Julia von Lucadou: "Tick Tack"

Viral gehen in der Pandemie

13:01 Minuten
Julia von Lucadou steht angelehnt an eine Fliesenwand, im Hintergrund ist auch eine Fliesenwand. Sie hat lange Haare, die sie mir Seitenscheitel trägt. Ihre Jacke ist hell, ihr T-Shirt dunkelblau.
Schriftstellern Julia von Lucadou © Hanser Verlag / Guido Schiefer
Julia von Lucadou im Gespräch mit Frank Meyer · 11.04.2022
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Julia von Lucadou hat für ihren neuen Roman "Tick Tack" in der Szene der Verschwörungstheoretiker recherchiert - schon bevor Corona ausbrach. Die Ursache für die Weltdeutung der Querdenker sieht sie in einer großen, emotionalen Krise.
Julia von Lucadou lässt ihren zweiten Roman „Tick Tack“ in Bonn spielen, wo sie 2018 Stadtschreiberin war und am Ort des fiktiven Geschehens in Bad Godesberg lebte.
Von Lucadou hat sich für "Tick Tack" die Sprache der Generation Z angeeignet, vor allem über Internet-Quellen. „Für mich ist Schreiben immer ein bisschen wie Schauspielern", sagt die 1982 geborene Schriftstellerin. "Ich versuche, ganz in die Figur einzutauchen und lasse mich dann von ihrer Sprache infizieren.“

Hochintelligent und 15 Jahre alt

Ihre Hauptfigur Mette, benannt nach einem Frischkäse und auch deswegen mit einer sehr schwierigen Beziehung zur Mutter, hat gerade einen Suizidversuch hinter sich. Sie ist hochintelligent, hat einen ausgesucht sarkastischen Witz und besucht eine Privatschule im dörflich geprägten Bad Godesberg. Auch von Lucadous zweiter Protagonist ist hochintelligent: Er ist zehn Jahre älter als Mette und außerdem Corona-Verschwörungstheoretiker.

Hilfsangebote für Menschen mit Depressionen: Wenn Sie das Gefühl haben, an einer psychischen Krankheit zu leiden, wenn Sie sich in einer scheinbar ausweglosen Lebenssituation befinden oder das auf einen Ihrer Angehörigen zutrifft, zögern Sie nicht, Hilfe anzunehmen bzw. anzubieten. Hilfe bietet unter anderem die Telefonseelsorge in Deutschland unter 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 (gebührenfrei) und im Internet unter telefonseelsorge.de.

„Sie ist sehr analytisch und gleichzeitig auch eine typische 15-Jährige, die sich alleine, nicht verstanden fühlt“, beschreibt Julia von Lucadou ihre Hauptfigur. „Bis sie dann auf Jo trifft, der sie da abholt und ihr das Gefühl gibt: Wir sind auf einer Wellenlänge, und wir beide setzen uns mit der Welt auf eine kritische Weise auseinander.“

Frühe Recherche zu Verschwörungstheoretikern

Als sie 2018 angefangen habe, den Roman zu schreiben, habe sie sich bereits für Verschwörungsanhänger interessiert, so die Autorin: „Ich hatte schon sehr viele Interviews geführt und ein Gefühl dafür bekommen, was sie wollen.“
Durch die Corona-Krise habe die Szene dann sehr viel Zulauf gehabt. Eine Zeit lang sei es sehr schwer gewesen, weiterzuschreiben, sagt Julia von Lucadou. „Dann hat es aber auch (wieder) sehr viel Spaß gemacht, weil ich ein Mittel hatte, die Welt besser zu verstehen, in dem Moment, wo es passierte.“

Verletzung und emotionale Krise

Vor ihren Recherchen habe sie Verschwörungstheoretiker oft schnell als einfach dumm abgetan und versucht, inhaltlich zu argumentieren, erklärt die Autorin. „Dann habe ich gemerkt: Es geht um eine ganz große emotionale Krise, die dahintersteckt. Und da wollte ich eben mit Jo ein bisschen reingehen, in dieses Gefühl der großen Verletzung und Verunsicherung.“
Im Unterschied zu Mette zeige sich bei Jo diese Verunsicherung nicht im Humor, sondern in blindem Hass und großer Wut und Aggression. Jo coacht und produziert die TikTok-Auftritte von Mette, die auf Hunderttausende Follower kommt.
Mette wird also eine Art Influencerin und animiert die Menschen, auf die Straße zu gehen. Wie sich das übertrage, habe etwas Virushaftes, sagt von Lucadou. Sie habe zwar den Eindruck, dass das Internet bestimmte Entwicklungen verstärke, so die Autorin. Doch die Wut und die Aggression seien schon vorher dagewesen.
(mfu)
Julia von Lucadou: "Tick Tack"
Hanser, München 2022
256 Seiten, 23 Euro

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