Johannes Fried: "Kein Tod auf Golgatha"

Auferstanden aus der Ohnmacht

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Cover von Johannes Frieds Buch "Kein Tod auf Golgatha". Im Hintergrund sieht man eine Illustration, die den toten Jesus am Fuße des Kreuzes zeigt.
Johannes Fried zieht moderne medizinische Erkenntnisse zur Erklärung der Auferstehungsgeschichte heran. © Deutschlandradio / C. H. Beck / picture alliance / Design Pics
Von Ernst Rommeney · 20.04.2019
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Jesus starb nicht am Kreuz: Er war nur ohnmächtig und wurde gerettet. Danach verbarg er sich im Exil. So provokativ anders interpretiert der Mittelalterforscher Johannes Fried die Auferstehungsgeschichte.
Er bewege sich auf Glatteis, räumt der erfahrene Historiker ein. Was wie ein Understatement klingt, dient als Selbstschutz. Denn mit seinen Zweifeln an einer ausgiebig diskutierten Auferstehungsgeschichte stellt sich der selbstbewusste Forscher gegen eine Jahrtausende alte Dogmatik. Und erwartet deswegen nicht nur Widerspruch, sondern auch Anfeindungen.

Ein notfallmedizinische Perspektive auf den "Kreuzestod"

Dabei täten selbst kirchliche Dogmatiker gut daran, Frieds Befund als eine weitere unter vielen biblischen Deutungen abzuwägen. Denn das eigentliche Glaubensgut, das Mysterium des irdischen Wirkens eines Gottessohns, tastet der Historiker nicht an. Er bemüht aber moderne medizinische Erkenntnisse zur Erklärung der Auferstehungsgeschichte.
Jesus dürfte auf seinem Leidensweg zur Kreuzigung schwere innere Verletzungen erlitten haben und schließlich – einem Unfallopfer gleich – in eine CO2-Narkose gefallen sein. Folglich hätte der Soldat mit dem Lanzenstich in die Seite des Brustkorbs unwissentlich eine "Kanüle" gelegt, aus der Blut und Wasser austraten. Damit wäre die Atmung wieder in Gang gekommen.
Dem Beobachter erschien der Gekreuzigte wie tot, weil er unverändert bewusstlos blieb. Erst bei der "Grablegung" könnte er erwacht, von Freunden heimlich versorgt und in Sicherheit gebracht worden sein. Wieder genesen, traf er mehrfach seine Jünger, bis er verschwand und sich seine Spuren verlieren – vielleicht irgendwo außerhalb römischer oder jüdischer Machtsphären.

Die Auferstehung - ein Propagandatrick?

Johannes Fried fragt, warum sich Wissenschaftler, obschon sie einen historischen Jesus nie nachweisen konnten, ausgerechnet darauf festlegten, dass er von den Toten auferstanden sei? Um dann mühevoll – und wider allem Verstande – das Phänomen einer Auferstehung erklären zu müssen.
Wenn man schon spekuliere, dann wenigstens entlang der Quellen, meint der Historiker. Dabei hält er Bibel-Exegeten, die das Unbeweisbare als Beweis anführen, den Spiegel vor: Sie seien womöglich frühchristlicher Propaganda auf den Leim gegangen.
Denn ebenso plausibel hätte die Erzählung von der Auferstehung einen untergetauchten Jesus und seine Gemeinde vor einer misstrauischen Obrigkeit schützen können – und zwar so erfolgreich, dass sich diese Schutzbehauptung als heilsbringende Botschaft verselbstständigen konnte.
Während Jesus immer noch als jüdischer Wanderprediger im heutigen Jordanien, auf der Sinaihalbinsel, in Ägypten oder in Ostsyrien – im Exil also –, unterwegs war, entwickelte sich im römischen Reich eine neue Religion, die sich von ihrem Stifter merklich absetzte.

Historische Quellen alternativ gedeutet

Johannes Fried bezieht sich dabei auf den Passionsbericht des Johannes und auf apokryphe Evangelien. Aus dem Kanon christlicher Überlieferung des Westens früh gestrichen, erzählen sie biblische Geschichten aus Sicht des Ostens, die sich schließlich im arabisch geprägten Koran wiederfinden.
Den einen ist der Gottes Sohn ein übermenschliches Wesen, den anderen ein besonders ausgezeichneter Mensch. Es waren einflussreiche Theologen, nicht Zeitzeugen, die das jeweilige Narrativ populär und selbsterfüllend machten.
Diesen religiösen Streit entscheidet darum nicht der Historiker. Johannes Fried nimmt uns vielmehr auf Pfade der archäologischer Forschung mit. Ein lohnender Essay für den, der nicht allein auf Sensationen erpicht ist.

Johannes Fried: "Kein Tod auf Golgatha"
Auf der Suche nach dem überlebenden Jesus
C. H. Beck, 190 Seiten, 19,95 Euro

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