Jean Feyder: Leistet Widerstand! Eine andere Welt ist möglich
Westend, 224 Seiten, 18 Euro
Eine scharfe Kritik am Welthandel
Jean Feyder war ständiger Vertreter Luxemburgs bei der Welthandelsorganisation. Heute übt er heftige Kritik am Welthandel, der die Starken bevorzuge und die Schwachen unterjoche. Doch seine Lösungsvorschläge scheinen kaum praktikabel.
Auf vielen Reisen in die Dritte Welt hat Jean Feyder beobachtet, wie der reiche Teil der Welt den armen Teil ausbeutet. Arme Staaten müssen ihre Märkte für internationale Produzenten freigeben – andernfalls drohen die Welthandelsorganisation WTO und auch die EU mit Handelsbeschränkungen. Die schwächsten Ökonomien sollen ihre Zölle senken und sich ins Globalisierungsgeschäft eingliedern. Im Ergebnis fischen multinationale Konzerne den Atlantik vor dem Senegal leer, verkauft die EU ihr überschüssiges Milchpulver zu Dumpingpreisen in Afrika und verarmen einheimische Kleinbauern.
"Die Entwicklungsländer wiederum werden dazu gebracht, Produkte, vor allem Agrarrohstoffe, für den Export zu fördern. Gleichzeitig wird die einheimische Nahrungsmittelproduktion vernachlässigt und muss mit Importen ausgeglichen werden. Das führt zu Handelsdefiziten und erhöhten Schulden und schließlich zur Ausbreitung von Armut und Hunger."
Die dann importierten Produkte aus reichen Herkunftsländern wurden dort bei ihrer Produktion oft staatlich subventioniert – etwa durch europäische Agrarhilfen. Dadurch sind sie selbst in armen Ländern konkurrenzlos billig und verdrängen die Kleinbauern. Womit der Weg frei ist für den nächsten Schritt in der neoliberalen Eroberungslogik, schreibt Feyder: für Land Grabbing.
Jugendliche werden zur Landflucht gezwungen
Das heißt, zehntausende Hektar Land werden an multinationale Konzerne verpachtet, die dort zu günstigen Bedingungen produzieren können – aber nicht etwa für den lokalen Markt. Nein, für die reichen Heimatländer der Konzerne – denn dort sind sie dank Land Grabbing noch "konkurrenzfähiger", wie das genannt wird. Unterdessen ziehen verarmte oder vertriebene Bauern in die Städte oder noch weiter weg.
Diese Methoden, die Feyder hier beschreibt, sind längst bekannt, aber oft vergessen. Und es sind auch Folgen dieser Politik, die Europa seit mehreren Jahren zu spüren bekommt.
"Der Mangel an Unterstützung für die Landwirtschaft macht die Integration Jugendlicher schwierig und nötigt sie meistens zur Landflucht und, wenn sie es können, zum Exil. Die Armut, der Landraub, die ungerechte Verteilung öffentlicher Güter und der Freihandel sind Übel, die die soziale Krise, die illegale Auswanderung und extremistische Irrwege fördern."
Jetzige Freihandelsverträge, so Feyders Analyse, bevorzugen den Stärkeren und sorgen dafür, dass die reiche Welt des Nordens sich den armen Süden untertan macht. Zudem schaffen sie durch Schiedsgerichte ihre eigene Justiz, auf die betroffene Staaten keinen Einfluss mehr haben.
Der Autor schildert, was multinationale Konzerne und nationale Regierungen unternehmen, um bei ihrem Tun nicht gestört zu werden. Konzerne geben erwünschte Studien in Auftrag und überziehen ihre Kritiker mit Klagen: Whistleblower etwa, wenn sie eine weitere Linie der neoliberalen Expansion aufdecken, nämlich die Steuerverschonung multinationaler Konzerne, wie im Fall der Luxemburg Leaks. Dafür gab es Haftstrafen. Wer dem Globalkapital und seinen Förderern in nationalen Regierungen gefährlich wird, so lautet Feyders Kritik, lebt selbst gefährlich.
Schließlich knöpft der Autor sich den jüngsten Fetisch unserer Wirtschaftsokkupanten vor: öffentlich-private Partnerschaften, wie sie auf dem letzten G-20-Gipfel verabredet wurden.
Jede Zuversicht geht verloren
"Es geht um die Finanzierung großer Infrastrukturprojekte durch die Bereitstellung von Privatkapital und die Absicherung interessanter Renditen. Jeder afrikanische Staat muss sich dazu verpflichten, die Reformen durchzuführen, die es den Privatunternehmen erlauben, die vorgesehenen Investitionen zu tätigen. Der Staat stellt sich in den Dienst der Privatwirtschaft. Öffentliche Ressourcen werden benutzt, um Privatinteressen zu fördern. Die Entwicklung der afrikanischen Industrie und der Landwirtschaft stehen dagegen nicht im Fokus."
Zum Ende seiner Diplomatenlaufbahn hat Feyder jede Zuversicht verloren, dass reiche Staaten den armen helfen, dass sie selbst gesteckte Ziele wie die Reduzierung von Schadstoffen einhalten wollen, oder dass weltweit agierende Finanzoligarchen bei nationalen Regierungen auf nennenswerten Widerstand stoßen.
Am ehesten ist das von jungen linken Bewegungen wie der spanischen Podemos-Partei zu erwarten. Ansonsten aber setzt er auf NGOs und lokale Kooperativen, um Ernährung für alle und eine angemessene Klimapolitik zu erreichen.
Widerstand und alternative Projekte, so seine Erfahrung und seine These, kann es nur von unten geben, von den einfachen Leuten in ihren Regionen. Seiner Ansicht nach wäre ein Schritt zurück zukunftsträchtiger als ein Schritt nach vorn.
"Wir können auch ohne den Einsatz von Pestiziden und gentechnisch modifizierte Organismen ausreichende Nahrung für alle Menschen produzieren. Mit den Ideen aus der Agroökologie ist eine Landwirtschaft möglich, die unabhängig ist von Energieimporten und gleichzeitig Produktion und Einkommen steigert. Am besten ließe sich das mit einer kleinbäuerlichen Landwirtschaft umsetzen, vor allem in den Entwicklungsländern."
In Ländern mit Umverteilung herrscht viel Korruption
Jean Feyder besuchte solche Kooperativen in vielen Ländern, jedoch waren sie dort kaum einmal Staatsraison. Er ist immer noch Diplomat genug, um es nicht klar zu sagen, aber er scheint der Ansicht zu sein, dass weniger Demokratie akzeptabel ist, wenn dafür sozial gerechtere Verteilungspolitik und praktizierter Klimaschutz zu haben sind.
Als staatliche Erfolgsmodelle führt Feyder aber ausgerechnet das Venezuela von Hugo Chavez, das Kuba von Fidel Castro und die Philippinen des Rodrigo Duterte an. Alle drei stehen zwar für eine Politik der Umverteilung von oben nach unten, gleichzeitig aber auch für ausgewachsene Korruption und den Abschied von demokratischen wie rechtsstaatlichen Prinzipien.
Niemand möchte hier venezolanische, kubanische oder philippinische Zustände. Am Ende kann der Untertitel, dass eine andere Welt möglich sei, sein Versprechen nicht einlösen. Und für veränderungswillige Bürger des reichen Nordens bleibt wohl erstmal nur, bei sich selbst anzufangen und darauf zu achten, wie sie leben und wofür sie ihr Geld ausgeben. Also global zu denken, wobei dieses Buch hilfreich ist, lokal zu handeln und regional zu kaufen.