Jad Turjman: „Der Geruch der Seele"

Liebesgeschichte im syrischen Bürgerkrieg

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Buchcover: "Der Geruch der Seele" von Jad Turjman
Jad Turjmans „Der Geruch der Seele" hat das Zeug zu einer Netflix-Serie, meint unser Kritiker. © Deutschlandradio / Residenz Verlag
Von Carsten Hueck · 23.09.2021
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Er ist Sunnit, sie Alawitin. Im syrischen Bürgerkrieg wird das zur Gefahr für die Liebe zwischen Tarek und Sanaa. Der selbst aus Syrien geflohene Jad Turjman erzählt in "Der Geruch der Seele" von Gewalt aber auch von Hoffnung in seinem Heimatland.
Schaut man auf seine Website, wird schnell klar: Jad Turjman ist ein Macher. Der 1989 in Damaskus geborene Autor ist 2014 aus Syrien geflohen, seit 2015 lebt er in Österreich.
Er schreibt auf Deutsch, tritt auf als Comedian. Er engagiert sich beim Projekt "Heroes" für Gleichberechtigung der Kulturen und Geschlechter, bietet Workshops zum Zusammenleben und zur Traumabewältigung an. Er ist ein "Flüchtling Ihres Vertrauens", wie er sich selbstironisch nennt.

In seinem ersten Buch, das vor zwei Jahren erschien, beschreibt Jad Turjman die Geschichte des Alltags im Bürgerkriegsland, die Begegnung mit Tod und Gewalt, schließlich seine Flucht aus Syrien.
"Der Geruch der Seele" ist zwar auch autobiografisch grundiert, aber doch so etwas wie ein Romandebüt. Eine Liebesgeschichte in Zeiten von Krieg und Revolution, wie es im Untertitel heißt. Sie vermittelt einen nachhaltigen Eindruck davon, was es heißt, in Assads Syrien selbstbestimmt lieben und leben zu wollen.

Zwischen Freiheitsdrang und Tradition

Tarek, die Hauptfigur, ein junger, Shisha rauchender Student, ist wie viele andere seiner syrischen Altersgenossen. Hin- und hergerissen zwischen dem Drang nach eigenem Leben und den traditionellen Vorgaben der Familie.
Anders als die Väter von Tareks Freunden, die Nutznießer des Assad-Regimes sind oder Positionen im Staatsapparat bekleiden, ist sein Vater jedoch sozial degradiert, seitdem sein Vorgesetzter, der frühere Vizepräsident, in Ungnade gefallen ist und sich ins Ausland abgesetzt hat.

Sunnit liebt Alawitin

2010 verliebt sich Tarek in Sanaa. Eine gefährliche Liebe, denn Sanaa ist Alawitin und Tochter eines "Hochrangigen", Tarek hingegen Sunnit. Außerdem umwirbt Sanaa auch ein Kommilitone, dessen Vater als Geheimdienstchef berüchtigt ist.
Dennoch entwickelt sich die Beziehung zwischen Tarek und Sanaa märchenhaft, sie finden Wege und Möglichkeiten, einander regelmäßig zu treffen, und planen heimlich ihre Auswanderung nach Kanada. Als Tarek zum Militärdienst eingezogen wird, der Arabische Frühling Syrien erfasst und der Bürgerkrieg ausbricht, gerät nicht nur die Liebe der beiden in Gefahr, sondern auch ihr Leben.

Märchen und Dokument zugleich

Jad Turjman schildert das aus zwei Erzählperspektiven, in vielen Dialogen, an verschiedenen Schauplätzen, zwischen den Jahren 2010 und 2015 vor- und zurückspringend.
Sein Buch hat das Zeug zu einer Netflix-Serie. Das Liebespaar ist konfrontiert mit IS-Kerker, Drohnen, Bombenattentaten. Kurdische Kämpfer kommen vor und Antiquitätenschmuggel. Neben Korruption geht es auch um Kalligrafie, Poesie und ein rekonstruiertes Jungfernhäutchen. Um eine doppelte Flucht nach Europa.
In Nebenrollen treten auf, immer im richtigen Moment: eine homosexuelle deutsche Diplomatin, eine Managerin, die als Yogalehrerin zu innerer Einkehr anleitet und ein Urkundenfälscher, ein rassistischer ehemaliger Mathematiklehrer aus Tansania, der im Blumenhandel arbeitet.
Das ist eine Menge Holz. Märchen und Dokument zugleich – bunt, aber nicht schillernd.

Jad Turjman: "Der Geruch der Seele. Eine Liebesgeschichte in Zeiten von Krieg und Revolution"
Residenz Verlag, Salzburg/Wien 2021
268 Seiten, 22 Euro

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