Der Krieg verwandelt eine Tape-Sammlung in ein Archiv
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Der US-Musiker Mark Gergis hat auf der Suche nach seinen irakischen Wurzeln syrische Musik lieben gelernt. Er sammelte sie auf Kassetten. Als der Bürgerkrieg ausbrach, merkte er schnell, welchem Schatz er da zusammengetragen hatte.
Mark Gergis ist Amerikaner mit irakischem Hintergrund, sein Vater stammt aus dem Irak. Gergis lebte lange Jahre in Oakland, arbeitete als Musiker und Produzent. Irgendwann ging er auf die Suche nach seinen irakischen Wurzeln: "Es interessierte mich, die Kultur und die Musik des Irak und Syriens und dieser Region zu erforschen, für mich, nicht akademisch. Und das endete vor allem mit einem Fokus auf der Musik."
Syrien - ein kultureller "Melting Pot"
Gergis suchte die Shops der irakischen, syrischen und libanesischen Diaspora in den verschiedenen US-Städten auf, um Musikkassetten zu finden. Und dann merkte er, Ende der 1990er-Jahre, dass ihm das nicht mehr reichte.
"Ich war mir sicher, da gibt es mehr zu finden. Und da ich nicht in den Irak reisen konnte, wegen den damaligen Umständen, meinem irakischen Hintergrund und den Sanktionen gegen die Regierung, reiste ich eben nach Syrien", erzählt er.
Das war 1997. Aufgrund der internationalen Isolation des Iraks unter Saddam Hussein lebten damals viele Iraker in Syrien, gerade im Nordosten des Landes, und brachten sich ein, wirtschaftlich, wie auch kulturell. Mark Gergis war fasziniert vom "Melting Pot" Syrien, mit all den verschiedenen Einflüssen aus der Region.
"In Damaskus zum Beispiel gab es diese Kassettenkioske. Dort gab es fast ausschließlich Kassetten – kistenweise und aller Art. Und diese Kioske lagen alle dicht beieinander und spielten die Musik bei voller Lautstärke, um die anderen zu übertönen", erinnert er sich.
"Ich suchte das Gespräch mit ihnen, wollte dies und das hören, mehr erfahren, Empfehlungen bekommen. Das hat oftmals zu Gesprächen in Cafés und Restaurants geführt, ich wurde zu manchen nach Hause und zu Hochzeiten eingeladen, um all die Musik zu hören, die es gab."
Reisen, sammeln, aufzeichnen
Gergis begann, Kassetten zu kaufen. Auf jeder Reise waren es Dutzende, am Ende, als er nicht mehr nach Syrien einreisen konnte, hatte er mehr als 400 Tapes angesammelt. Darauf war kurdische, armenische, arabische und selbst assyro-chaldäische Musik, die die ganze Vielfalt der Region erklingen ließ. Und immer hatte er seinen Rekorder dabei und nahm auch das auf, was er auf den Straßen und im syrischen Radio hörte.
Daraus entstand seine erste Veröffentlichung "I remember Syria", eine Doppel-CD, die 2003 auf " sublime frequencies" erschien. "Die Hoffnung war, diese Kulturen quasi zu vermenschlichen – also die Menschen dahinter zu zeigen. Denn Musik, genau wie auch Essen, ist der Zugang für viele zu einer anderen Kultur. Und ich hoffe, ich habe das geschafft."
Und dann kam der Krieg, der alles in Syrien veränderte.
Archivierung gegen die Zerstörung
Mark Gergis realisierte schnell, dass er im Angesicht all der Zerstörung und der Flucht von Millionen von Syrern mit seinen Musikkassetten auf einmal einen kulturellen Schatz vor sich liegen hatte. Etliche seiner Freunde waren nun Flüchtlinge in Europa.
Gergis wollte etwas zurückgeben und begann mit seinem Projekt "Syrian Cassette Archives", in dem es ihm nicht nur darum geht, die Musik auf den Tapes zu digitalisieren, zu bewahren und bekannter zu machen. Er bezog auch viele der Produzenten und Musiker ein, die er finden konnte, um ein umfangreiches Bild der syrischen Musikszene jener Jahre entstehen zu lassen.
Dabei stieß er auf offene Ohren und viel Unterstützung: "Da ist die Frage, warum es nicht einfach nur eine Sammlung ist, warum ich es Archiv nennen will? Die tragische oder romantische Antwort darauf ist, dass ich die Zerstörung Syriens und seiner Gesellschaft mitansehen musste. Das war der Moment, an dem die Sammlung sich für mich in ein Archiv wandelte. Denn es gab diese Dringlichkeit, all das zu bewahren und von den Leuten zu lernen, die dabei waren und ihre Geschichten zu hören."
Erinnerung an die glücklichen Zeiten in Syrien
Musikkassetten als Zeitdokumente, eine Webseite als Musik- und Geschichtsarchiv. Seine Sammlung sei dabei nur als das Fundament für ein hoffentlich langfristiges Projekt zur Bewahrung der syrischen Musik zu sehen, meint Mark Gergis.
Und er sucht weiter nach Aufnahmen aus den wilden und "happy times" in Syrien, als jeder und jede ganz einfach mit einem Taperekorder seine eigenen Lieder aufnehmen konnte.