„Karneval der Identitäten“ an der Staatsoper
Mozarts Oper über die „falsche Gärtnerin“ hat Hans Neuenfels als Vorlage genutzt. Ein neu geschriebenes Libretto und die Einführung neuer Personen verleihen dem Stück ein weiteres Gefühlsspektrum von Rache und Enttäuschung. Die Musik wird als Psychogramm dargeboten: So hört man Mozart durchaus neu.
Eine Frau, die sich fälschlich als Gärtnerin ausgibt, eine „finta Giardiniera“, wie es der Titel verspricht, tritt in der neuen Bearbeitung von Mozarts Oper durch Hans Neuenfels nicht auf, einen „Karneval der Identitäten“ kündigt allerdings eine Leuchtschrift gleich zu Beginn an. Neuenfels hat um die einzelnen musikalischen Nummern nämlich ein ganz neues Libretto geschrieben, und neue Personen eingeführt: ein altes Paar, ein Comte und eine Comtesse (die Schauspieler Elisabeth Trissenaar und Marcus Boysen), die die Szenen kommentieren, sowie eine Gruppe Jugendlicher, die den Sängern assistieren oder sie beobachten. Statt der Rezitative eröffnen Dialoge in holprigen Knittelreimen die einzelnen Arien.
Wenn Neuenfels auch vom ursprünglichen Text des Librettos nichts hält (Neuenfels im Programmheft: „Idiotisch und langweilig"), die Ausgangssitutation von „La finta giardiniera“ hat nicht nur Mozart, sondern wohl auch ihn inspiriert: Der versuchte Mord eines Grafen an seiner Geliebten, die daraufhin untertaucht – ihn aber dennoch weiter begehrt. Mord und Liebe, Sexualität und Gewalt, Begehren und Unterwerfung bedingen sich. Die Oper des 18jährigen Mozart scheint – auch bei den anderen Figuren – Gedanken der Psychoanalyse vorwegzunehmen, ja sie zu übertreffen. Der Untertitel der Oper, „Die Pforten der Liebe“, trifft also für Neuenfels Bearbeitung durchaus zu.
Neuenfels´ Konzeption geht von den Irritationen, Unsicherheiten, ambivalenten erotischen Regungen, die Mozart Musik unterstreicht, aus und macht dabei aus jeder einzelnen Nummer eine eigene Oper: 27 Miniaturopern also zu Sexualität, Rache, Enttäuschung und Begehren. Der Kosmos, Sonne und Mond – fehlen dabei in Neuenfels surrealer Welt nicht, auch nicht pubertärer pornographischer Witz. Mozarts kommt das durchaus nahe, zumal ja in „La Finta Giardiniera“ die Musik und das Orchester Hauptakteure sind: die Flöten, Oboen, Violen, Pauken und Trompeten, die der Podesta (Stephan Rügamer) besingt und mit denen er in der Ausstattung von Reinhard von der Tannen wie mit Geschlechtsorganen hantiert.
Eine Entdeckung kann „La finta giardiniera“ wohl auch deshalb sein, weil sie selten gespielt und noch nicht als Meisterwerk abgeschliffen, inhaltliche und musikalische Motive von „Don Giovanni“ und „Cosi fan tutte“ vorwegnimmt. Die Staatskapelle unter Christopher Moulds war insofern durchaus ein dynamischer Mitstreiter im Geschehen – und die Sänger – unter ihnen vor allem Annette Dasch als Mordopfer und Liebende zugleich und Stephanie Atanasov konnten immer wieder in den „Miniaturopern“ ihrer Arien ihre ambivalenten Gefühle ausagieren – Musik als Psychogramm. Alex Penda lebte ihre Rachearie gegenüber Männern – genussvoll Kastrationsängste schürend aus. Man hört Mozart insofern durchaus neu.
Am Ende freilich, schon vor der Premiere erwartet, wieder zahlreiche Buhs gegenüber Neuenfels. Die hochgestochenen Apercus und Kommentare, die oft biografisch anmutende Thematisierung des Alters, die das Schauspielerpaar und manchmal auch die rauchige Stimme von Neuenfels selbst aus dem Off zum Besten geben, nimmt nicht jeder Zuschauer gerne in Kauf. Doch die – bei Neuenfels ja immer – singuläre Annäherung an Mozarts Musik und sein Verfahren verdienen Respekt: Ein Werk von Mozart und Neuenfels. „La finta giardiniera von W.A. Mozart. Neu-Fassung des Librettos von Hans Neuenfels“ ist kein Etikettenschwindel.
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Wenn Neuenfels auch vom ursprünglichen Text des Librettos nichts hält (Neuenfels im Programmheft: „Idiotisch und langweilig"), die Ausgangssitutation von „La finta giardiniera“ hat nicht nur Mozart, sondern wohl auch ihn inspiriert: Der versuchte Mord eines Grafen an seiner Geliebten, die daraufhin untertaucht – ihn aber dennoch weiter begehrt. Mord und Liebe, Sexualität und Gewalt, Begehren und Unterwerfung bedingen sich. Die Oper des 18jährigen Mozart scheint – auch bei den anderen Figuren – Gedanken der Psychoanalyse vorwegzunehmen, ja sie zu übertreffen. Der Untertitel der Oper, „Die Pforten der Liebe“, trifft also für Neuenfels Bearbeitung durchaus zu.
Neuenfels´ Konzeption geht von den Irritationen, Unsicherheiten, ambivalenten erotischen Regungen, die Mozart Musik unterstreicht, aus und macht dabei aus jeder einzelnen Nummer eine eigene Oper: 27 Miniaturopern also zu Sexualität, Rache, Enttäuschung und Begehren. Der Kosmos, Sonne und Mond – fehlen dabei in Neuenfels surrealer Welt nicht, auch nicht pubertärer pornographischer Witz. Mozarts kommt das durchaus nahe, zumal ja in „La Finta Giardiniera“ die Musik und das Orchester Hauptakteure sind: die Flöten, Oboen, Violen, Pauken und Trompeten, die der Podesta (Stephan Rügamer) besingt und mit denen er in der Ausstattung von Reinhard von der Tannen wie mit Geschlechtsorganen hantiert.
Eine Entdeckung kann „La finta giardiniera“ wohl auch deshalb sein, weil sie selten gespielt und noch nicht als Meisterwerk abgeschliffen, inhaltliche und musikalische Motive von „Don Giovanni“ und „Cosi fan tutte“ vorwegnimmt. Die Staatskapelle unter Christopher Moulds war insofern durchaus ein dynamischer Mitstreiter im Geschehen – und die Sänger – unter ihnen vor allem Annette Dasch als Mordopfer und Liebende zugleich und Stephanie Atanasov konnten immer wieder in den „Miniaturopern“ ihrer Arien ihre ambivalenten Gefühle ausagieren – Musik als Psychogramm. Alex Penda lebte ihre Rachearie gegenüber Männern – genussvoll Kastrationsängste schürend aus. Man hört Mozart insofern durchaus neu.
Am Ende freilich, schon vor der Premiere erwartet, wieder zahlreiche Buhs gegenüber Neuenfels. Die hochgestochenen Apercus und Kommentare, die oft biografisch anmutende Thematisierung des Alters, die das Schauspielerpaar und manchmal auch die rauchige Stimme von Neuenfels selbst aus dem Off zum Besten geben, nimmt nicht jeder Zuschauer gerne in Kauf. Doch die – bei Neuenfels ja immer – singuläre Annäherung an Mozarts Musik und sein Verfahren verdienen Respekt: Ein Werk von Mozart und Neuenfels. „La finta giardiniera von W.A. Mozart. Neu-Fassung des Librettos von Hans Neuenfels“ ist kein Etikettenschwindel.
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