Wir brauchen keine Wissenschaft, die uns erklärt – was wir schon längst wissen – dass der Meeresspiegel steigt – und das Wasser sich erhitzt.
Julian Aguon: „Kein Land für Achtpunktfalter. Ein Weckruf aus Ozeanien“
© Ullstein Verlag
Dichter und Kämpfer
05:40 Minuten
Julian Aguon
Übersetzt von Hanna Hesse und Marian Singer
Kein Land für Achtpunktfalter. Ein Weckruf aus OzeanienClaasen, Berlin 2022142 Seiten
20,00 Euro
Von Johannes Kaiser · 17.06.2022
Der Anwalt Julian Aguon aus Guam im Südpazifik setzt sich für die Rechte seines indigenen Volkes ebenso wie für den Natur- und Klimaschutz ein. Seine sehr persönlichen Texte feiern dabei auch die Poesie.
Poesie, um die Vernichtung der Artenvielfalt zu beklagen; ein Gedicht über den Kampf gegen den Meeresanstieg; Reden zur Verteidigung der eigenen Sprache: Der 40-jährige Julian Aguon hat ein ungewöhnliches Buch über den Klimawandel und den Artenschutz geschrieben. „Kein Land für Achtpunktfalter“ ist ein „Liebesbrief an junge Menschen“, wie der Autor schreibt.
Sammlung aus Reden, Essays, Interviews und Gedichten
Das schmale, knapp 140 Seiten umfassende Buch ist eine Sammlung aus Reden, Essays, Interviews und Gedichten. Und es verblüfft! Dass liegt vor allem am Ton. Anstelle von wissenschaftlichen Beweisen, Statistiken und Forschungsergebnissen besticht Julian Aguoh durch Leidenschaft und Emotion. Wir brauchen neue Geschichten, sagt er und wie er das meint, erklärt dieses Gedicht:
Der Menschenrechtsaktivist setzt sich auch dafür ein, dass der indigenen Bevölkerung Guams die gleichen Rechte zugesprochen werden wie den Ureinwohnern der USA. Denn bis heute ist Guam eine Kolonie der Vereinigten Staaten und dient vor allem als Militärbasis.
Naturschutzgesetze der USA gelten nicht
Die Naturschutzgesetze der USA gelten hier nicht, wie der Schriftsteller in einem vor zwei Jahren veröffentlichten Aufsatz zornig beklagt. „Kein Land für Achtpunkt-Falter“ gab dem Buch den Titel.
Die Achtpunkt-Falter sind vom Aussterben gedroht. Sie leben in einem uralten Kalkwald zusammen mit zahlreichen anderen seltenen Arten. Den Wald rodet die US-Armee derzeit zugunsten einer riesigen Schießanlage. Bürgerproteste und Klagen konnten die Abholzung bislang nicht stoppen.
Dennoch – und das ist typisch für Aguon – fordert er, „aufzustehen und weiterzumachen, auch wenn wir verlieren“. Diese Haltung prägt alle seine Texte.
Und so ist dieses Buch eine seltsame, gleichwohl faszinierende Mischung aus sehr persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen des Autors, in die er indigene Mythen von hilfreichen Geistern eingeflochten hat. Er erinnert sich liebevoll an seine Eltern und an seine Schwester, zeigt deren Fotos.
Sprachlosigkeit des indigenen Volkes überwinden
Vehement fordert er in seinen Reden zu Abschlussfeiern in Schule und Universität, auch bei Niederlagen nie aufzugeben. Jetzt gelte es, die Sprachlosigkeit des indigenen Volkes von Guam zu überwinden, um es zu retten und „ins Sonnenlicht zu treten“.
Zahlreiche Fußnoten erläutern und ergänzen diese Haltung, dort finden sich auch Querverweise zu einigen seiner Lieblingsschriftstellerinnen und Schriftsteller.
So fern Guam auch scheinen mag, Julian Aguons poetische Sprache bringt die Kultur des Landes, ihre tief verwurzelte Gemeinschaft und ihre beeindruckende Schönheit zum Leuchten.
Sein persönliches Engagement berührt und beeindruckt. Und es macht erschreckend deutlich, wie sehr diese kleine pazifische Insel tatsächlich bedroht ist.