"Härtere Strafen bringen nichts"
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Nach den Silvester-Ausschreitungen findet in Berlin ein Gipfel gegen Jugendgewalt statt. Muss es härtere und schnellere Strafen für die in solchen Fällen zumeist jugendlichen Täter geben? Der Kriminalpsychologe Thomas Bliesener hält davon wenig.
Nach den Krawallen in der Neujahrsnacht in Berlin laufen inzwischen mehr als hundert Strafverfahren wegen Übergriffen auf Einsatzkräfte. Wie lassen sich derartige Taten künftig verhindern? Sind härtere Strafen nötig, wie sie von vielen Seiten gefordert werden? Vertreter von Politik, Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz wollen darüber auf einem Gipfel gegen Jugendgewalt beraten.
Thomas Bliesener, Professor für interdisziplinäre kriminologische Forschung an der Universität Göttingen und Leiter des Kriminologischen Instituts Niedersachsen, hält hohe Strafen für kein probates Mittel, um Jugendliche von derartigen Taten abzuhalten. "Wir haben international eine Fülle von Studien, die diesen Zusammenhang untersucht haben, und die sind sehr übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass es nicht die Höhe der Strafe ist, die eine präventive, verhütende Wirkung hat", betont er.
Ausschlaggebend sei, wenn überhaupt, eher das subjektiv wahrgenommene Risiko, erwischt oder bestraft zu werden, so Bliesener. Die meisten Straftäter dächten überhaupt nicht über die Folgen ihres Tuns nach. Hinzukomme, "dass Alkohol im Spiel war, dass Anstachelung durch Gleichaltrige eine Rolle gespielt hat. Da ein rationales Kalkül anzustellen - wenn ich das jetzt mache, wird mir möglicherweise dieses oder jenes passieren - ist eine etwas naive Annahme."
Wirkung von schnellen Strafen umstritten
Auch schnelle Bestrafungen sind dem Kriminalpsychologen zufolge vermutlich nicht unbedingt zentral bei der Abschreckung. Ob der Zusammenhang zwischen Tat und Strafe "zeitlich immer sehr eng sein muss, darüber ist sich die kriminologische Forschung keineswegs einig. Der Mensch ist ja durchaus vernunftbegabt und kann zwischen Ereignissen Verbindungen herstellen, die weit auseinanderliegen. Das gelingt in der Regel auch Straftätern." Es komme nur darauf an, dass bei Gericht noch einmal deutlich auf den Zusammenhang hingewiesen werde.
(ckü)