Angriffe auf Einsatzkräfte an Silvester

"Da wird wieder die Migrationskarte gezogen"

15:40 Minuten
Auf einer nächtlichen Straße liegt abgebranntes Feuerwerk, dahinter steht ein Feuerwehrauto.
Die Gewaltexzesse in der Silvesternacht gegen Einsatzkräfte in Berlin und anderen Städten gingen von kleinen, heterogenen Gruppen aus, betont der Konfliktforscher Andreas Zick. © imago / Marius Schwarz
Andreas Zick und Souad Lamroubal im Gespräch mit Jana Münkel · 03.01.2023
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In Berlin und anderen Städten wurden zu Silvester Polizei- und Feuerwehrkräfte massiv angegriffen. Die mutmaßlichen Täter würden pauschal abgestempelt, kritisieren der Konfliktforscher Andreas Zick und die Autorin Souad Lamroubal.
Die Gewalt gegen Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr in der Silvesternacht hat zu einer Debatte über die mutmaßlichen Täter und mögliche Konsequenzen geführt. Bei den Angriffen unter anderem mit Feuerwerkskörpern wurden allein in Berlin 41 Polizisten und 15 Feuerwehrleute verletzt. Ein Schwerpunkt war das als Problembezirk bekannte Neukölln.

Täter mit deutschem Pass

Der Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zick warnt allerdings vor der Interpretation, es seien "irgendwelche homogenen migrantischen Gruppen unterwegs" gewesen: "Die meisten haben gar keinen Migrationshintergrund mehr, die haben vielleicht nur vermittelt über die Eltern eine Einwanderungsgeschichte."
Zick geht davon aus, dass die meisten Täter, "die jetzt dingfest gemacht werden", einen deutschen Pass haben: "Wir leben in Krisenzeiten, da wird die Migrationskarte wieder gezogen."
Auch die Buchautorin Souad Lamroubal ("Yallah Deutschland, wir müssen reden!") verurteilt den pauschalen Blick auf die Herkunft der Täter. Wie immer, nachdem derartig "traurige Dinge" passiert seien, gehe es um Migration und die migrantische Community. "Woran wurde das tatsächlich festgemacht?", fragt sie. Und: "Wieso ist uns diese Unterscheidung so wichtig?"
Dabei sei doch bekannt, "dass diese Pauschalisierungen uns nicht unbedingt zu einer besseren Gesellschaft machen". Lamroubal fordert, genauer und "mit Feingefühl" hinzuschauen und zu fragen, um was für Menschen es sich handele. "Was brauchen die Menschen? Welche Strukturen haben vielleicht auch dazu beigetragen, dass so etwas passiert?"
Zick zufolge handelte es sich in der Silvesternacht um kleinere, heterogene Gruppen, manche seien vermummt gewesen. Sie hätten gezielt vorher geplant, mit Feuerwerk loszuziehen. Wenn es dann "zum ersten Mal knallt", werde in der jeweiligen Situation Gewalt zur "Norm". Sie werde als Erlebnis und Spaß gefeiert und zum "Gruppen-Event".

Ein Böllerverbot ist keine Lösung

Ein Böllerverbot hält der Konfliktforscher für keine Lösung. Verbotsdiskussionen würden von vielen, die eine "große Party" unter Inkaufnahme von Gewalt wollten, sofort als Einengung der Freiheit uminterpretiert. "Sie werden versuchen, die Freiheit wiederherzustellen."
Zick plädiert vielmehr dafür, von anderen Ländern zu lernen, Räume anders zu gestalten und zu nutzen, Böllerverbotszonen einzurichten. Man müsse in eine andere Kultur des Silvesterfeierns investieren, so Zick.
(bth)

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