sexroboter.

Smartes Sexspielzeug in Therapie und Altenpflege

Umso wichtiger findet es Kate Devlin, dass das Potential dieser Technologie breiter thematisiert wird. Den gesellschaftlichen und individuellen Nutzen von Sexrobotern hält sie jedenfalls für groß – wenn sie richtig eingesetzt würden. Könnten sich etablierte Einstellungen gegenüber Sex und Intimität durch den Einfluss der Technologie verändern, fragt sie. Und zählt weitere Chancen auf: In der Therapie, in der Altenpflege, wenn jemand einsam ist und nicht zuletzt schlicht die, dass es Spaß machen könnte.
Aber auch Risiken und ethische Fragen müssten diskutiert werden, etwa ob Sexroboter süchtig machen oder zur Verrohung führen können. Oder: Darf es kindliche Versionen von Sexrobotern geben? Sicher nicht! Doch was, wenn jemand ein Sexroboter-Duplikat von einem anfertigt? Zu all diesen Fragen seien rechtliche Standards und mehr Forschung nötig. Wie schwierig es ist, dafür Gelder zu akquirieren, beschreibt Kate Devlin auch in diesem lesenswerten Buch. Mit dem sie das Thema – so ihr Verdienst – ein weiteres Stück aus der Nische in die Öffentlichkeit geholt hat.

Kate Devlin: "Turned On. Intimität und Künstliche Intelligenz"
Aus dem Englischen übersetzt von Axel Walter
wbg Theiss, Darmstadt 2020
240 Seiten, 25 Euro

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