Judith Hermann über "Daheim"

Plötzlich ist das Haus leer

12:24 Minuten
Judith Hermann
"Grundsätzlich kann ich nur von Dingen erzählen, die mir nahe sind und die ich liebe", sagt die Schriftstellerin Judith Hermann. © S. Fischer / Michael Witte
Judith Hermann im Gespräch mit Frank Meyer · 30.04.2021
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Eine Frau Ende 40: Die Tochter ist aus dem Haus, die Ehe leidet und das ganze Leben verändert sich. In ihrem Roman "Daheim", der für dem Preis der Leipziger Buchmesse nominiert ist, beschäftigt sich Judith Hermann mit der Schönheit eines Neuanfangs.
In "Daheim" erzählt Judith Hermann von einer Frau Anfang 20, die in einer Zigarettenfabrik arbeitet und von einem Zauberer ein Angebot erhält, das sie allerdings ablehnt. Dann gibt es einen Zeitsprung. Die Frau ist Ende 40, hat eine Ehe hinter sich, ihre Tochter ist aus dem Haus. Sie fängt etwas Neues an, geht in ein kleines Dorf an der Küste.
"Ich gehöre ja zu dieser Generation, die so mit 30 Mutter geworden ist. Und mein Sohn ist jetzt 20, ich bin 50. Das großgewordene Kind geht in die Welt, und das verändert sehr stark das Leben. Darüber musste ich als Schreibende nachdenken, und das ist etwas, was auch meiner Figur widerfährt." So beschreibt Hermann die Motivation des Buches.
Die Protagonistin brauche so etwas wie ein leeres Blatt, müsse aus ihren Verhältnissen heraus und Abstand gewinnen, um das hinter ihr liegende Leben deutlicher sehen zu können. Es gehe um einen Neuanfang, was etwas sehr Schönes sei.

Der Impuls, den Sohn zu dirigieren

Die Emotionen der Protagonisten kann die Autorin dabei selber gut nachvollziehen. So sei es auch heute noch so, dass Hermann, wenn sie mit ihrem mittlerweile erwachsenen Sohn an einer Ampel stehe, sie den Impuls unterdrücken müsse, ihn zu dirigieren. Man habe die letzten 20 Jahre damit verbracht, das Leben der Kinder zu dirigieren – und dann seien sie auf einmal weg.
Etwas, das alle Bücher von Judith Hermann gemeinsam haben, ist die Schönheit der Sprache und der Atmosphäre. Die sei aber nicht beabsichtigt, sondern folge daraus, dass sie nur über bestimmte Dinge schreiben könne, meint die Autorin:
"Grundsätzlich kann ich nur von Dingen erzählen, die mir nahe sind und die ich liebe. Dinge, die ich selber schön finde oder von denen ich finde, dass sich in ihnen eine bestimmte Schönheit verbirgt. Ich kann nicht gut erzählen von Dingen, die mir fremd sind. Oder von Menschen, die mir suspekt sind. Die Wurzel des Textes ist ein sehr warmes Gefühl für bestimmte Menschen und und für die Landschaft. Das Grundbedürfnis war, das alles festzuhalten."

Judith Hermann: "Daheim"
S. Fischer, Frankfurt
 am Main
190 Seiten, 21 Euro

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