Finanzkrise in Italien

Die Zukunft der Kunstsammlungen ist ungewiss

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Der Hauptsitz der Bank Carige in Genua. Unklar ist, wie die Zukunft der Kunstsammlungen der Bank aussieht.
Der Hauptsitz der Bank Carige in Genua. Unklar ist, wie die Zukunft der Kunstsammlungen der Bank aussieht. © imago/Design Pics
Von Thomas Migge · 26.03.2019
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Das Bankhaus Carige mit Hauptsitz in Genua rutscht seit Jahren immer tiefer in die Krise. Wird sie nun ihre umfangreiche Kunstsammlung aus der Not heraus verscherbeln? So einfach ist das nach dem italienischen Recht nicht.
"Es ist unklar, ob die jüngsten Rettungsversuche dieser Bank Früchte tragen werden. Seit 2013 wird immer wieder versucht, mit immer neuen Kaptalerhöhungen zu retten, was zu retten ist. Bis jetzt mit insgesamt 2,3 Milliarden Euro."
Vor kurzem wurde das Kapital der Bank Carige noch einmal um weitere 230 Millionen Euro erhöht, berichtet Salvatore Graziano von der Finanzzeitschrift "Soldi Expert". Astronomisch hohe Summe, die aber anscheinend den Markt nicht überzeugen: Die Carige rutscht immer weiter in die Krise und könnte auch für andere italienische Banken gefährlich werden.

Mit Kunst von der Krise ablenken

Die Krise der Banca Carige wirft nicht nur finanz- und wirtschaftspolitische Fragen auf. Es geht auch um Kunst. Um viel Kunst, die sich im Besitz der Bank befindet. Spricht man die Verantwortlichen auf die Finanzkrise an, weichen sie gern auf ihre Kunst aus. Ein weitaus angenehmeres Thema. So scheint die jüngste Ausstellung mit hauseigenen Werken wie ein geschickt inszeniertes Manöver, um von existenziellen Problemen abzulenken.
"Die Heilige Familie" Bild von Anton Van Dyck (1599-1641) Collection Banca Carige. Zu sehen sind Maria und Josef und das Jesuskind. Jesus streckt seinen Arm nach oben in Richtung Josefs Kopf.
Das Gemälde "Heilige Familie" des Malers van Dyck gehört zur Kunstsammlung der italienischen Bank Carige.© imago/Leemage
Alfredo Majo ist bei der Carige für die hauseigene Kunstsammlung verantwortlich:
"Wir organisieren jedes Jahr eine Ausstellung unter dem Titel 'Einladung in den Palast', in das prächtige Gebäude, das unseren Hauptsitz beherbergt. Dieses Mal zeigen wir Hauptwerke Van Dycks, darunter seine 'Heilige Familie', eines der berühmtesten Werke Van Dycks."
Die Kunststiftung der Banca Carige hat in den vergangenen Jahren mehrere wertvolle Gemälde erworben. Sie besitzt mehr als 120 barocke Bilder, neben Van Dyck auch von Bernardo Strozzi und Paolo Veronese. Die Sammlung von Malereien aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert umfasst über 250 Werke. Die Münzsammlung mit Stücken aus der Zeit vom 12. bis zum 19. Jahrhundert gilt als eine der reichsten Italiens.

Kunstwerke können nicht einfach verkauft werden

Alle diese Schätze stehen nun wegen der viele Schulden auf dem Spiel. Seit kurzem ist in Italiens Medien davon die Rede, dass die Bank in Versuchung geraten könnte, die eigene Kunstsammlung zu Geld zu machen. Komplett oder durch den Verkauf ihrer Hauptwerke.
Doch allein schon solche Spekulationen lassen die Aktienwerte der Carige sinken. Deshalb hält sich die Direktion der Bank mit öffentlichen Statements zurück.
Doch weder die Carige noch andere Banken, die ebenfalls finanzpolitisch in sehr trübem Wasser schwimmen und eigene Stiftungen mit Kunstsammlungen besitzen, könnten ihre Schätze nach Gutdünken verkaufen, erklärt der Kunsthistoriker Vittorio Sgarbi, der für verschiedene Bankenstiftung Ausstellungen ihrer Werke organisiert hat:
"Ein großer Teil der Profite der Banken wurden in diesen Stiftungen investiert. Profite wurden in Kunst verwandelt, um in den Genuss hoher steuerlicher Vorteile zu gelangen. Das gilt auch für die vielen historischen Gebäude, die Bankenstiftungen besitzen. Diese Kunstsammlungen sind also nur bis zu einem gewissen Punkt privat."

Staat kann Sammlung beschlagnahmen

Das heißt also, so Sgarbi, dass etwa die Banca Carige nicht einfach ihre Meisterwerke verschachern kann, um Bankschulden abzubauen. Und: Italiens Kunst-Bankenstiftungen sind ziemlich komplexe Konstruktionen, die deren Auflösung enorm problematisch machen.
Der Staat kann, sollte eine Bank pleite gehen, deren Kunstsammlung beschlagnahmen, um ihren Erhalt zu garantieren. Eine Verantwortung, die für den Staat sehr teuer werden könnte.
"Italiens Bankenstiftungen besitzen massenweise außergewöhnliche Kunst! Allein die Cariplo besitzt über 800 Meisterwerke der Malerei. Im Ganzen werden es mindestens Zehntausend kostbarste Kunstwerke im Besitz der Banken sein."
Sollte es tatsächlich im Zuge des astronomisch hohen Staatsdefizits zu einer gravierenden Bankenkrise kommen, dann wären auch die insgesamt 73 Bankenstiftungen und Kunstsammlungen Italiens davon betroffen.
Auf Nachfragen im Kulturministerium, was im Fall einer solchen Finanzkatastrophe mit diesen Sammlungen geschehen würde, schweigen die Verantwortlichen. Wohl deshalb, weil sie genau wissen, dass sie noch nicht einmal ansatzweise über Finanzmittel verfügen, um die logistische und finanzpolitische Verantwortung für die Kunst der Bankenstiftungen übernehmen zu können.
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