Jens Kersten: „Das ökologische Grundgesetz“

So könnte eine grüne Verfassung aussehen

05:55 Minuten
Das Cover des Sachbuches von Jens Kersten, "Das ökologische Grundgesetz". Es zeigt neben Autorennamen und Titel eine Ansicht des Reichstagsgebäudes, im Vordergrund ist die Spree zu sehen. Das Buch ist auf der Sachbuchbestenliste von Deutschlandfunk Kultur, ZDF und "Die Zeit"
© C.H. Beck

Jens Kersten

Das ökologische GrundgesetzC.H. Beck, München 2022

241 Seiten

34,95 Euro

Von Susanne Billig · 30.11.2022
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In Ecuador heißt die Natur liebevoll „Pachamama“ und genießt in der Verfassung des Landes umfassende Rechte. Wäre so etwas auch in Deutschland möglich? Jura-Professor Jens Kersten entwirft ein Grundgesetz, das der Natur viel mehr Rechte einräumt.
Mit seinem Buch „Das ökologische Grundgesetz“ legt Jens Kersten den kühnen Entwurf einer neuen Verfassung vor, durchgehend erweitert um eine starke ökologische Dimension.
Der Schritt sei überfällig, betont der Verwaltungswissenschaftler, denn je länger unsere Gesellschaft die ökologische Transformation der Sozial-, Wirtschafts- und Verfassungsordnung hinauszögere, desto massiver werde sie von Klimakatastrophe, Artensterben und Globalvermüllung heimgesucht werden.

Bisherige Instrumente sind zahnlos

Zwar wurde 1994 das Staatsziel Umweltschutz ins Grundgesetz eingeführt, 2002 kam der Tierschutz hinzu, die Nachhaltigkeitsdebatte sei zudem allgegenwärtig.
Doch diese Instrumente hätten sich als zahnlos erwiesen, sagt Kersten.
Vor allem, weil sie Natur in erster Linie als zweckdienlich für den Menschen begriffen und ihr keine subjektiven Rechte gewährten, „um die Rechtsordnung im ökologischen Interesse in Bewegung zu setzen“.
An dieser Stelle setzt Jens Kersten den Hebel an, erweitert so gut wie alle Artikel des Grundgesetzes um ökologische Erfordernisse und räumt dem Schutz der Natur eine ähnlich hohe Bedeutung wie der Menschenwürde ein.

Neue Paragrafen in grüner Farbe

In seiner neuen Verfassung – vom Verlag sehr schön mit grün hervorgehobenen neuen Paragrafen präsentiert, – geht es los mit einer Präambel, in der sich das deutsche Volk sein Grundgesetz nun auch gibt „im Bewusstsein seiner Verantwortung … für die Natur“.
Artikel 1 bekennt sich auch deshalb zu den Menschenrechten, weil sie „Grundlage der Verantwortung für die Natur“ sind.

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Der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin gibt jährlich eine ökologische Regierungserklärung ab, der Bundestag bildet einen Ausschuss für Natur und wählt eine Naturbeauftragte, der Bundesrat erhält eine ökologische Kammer.
Es gibt neue ökologische Gesetzgebungsverfahren, ein ökologische Verkehrs-, Telekommunikations- und Geldpolitik und das Eigentum wird ökologiepflichtig sein.

Natur als Rechtssubjekt

Vor allem aber gibt es, analog juristischen Personen, auch „ökologische Personen“. Als solche können sich Tiere, Pflanzen, Ökosysteme, Landschaften, Klima, Luft und Wasser auf ihre Grundrechte berufen.
„Mit der Anerkennung von ökologischen Personen als Rechtssubjekte und dem grundrechtlichen Schutz ökologischer Interessen wird es möglich, die Konflikte zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Natur auf juristischer Augenhöhe auszutragen“, schreibt er Autor und spricht von „juristischer Waffengleichheit“ zwischen diesen Akteuren.
Zu einer Ökodiktatur werde eine solche Republik schon deshalb nicht werden, weil im Konfliktfall auch jetzt schon Grundrechte gegeneinander abgewogen werden müssen, etwa Kunstfreiheit und ungestörte Religionsausübung.

Leidenschaftliches Fachbuch

Jens Kerstens Vorstoß lässt sich als juristisches Fachbuch lesen, dennoch schließt der Autor das Thema auf, indem er erklärt und erörtert, Hintergründe ausführt und durchaus leidenschaftlich die Dringlichkeit eines solchen Projektes und seine weitreichenden positiven Effekte betont – und mit jeder Seite seines Buches wünscht man sich, das ökologische Grundgesetz wäre schon Wirklichkeit geworden.
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