John von Düffel über seinen Fridays-for-Future-Roman

"Wir laufen auf einen massiven Generationenkonflikt zu"

11:20 Minuten
Hände eines älteren Menschen übergeben die eine Erdkugel an Hände eines jungen Menschen. (Illustration)
In welchem Zustand hinterlassen die älteren Generationen die Erde? Autor John von Düffel glaubt, dass sich die junge Generation radikalisieren wird. © imago images / Ikon Images
Moderation: Joachim Scholl · 04.02.2020
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Der Roman "Der brennende See" erzählt anhand des Konflikts um einen Baggersee von Umweltfragen, der Klimakrise und den Aktivisten von Fridays for Future. Autor John von Düffel ist überzeugt, die Jugend werde sich radikalisieren.
Eine Kleinstadt irgendwo in Deutschland, an einem Baggersee gelegen, um den Grundstücksspekulanten wie Naturschützer erbittert ringen. Der Öko-Frieden ist tief gestört, eine junge Klima-Aktivistin macht Rabatz, tote Fische, Demonstrationen, Polizei-Einsätze – das ist das Setting des neuen Romans von John von Düffel.
Der Autor sagt im Deutschlandfunk Kultur, sein Interesse hätten Berichte über einen brennenden See in Bangalore geweckt. "Als ich dann darüber nachdachte, ob ich ein Buch über diese Seen in Indien schreibe, ist mir immer mehr klargeworden, dass das Wasser auch hierzulande brennt, dass es verschwindet, dass es verbrennt", blickt von Düffel zurück, der als ehemaliger Leistungsschwimmer ein inniges Verhältnis zum Wasser hat. Insofern verwundert es auch nicht, dass bei ihm ein See für die Umwelt und für die Überlebensfähigkeit der Welt steht.

Eine Jugend, die extremer wird

Allerdings habe sich Wasser im Lauf der Zeit für ihn verändert, sagt Düffel, der Dramaturg am Deutschen Theater Berlin ist. "Für mich war das Thema Wasser zu Beginn meiner Schriftstellerlaufbahn ein poetisches, ein sinnliches Element. Es ist jetzt ein Politikum geworden." Wasser sei kein poetisches Medium mehr, sondern inzwischen eine politische und ökonomische Ressource. "Deswegen klingt der Roman natürlich auch anders als eine große sinnliche Wasserschau. Es ist ein kämpferisches Buch."
Darin trifft die Tochter eines verstorbenen Schriftstellers, Hanna, auf eine junge Klimaaktivistin, Julia, die gut in die Alterskohorte der "Fridays for Future"-Aktivisten passt. Die Begegnung mit Julia sei einer der Schlüsselmomente des Romans, sagt von Düffel: "Aber hauptsächlich geht es um die Frage: Was ist diese mittlere Generation der jetzt Werktätigen?" Insofern sei Hanna die eigentliche Protagonistin: Die, die zwischen dem verstorbenen Vater und der jüngeren Generation steht.
Hannas Generation lebe und arbeite heute meistens in einem sehr privilegierten Rahmen, reise viel, nehme viele Dinge in Anspruch, die für spätere Generationen vielleicht nicht mehr selbstverständlich seien, sagt von Düffel. "Insofern ist die Frage auch ein bisschen, welches Generationenverhältnis zeichnet sich dadurch ab." Und es gehe um das Thema Erben. "Was erbe ich von meinen Vätern, was ist die Hinterlassenschaft, auch dann später mal meine Hinterlassenschaft. Und es ist die Frage, wie positioniere ich mich gegenüber einer Jugend, die extremer wird – und das wird sie werden!"

"Diese Generation hat keine Zeit"

Von Düffels Vermutung ist, dass ein Generationenkonflikt aufzieht und dass es radikaler zugehen wird. "Fridays for Future" sei noch spielerisch, sagt der Autor. "Ich glaube aber, dass sich insgesamt die Handlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit oder der Widerspruch der Interessen daraufhin auswirken wird, dass wir eine Radikalisierung sehen werden." Er vermute, dass Bewegungen wie zum Beispiel vor Kurzem in Berlin "Extinction Rebellion" immer mehr Zulauf bekommen werden: "Und dass wir auf einen Klimakonflikt zulaufen und natürlich auf einen massiven Generationenkonflikt."
Julias Fanatismus sei auch das Resultat von Wechselwirkungen, meint von Düffel verständnisvoll. Auf der einen Seite gebe es Augenwischerei: Zwar sei der Kohlekompromiss binnen kurzer Zeit durchgewunken worden, aber das habe auch etwa Alibihaftes, wenn man sehe, wie mit dem Kompromiss umgegangen worden sei.
Der 54-Jährige sagt über die Generation seiner Figur Julia: "Ich glaube, dass diese Generation mit dem Gefühl antritt: Wir sind die erste Generation, die den Klimawandel vollständig erlebt, und wir sind die letzte, die ihn verhindern kann. Diese Generation hat keine Zeit."
Momentan werde aber noch so getan, als hätten wir sehr viel Zeit.

Wo fängt man an - lokal oder global?

Die große Frage sei eigentlich, so von Düffel, was mit dem See, der geheimen Hauptfigur dieses Buchs geschehe. Der Schriftsteller sieht einen Schlüssel zum Roman in der Frage, wo man ansetzen muss: "Kann man den See retten und damit etwas für die Rettung der Welt tun – oder muss man die Welt retten, um den See zu retten? Fängt man vor der eigenen Haustür an oder muss man global agieren?"
Diese Frage sei natürlich ungelöst, sagt von Düffel. "Aber das ist genau die Frage, die ich eigentlich versuche in diesem Roman zu verfolgen. Was muss man tun, was kann man tun, um das, was man an Natur liebt, was man vor sich hat, zu retten?"
(mfu)

John von Düffel: "Der brennende See"
Dumont, Köln 2020
320 Seiten, 22 Euro

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