"Jeder will den 3D-Effekt einmal erleben"

Roman Weishäupl im Gespräch mit Katrin Heise · 27.08.2010
Der nächste Hype ist da: Die Verlage überlegen, wie sie ihre Printprodukte mit 3D-Fotos, Augmented Reality, Printed Electronics und Five Sense aufrüsten können. Der Berliner Trendforscher Roman Weishäupl sieht gute Chancen für diese Innovationen.
Katrin Heise: Morgen erscheint die "Bild"-Zeitung in 3D. Das ist keine ganz neue Idee – vor ihr versuchte es zum Beispiel auch die britische "Sun" mit Tiefenschärfe, auch der US-"Playboy" ist bereits auf den 3D-Zug aufgesprungen. Der ist ja seit James Camerons Kinofilm "Avatar" so richtig mächtig in Fahrt gekommen. Da wollen die Printmedien hinter Film und Fernsehen natürlich nicht zurückfallen. Nicht nur 3D, auch andere visuelle Effekte werden bei Magazinen und Zeitungen derzeit ausprobiert. Und über die Zukunft von 3D in den Medien spreche ich jetzt mit dem Trendforscher Roman Weishäupl. Schönen guten Tag, Herr Weishäupl!

Roman Weishäupl: Ja, schönen guten Tag!

Heise: Ist eine Zeitung in 3D nicht vor allem wirklich das eine, nämlich eine tolle Spielerei?

Weishäupl: Erst mal würde ich Ihnen da Recht geben, aber alle Innovationen oder die meisten fangen erst mal als Spielerei an. Aber was dann daraus wird, das ist dann das Spannende.

Heise: Wozu brauchen wir solche Spielereien?

Weishäupl: Erst mal brauchen wir sie vielleicht nicht, aber sie sind gut. Sie haben den Vorteil, dass wir ein bisschen mehr ausprobieren und ein bisschen den Horizont auch erweitern, einfach mal probieren, innovieren, vielleicht wird es auch den ein oder anderen Fehlgriff geben, aber im Endeffekt müssen wir ausprobieren, ausspielen, um zu gucken, was dann am Ende wirklich hängenbleibt und funktioniert.

Heise: Kann man denn mithilfe von 3D zum Beispiel zusätzliche Informationen verpacken?

Weishäupl: Ja, also mit diesem Bild, also wie Sie das jetzt in der Zeitung haben, natürlich nicht, da sehen Sie das, was Sie sehen. Aber wenn Sie jetzt im Bereich der erweiterten Realität, also wenn Sie dann mit einer Webcam oder mit einem Handy, wenn Sie dann Zusatzinformationen eingeblendet bekommen, dann auf jeden Fall, da funktioniert das. Da erkennt dann die Kamera ganz einfach über einen Code oder über Bilderkennung, wo Sie sich befinden, was Sie gerade machen, und gibt Ihnen dann Zusatzinformationen. Auch in der realen Welt.

Heise: Ah ja. Also man benötigt als Konsument, wenn man so eine 3D-Zeitung durchblättert oder Zeitschrift durchblättert, ja zumindest immer Hilfsmittel. Also das kleinste Hilfsmittel ist diese 3D-Brille. Sie haben gerade den Computer erwähnt oder das Handy – ist das eigentlich vom Konsumenten her gedacht tatsächlich praktikabel?

Weishäupl: Am Anfang wird es erst mal natürlich gewöhnungsbedürftig sein, auch die Hilfsmittel. Und die Leute machen es erst mal, weil es neu ist und weil sie neugierig sind, weil sie es ausprobieren wollen. Jeder will den 3D-Effekt einmal erleben. Im Endeffekt wird es dann vom Gerät weggehen oder die Geräte verändern sich in der Hinsicht, dass wir nicht mehr unser Handy haben, sondern ich sag mal, Sie haben auf Ihrer Brille so einen kleinen Empfänger drauf, der Ihnen das einfach in Ihre Sicht einblendet. Das heißt, Sie haben dann kein Gerät mehr in der Hand, sondern auf dem Kopf.

Heise: Denn wenn man diese Hilfsmittel nicht hat, bekommt man ja leicht Kopfschmerzen, wenn man diese 3D-Bilder sieht, die ja immer so ein bisschen verrutscht aussehen.

Weishäupl: Das stimmt, aber da wird sich ja dann natürlich auch noch einiges tun. Also es wird auch nicht alles auf 3D, 3D macht ja auch nicht immer Sinn. Aber 3D kann Sinn machen, und das eine löst das andere ja nicht ab. Das heißt ja nicht, dass jetzt, wo wir 3D salonfähig haben in Zeitungen und Zeitschriften, dass es dann dadurch keine normalen Bilder mehr gibt.

Heise: Würden Sie sagen – Sie haben jetzt salonfähig gesagt – würden Sie sagen, 3D ist also ein längerfristiger Trend in den Printmedien, oder bleibt es bei so spektakulären, interessanten Einzelaktionen?

Weishäupl: Das ist die gute Frage. Also wenn man sich das anguckt, wie das so in der Vergangenheit war, dann gibt es eigentlich ganz interessant den Gartner Hype Cycle, also wie sich Phänomene oder Neuerungen so platzieren in der Welt, in der Produktivität und in der Benutzung, und dann, wenn die neu auf den Markt kommen, dann redet alles drüber, jeder probiert es aus, jeder macht es, und dann irgendwann ebbt das ab. Als gutes Beispiel dafür ist Second Life – damals vor zwei, drei Jahren hat da jeder drüber geredet, und wo ist es jetzt? Es ist dann erst mal weg, aber die 3D-Welt an sich ist nicht tot. Daraus ergeben sich dann neue Modelle, und ich denke, dass es ähnlich mit dem Augmented Reality und mit 3D halt ist, dass wir jetzt … am Anfang wird es erst mal gehypt.

Jede Zeitschrift versucht da jetzt irgendwie dabei zu sein, das ebbt dann wieder ab, nachdem wir dann alle gemerkt haben, für unsere Augen ist es nicht so prickelnd, und jetzt gucke ich mir das dritte Foto auch in 3D an, schön – aber dann, wenn der Nutzen dann auch da ist, also die Wertschöpfung, der Wert dahinter, wenn mir als Konsument ein Mehrwert dadurch geboten wird, dann benutze ich den auch. Wenn es nur bei einer Spielerei bleibt, dann kann es natürlich passieren, dass es wegfällt. Aber das ist dann halt die Aufgabe der Industrie, dass sie einen Mehrwert, einen Zusatznutzen dazu uns bietet. Und das sehe ich bei Augmented Reality, also bei der erweiterten Realität, auf jeden Fall gegeben.

Heise: Im Deutschlandradio Kultur spreche ich mit dem Trendforscher Roman Weishäupl über die dritte Dimension in den Printmedien. Herr Weishäupl, was bedeutet also ganz konkret dieser Ausflug in die 3D-Welt in den Printmedien, warum machen die Verlage das jetzt?

Weishäupl: Die Printindustrie hat teilweise immer noch so ein kleines … wir nennen das Visionsproblem. Sie weiß nicht, wo geht es hin. Aber das Problem ist, die Verlage erst mal, die wissen nicht, was sie in der Zukunft machen sollen, wie sieht die Zukunft der Verlagsbranche aus. Wenn Sie da jetzt zum Beispiel die Internetindustrie fragen, die haben Ideen noch und nöcher, wenn Sie dann noch die ganzen Mobile-, also die Handysparte nehmen, die mit Outernet und mit allem drum und dran, kommen die halt auf super Ideen, auch das Fernsehen mit IP-TV oder auch Software im Fernsehen an sich so ein bisschen die Interaktivität reinbringt.

Und wenn Sie die Printindustrie fragen, wie sieht die Printindustrie in zehn Jahren aus, dann fehlt meistens so ein bisschen die Zukunftsvorstellung. Das hat sich allerdings in dem letzten halben Jahr sag ich mal so ein bisschen geändert, so ein bisschen Mut der Branche kommt wieder auf, weil viele Innovationen aus dem Bereich Print doch kommen. Man hat immer gedacht, es wäre so eine relativ langweilige Industrie, ist sie aber überhaupt nicht.

Heise: Sie mit Ihrem Büro TrendONE haben ja mit den Verlagen zu tun – welche Visionen können Sie ihnen denn geben, wo wird es denn da hinlaufen?

Weishäupl: Also da unterscheiden wir bei der klassischen Printindustrie verschiedene Möglichkeiten, die sie hat. Also zum einen das Augmented Print, also der erweiterte Druck durch Augmented Reality, erweiterte Realität, dass mit Zusatzinformationen angeboten werden oder auch dieses 3D. Dann aber gibt es natürlich noch Printed Electronics, also druckbare Elektronik, also das heißt, dass ich in die Zeitschrift Videos einbetten kann. Also es gibt Video-in-Print, das ist auch eine tolle Innovation, wo ich 45 Minuten Video in der Zeitung zeigen kann, inklusive Ton, inklusive Knöpfe. Da passiert auch eine ganze Menge. Also druckbare Screens, druckbare Batterien auch, also alles ist mittlerweile druckbar, vom Lautsprecher …

Heise: Das heißt, da brauche ich keinen Computer mehr dazu, keinen Bildschirm, sondern das habe ich dann auf dem Blatt Papier?

Weishäupl: Genau. Das heißt, Sie haben Ihre Zeitschrift, schlagen die auf, und dann wird ein kleines Video abgespielt, ohne Brille, ohne alles. Oder auch vom Lautsprecher her, Sie schlagen die Seite auf, und dann hören Sie irgendwie den Jingle von einer Werbung oder Sie haben eine BMW-Werbung und Sie schlagen die Seite auf und es kommt dann so ein richtiges Motorengeräusch raus. Dann gibt es natürlich noch dieses Transactive Print, wie wir das nennen, also ein transaktiviertes Print, das heißt, ich komme multimedial vom Print in die multimediale Welt, das heißt, die beiden Medien verschmelzen sich, indem ich jetzt mein Handy auf eine Seite zeige und komme direkt auf ein Video oder Zusatzinformationen werden mir angezeigt.

Dann kann man noch über Five Sense, also Sinne, die druckbar sind, dass ich jetzt Esspapier auch mit verschiedenen Geschmacksrichtungen haben kann, das heißt, ich kann schon mal schmecken, wie das Produkt, was beworben wird zum Beispiel, auch schmeckt. Oder ich kann also riechen natürlich, was wir vielleicht auch schon kennen, aber auch da passiert eine ganze Menge, oder auch fühlen, also dass da auch viel in der Druckindustrie auch passiert. Und natürlich, was wir nicht vergessen dürfen, sind die verschiedenen Arten. Also wenn wir jetzt das iPad als Beispiel nehmen oder auch E-Reader, E-Ink – E-Ink gibt es jetzt auch, also die elektronische Tinte gibt es jetzt auch mit Videosequenzen. Also da passiert wirklich eine ganze Menge. Also Wahnsinn, was aus der Printindustrie rauskommt.
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