Kino in der Kuppel

Von Thomas Gith · 26.08.2010
Das Lichtspielhaus ist Vergangenheit, die Digitaltechnik hält Einzug: 3D-Streifen im Kuppelkino sind der nächste Schritt zum räumlichen Filmgenuss. Auch der aktive Eingriff des Publikums ins Handlungsgeschehen ist längst keine Utopie mehr.
Schwere Filmrollen, ein leises Surren im Hintergrund und hin und wieder ein flackerndes Bild: Die meisten Kinos sind noch mit analoger Technik ausgerüstet. Das wird sich in den kommenden Jahren ändern: Das Kino der Zukunft ist digital – und es wird zunehmend Filme in 3D zeigen. Berliner Softwareingenieure vom Fraunhofer First Institut denken noch einen Schritt weiter: Das von ihnen entwickelte digitale Kuppelkino kann ebenfalls dreidimensionale Filme abspielen. Vor allem aber: Die Filme werden auf eine gewölbte Leinwand projiziert. Für den Zuschauer entsteht so ein intensiver räumlicher Seh-Eindruck.

Mirjam Kaplow vom Fraunhofer First Institut in Berlin Adlershof macht es spannend: Sie geht durch einen mit Neonlicht ausgeleuchteten Flur zu einer unscheinbaren Institutstür, schließt sie auf. Hinter der Tür erwartet den Besucher ein runder, ganz in schwarz gehaltener und winziger Kinosaal. Mirjam Kaplow setzt sich:

"Ja, wir sitzen hier in dem Prototypen eines Kuppelkinos, eines 3D-Kuppelkinos von Fraunhofer First. Das ist ein sehr kleines Kino mit sechs Sitzen. Die sind aber entsprechend bequem und geneigt, so dass man direkt in die Kuppel hineingucken kann. Und das Besondere an dem Kino ist, dass das Bild von 16 Einzelprojektoren erzeugt wird. Und diese Projektoren werden durch eine Spezialsoftware synchronisiert, die dafür sorgt, dass die 16 Einzelbilder nahtlos aneinander liegen."

Wie in einem großen Kino ist es auch hier stockdunkel, bevor der Film anfängt. Abgespielt wird er von einem gewöhnlichen Computer. Der steht im Vorraum. Mirjam Kaplows Kollege, der Softwareingenieur Ivo Haulsen, bedient den Rechner: Nur ein paar Mausklicks sind nötig und der Film beginnt:

"Wir gucken uns jetzt den Film 'Liquidia' an. Das ist ein Film der, ja, sehr abstrakte Welten zeigt und mit einem speziellen Rundumsound ausgestattet ist."

Auf der gekrümmten Leinwand tauchen farbige Blasen auf. Sie schweben von der linken auf die rechte Seite, zerplatzen am Zenit der Kuppel. Neue Blasen und Flächen entstehen, bilden ein psychedelisches Muster, das von Musik umhüllt wird. Das Besondere dabei: Die gekrümmte Leinwand füllt das ganze Blickfeld des Besuchers aus.

Da die Filminhalte ständig über die Kuppel wandern, fühlt es sich an, als umschwebten einen die Blasen. Um so ein harmonisches Gesamtbild zu schaffen, berechnet die Software die genauen Kanten und Wölbungen der einzelnen Bilder und fügt sie nahtlos aneinander. Die wesentliche Leistung des Programms ist es, die insgesamt 16 Projektorenbilder zu synchronisieren.

"Es ließe sich theoretisch auch eine Projektion denken, die mit einem Projektor und einer Fisheye-Linse funktioniert. Allerdings wäre da die Auflösung sehr gering, so dass man also ziemlich große Pixel, einzelne Pixel sehen würde. Was natürlich nicht Sinn der Sache ist. Und um eine solche hohe Auflösung mit vorhandenen Projektoren zu erzielen, muss man einfach mehrere Projektoren benutzen."

In Bochum, Wolfsburg und Jena gibt es die Kuppelprojektion bereits in Planetarien: Software, gewöhnliche Rechner und Projektoren genügen - große Spezialgeräte sind nicht nötig. Auch die analogen 3D-Kinos könnten komplett auf die neue Software umrüsten. Und der im Kuppelkino ohnehin vorhandene räumliche Eindruck lässt sich sogar noch vertiefen: Durch spezielle Filme und eine 3D-Brille.

Im Film "Dawn oft the Space Age" erlebt der Kinobesucher den ersten Weltraumflug. Im Jahr 1957 startete die unbemannte Sputnik-Rakete. Die Triebwerke zünden, Feuer speit hervor, die Rakete hebt an. Für den Zuschauer fühlt es sich an, also stünde er mitten auf dem Startplatz. Mirjam Kaplow glaubt daher, dass sich die Kuppelkinos durchsetzen werden:

"Also die gekrümmte Leinwand ist ein Zukunftsmodell, weil sie den Betrachter eben mitten ins Geschehen stellt und ihm einen Rundumeindruck ermöglicht. Bisher hat sich das noch nicht so sehr durchgesetzt, weil die überwiegenden Kinos noch mit analoger Technik ausgestattet sind. Mit der Umrüstung auf digitale Technik wird es wesentlich einfacher sein, auch gekrümmte Leinwände oder Kuppeln zu bespielen."

Allerdings: Sollte sich die Kuppelprojektion wirklich etablieren, dann müssten zahlreiche konventionelle Kinos umbauen: Statt der frontalen Projektionsfläche sind dann Kuppel und geneigte Sitze in den Kinosälen einzurichten. Und vor allem: Die Filmindustrie müsste sich von der klassischen Erzählweise trennen – und speziell auf die Kuppel zugeschnittene Filme produzieren. Ivo Haulsen:

"Einen Film, der für ein normales Kino mit Frontprojektion produziert wurde, kann man hier sehr schlecht zeigen. Man würde also nur einen Ausschnitt des Films oder den Film in einem Ausschnitt der Kuppel zeigen können. Weil man hat ja keine Inhalte für das was links, rechts, über einem passiert oder hinter einem passiert."

In den Filmen müsste die Handlung also mit dem räumlichen Effekt der Kuppel spielen. Eine gewaltige Herausforderung. Doch am Fraunhofer Institut denkt man noch einen Schritt weiter, sagt Mirjam Kaplow:

"Ein Feld, auf dem wir arbeiten, ist die Interaktion. Also wir würden gerne die Projektion mit Interaktionsmöglichkeiten für den Zuschauer ausstatten, so dass der aktiv zum Beispiel das Filmgeschehen beeinflussen kann."

In einem sphärischen Film wie "Liquida" könnte der Zuschauer also durch Armbewegungen beeinflussen, in welche Richtung er sich bewegen möchte: Hebt er den Arm beispielsweise nach rechts, erscheinen andere Raumteile und Bilder auf der Kuppel, als wenn er den linken Arm hebt. Doch bevor es soweit ist, müsste sich die Kuppelprojektion zunächst einmal aus ihrer Nische heraus bewegen: Denn bisher eignet sie sich vor allem für Planetarien. Die entsprechende Technik für eine breitere Anwendung gibt es aber bereits.
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