Aufbruch in die dritte Dimension

Von Michael Engel · 03.06.2010
Kaum haben deutsche TV-Sender mit der Ausstrahlung hochauflösender HD-Programme begonnen, steht schon die nächste Gerätegeneration vor der Tür: 3D-Fernseher, die einen dreidimensionalen, also räumlichen Bildeindruck vermitteln - nicht ohne gesundheitliche Risiken.
Wald Disney's Weihnachtsgeschichte in 3D. Viele Kinobesucher hat's von den Sitzen gerissen. So beindruckend waren die dreidimensionalen Szenen:

"Also es ist schon so, dass man dann denkt, huch, schneit es jetzt auf einmal, weil ich war ja in der Weihnachtsgeschichte. Und da hat es auf einmal angefangen zu schneien und ich dachte halt auch wirklich, dass es in dem Kino sehr schneit."

3D-Filme erweisen sich als Kassenschlager: "G-Force", "Avatar", 2Kampf der Titanen" – Millionen von Menschen strömen wieder in die Kinos. Da will auch die Fernsehbranche nicht nachstehen. 3D-Fernseher sind im Kommen. Panasonic, Samsung und Sony machen den Anfang. Susanne Kuhlmann von der Computerzeitschrift "c't" hat die Geräte getestet.

"Also der 3-D-Effekt war eigentlich bei allen drei Geräten ziemlich schick. Das kann man sagen. Der war vorhanden. Man setzt eine Brille auf und schaut dann auf diesen Schirm, und man sieht die Bilder wirklich in 3-D."
Der räumliche Eindruck basiert auf einem optischen Trick: Die Fernsehzuschauer tragen eine drahtlos gesteuerte "Shutterbrille", die das rechte und linke Auge im Wechsel verdunkelt und zwar so schnell, dass man nicht mal ein Flackern wahrnimmt. Synchron dazu zeigt der Fernseher seitlich versetzte Bilder – abwechselnd eines, das aus dem Blickwinkel des linken Auges aufgenommen wurde, dann eines für den Blickwinkel des rechten Auges. Im Endeffekt sehen wir räumlich, obwohl die Mattscheibe platt ist, erklärt die Computerfachfrau. Vorausgesetzt, die Sitzposition vor dem Fernseher stimmt.

"Also es ist schon gut, wenn man quasi im Zentrum des Bildschirms sitzt. Diese Synchronisation zwischen Brille und Fernseher funktioniert zum Beispiel nicht, wenn sie sehr weit seitlich zum Fernseher stehen. Dann sehen Sie auch nicht mehr 3D. Es reicht aber aus, wenn man jetzt – sagen wir mal – zu dritt auf dem Sofa sitzt, nebeneinander, dann ist das schon okay. Also dann sieht man 3D."

Allerdings kann die Freude durch sogenannte "Geisterbilder" getrübt werden. Hier sieht das eine Auge Teile des für das andere Auge bestimmten Bildes, weil die Shutterbrillen nicht immer einwandfrei arbeiten. Im 3D-Kino entstehen solche Geisterbilder nicht, weil die Zuschauer keine Shutter-, sondern sogenannte Polarisationsbrillen tragen. In diesem Fall können sich die Bilder nicht vermischen.

"Diese Geisterbilder stören sehr. Erstens irritieren sie völlig. Man denkt, da ist doch etwas nicht in Ordnung. Und sie strengen auch an, weil wir das mit unserem Sehorgan wieder ausblenden müssen. Das ist auch etwas, was dann zum Beispiel zu Kopfschmerzen führen kann. Da war mir schon ein bisschen schummrig."

3D-Fernsehen ist problematisch, urteilen auch die Augenärzte. Dies betrifft vor allem die Sehschärfe. Unsere Augenlinsen müssen nämlich beim Betrachten eines 3D-Displays auf die Schirmoberfläche scharf stellen. Dabei liegt der Fokus des dreidimensionalen Bildes eigentlich hinter dem Schirm - in der Tiefe des 3D-Bildes.

Deshalb befindet sich die Scharfeinstellung des Auges bei einem 3D-Film in einem ständigen Konflikt. Unablässig schaltet die Augenlinse hin und her. Und das bedeutet Stress: Die Zuschauer klagen über Schwindel, Schweiß und Übelkeit. Dieses Problem betrifft Fernsehgucker übrigens genauso wie Kinobesucher.

"Also, bei mir sind Kopfschmerzen aufgetreten, relativ starke, stechende Kopfschmerzen, die aber erst aufgetreten sind, nachdem ich fünf Minuten aus dem Kino draußen war, an der frischen Luft, und dann nicht mehr diese 3D-Brille aufhatte und dann den Blick so schweifen ließ. Und dann merkte ich, dass dieser stechende Kopfschmerz kam."

Augenärzte empfehlen: Gelegentlich ein Auge zuhalten, um den 3D-Effekt zu eliminieren oder den Blick auf statische Bildelemente konzentrieren. Das ist Erholung für die Augen. Dr. Cord Feuerhake, Facharzt für Augenheilkunde aus Lehrte, kann nur raten, noch keinen 3D-Fernseher zu kaufen.

"Ich würde sagen: abwarten. Ich würde sagen: erst mal noch weiter klassisch fernsehen. Ich meine, dass der Kommerz und die Technologie immer natürlich sehr schnell sind, und wir Menschen uns langsam daran gewöhnen müssen und erst langsam schauen müssen, ob eventuell andere Schädigungen noch entstehen können."

Der Verzicht sollte nicht sonderlich schwer fallen: Denn es gibt momentan noch keinen Sender, der entsprechende Programme ausstrahlt. Auch stereoskopische 3D-Blue-Ray-Disks sind noch nicht im Handel, erklärt Susanne Kuhlmann von "c't".

"Es wird sich sicher im Laufe des Jahres noch ändern. Zu Weihnachten werden wir ein paar Titel haben - vielleicht. Inhaltemäßig ist es noch dünn. Deswegen jetzt zu sagen, ah, ich gebe 1000 Euro mehr aus und kaufe mir den 3D-Fernseher, dann bin ich auf der sicheren Seite. Das würde ich mir gut überlegen."

Es ist nämlich zu erwarten, dass die Shutterbrillen bald besser werden und keine Geisterbrillen mehr zulassen. Erste Hersteller arbeiten zudem an einem neuen Verfahren - ohne Spezialbrille. Keine Frage: Die dritte Dimension steckt noch in den Kinderschuhen.