Audiobiografin Judith Grümmer

Bewahrerin letzter Worte

33:55 Minuten
Während der Aufnahme eines Familienhörbuchs von Judith Grümmer. Zu sehen ist ein Computer-Bildschirm und Aufnahmetechnik in einem häuslichen Umfeld.
Mit dem Projekt Familienhörbuch will die Journalistin Judith Grümmer todkranken jungen Müttern und Vätern eine Botschaft an ihre Kinder ermöglichen. © Georg Lukas
Moderation: Ulrike Timm · 18.05.2022
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Judith Grümmer hört zu, bevor es zu spät ist. Für ihre Familienhörbücher nimmt sie Gespräche mit todkranken Menschen auf, die ihren Kindern ihre Lebensgeschichte hinterlassen möchten. So bleibt die Stimme, wenn der Mensch gegangen ist.
Wenn es ans Sterben geht, möchten die meisten Menschen ihrer Familie etwas hinterlassen. Judith Grümmer kümmert sich um ein besonderes Erbe: Lebensgeschichten, erzählt von Sterbenden, für die Hinterbliebenen.
Judith Grümmer und die Mitarbeitenden ihres Projekts „Familienhörbuch“ führen Gespräche am Totenbett, zeichnen sie auf, fertigen daraus Hörbücher von sechs bis zwölf Stunden Länge: Letzte Mitteilungen von Sterbenden an ihre Familie.

Ein gemeinsames Werk

„Wir schaffen gemeinsam ein Werk“, sagt Grümmer über ihre Arbeit mit Palliativpatienten, die oft ihre letzten Kräfte mobilisieren, um ihren Angehörigen ein Tondokument von sich zu hinterlassen, das ihnen hilft beim Erinnern und Gedenken.
In den Aufnahmen erzählen die Sterbenden aus ihrem Leben, wobei „sehr viel mehr gelacht als geweint“ werde, besonders wenn es um Jugenderinnerungen geht – den ersten Kuss, blau gefärbte Haare. Vor allem gehe es aber um Liebe als Verbindung derer, die gehen, mit denen, die bleiben.
2017 hat die Medizinjournalistin Judith Grümmer das Projekt Familienhörbuch gegründet, das als gemeinnützig anerkannt ist und sich ausschließlich aus Spenden finanziert. Für die Patienten und ihre Familien ist das Hörbuch kostenlos, weswegen Judith Grümmer ständig Sponsoren sucht.

Trauerarbeit in den Familien

An die 200 Familienhörbücher haben Grümmer und ihr Team mit mehr als 60 Mitarbeitenden aus allen Teilen Deutschlands bisher erstellt. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von den Universitätskliniken Bonn und Heidelberg, auch um zu evaluieren, wie sich die Hörbücher auf die Trauerarbeit in den betroffenen Familien auswirken.
Um ein Familienhörbuch aufnehmen zu können, müssen die infrage kommenden Patienten unrettbar krank sein mit einer lebensverkürzenden Diagnose – und minderjährige Kinder hinterlassen. Denn vor allem an Kinder, die früh einen Elternteil verlieren, richtet sich das Projekt.

Für Kinder über Leben und Sterben reden

Das verlangt von Judith Grümmer und ihrem Team viel Empathie bei der Gesprächsführung. Wie spricht man heikle Themen aus dem Leben des oder der Sterbenden so an, dass die Kinder beim Hören damit zurechtkommen, es ein Geschenk für sie ist und keine Belastung?
Judith Grümmer selbst begleitete ihren Ehemann beim Sterben, nahm aber mit ihm kein Hörbuch auf, weil er es nicht wollte und sie zweifelte, dabei die erforderliche Professionalität aufbringen zu können. Ob sie selbst zum Mikrofon greifen wird, wenn es für sie einmal soweit ist, weiß sie noch nicht.
(pag)

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