Interreligiöser Dialog

Wie geht Islam?

Betende Muslime vor dem Innenministerium in Tschechien - aus Protest gegen eine Polizei-Razzia in einem islamischen Zentrum.
In Erfurt soll Wissensvermittlung über den Islam das interreligiöse Verständnis fördern. © picture alliance / dpa / Michal Krumphanzl
Von Henry Bernhard  · 07.05.2014
Eine katholische Bildungsstätte in Erfurt bietet in einem Zweitageskurs an, den Islam kennen zu lernen. Mit "echten" Muslimen, Besuchen, Gesprächen in der Moschee und beim Halal-Fleischer um die Ecke.
Eine Moschee in einem Erfurter Gewerbegebiet. Ein ehemaliger Blumengroßhandel. Schlicht und schnörkellos. Ein gutes Dutzend meist älterer Deutscher zieht sich die Schuhe aus und betritt den Gebetsraum, eine flache Halle mit grünem Teppich und nackten Leuchtstofflampen. Die Gäste wirken unsicher. Sie sind Christen, meist Katholiken, auf fremdem Terrain. Burhan Ocar, der Pressesprecher der Moschee, versucht, ihnen die Angst zu nehmen.
"Der Gebetsruf wird jetzt gerufen. Nicht, dass sich einige erschrecken. Das wird etwas laut. Fühlen sie sich wie zu Hause! Es ist nicht so, dass sie sich besonders angeregt fühlen müssen, ist kein Problem!"
Langsam schlendert eine Handvoll junger Männer hinein, manche mit Bart, manche glattrasiert, die einen mit Jeans, die anderen mit knöchellangem Gewand. Sie stören sich nicht an den Gästen, die im Hintergrund auf Stühlen sitzen. Sie stellen sich Schulter an Schulter hinter dem Imam auf und beginnen ihr Gebet gen Mekka.
Die deutschen Gäste schauen schweigend zu, wie die Männer sich auf den Boden werfen, aufstehen, dem Imam in allem folgen.
"Wenn das Gebet eröffnet wird mit diesem Ruf 'Allahu akbar', heißt: 'Gott ist der Größte', 'Allahu akbar'. Und dann legt man sich die Hände auf die Brust, und dann rezitiert man vom Koran. Es gibt einige feste Verse, die unbedingt rezitiert werden müssen, wie zum Beispiel die Eröffnung 'Al-Fātiḥa', die erste Sure, das wird so überliefert von unserem Propheten. So: Alles ist genauestens beschrieben!"
Politik spielt keine Rolle
Geduldig erklärt Burhan Ocar nach dem Gebet seine Religion und deren Regeln. Warum die Moschee so schlicht ist, was die Gebetsnische bedeutet, welche Rolle der Imam spielt. All das ist Teil vom katholischen Bildungszentrum angebotenen zweitägigen Kurses "Wie geht Islam?"
"Und wir haben ein Grundprinzip im Islam: Wenn etwas von Allah offenbart worden ist - ein Gebot, ein Befehl, ein Gesetz -, wir hinterfragen nicht, wir sagen nicht, 'Warum? Weshalb ist es so?' Es gibt bestimmt eine Weisheit dahinter! Und die Weisheiten von manchen Sachen sind offengelegt worden, wie zum Beispiel die Bedeckung der Frau, dass das zu ihrem Schutz ist!"
Die deutschen Gäste stellen Fragen, zum Alltag, zu den Gebräuchen. Politik spielt keine Rolle.
"Hier, wenn wir jetzt im Sommer … (grüßt arabisch), wenn wir im Sommer unseren Fastenmonat Ramadan haben - 21 Uhr, manchmal sogar noch später, brechen wir unser Fasten … Aber in Saudi-Arabien ist dieser Unterschied nicht so groß, oder in der Türkei ist dieser Unterschied nicht so groß. Wenn wir hier fasten, haben meine Schwiegereltern ihr Fasten gebrochen, das sehen wir dann per Skype! Wir müssen hier fasten und sie haben schon ein paar Wochen ihr Fasten gebrochen! Aber, ich sag mal so: Es ist eine Gewöhnungssache! Der Körper gewöhnt sich sehr schnell dran. Es tut einem auch sehr gut, wenn man über eine gewisse Zeit nichts isst."
Nach einer guten Stunde verlassen die deutschen Christen die Moschee, ziehen sich ihre Schuhe wieder an, diskutieren das Erlebte.
Teilnehmerin: "Ich fand's sehr informativ, aber ich muss sagen: es sind so einige Strömungen, die hätte ich ganz gerne näher beleuchtet. Ich habe selber einige negative Erfahrungen gemacht. Aber insgesamt gesehen war das nicht schlecht."
Regina Klapper: "Total toll! Also, das Gebet hat mich sehr beeindruckt! Und ich kann verstehen, warum die Muslime tiefer glauben, zu glauben scheinen - sagen wir mal so. Weil: Dieses Gemeinschaftserlebnis des Gebets und die Wiederholungen von 'Gott' als der Alleinige - ich denke, das prägt sehr! Wir Christen sind oft zu locker, denke ich."
Gemeinschaftserlebnis in der Moschee
Regina Klapper ist katholisch, bezeichnet sich aber selbst als eher ökumenisch.
"Das Gemeinschaftserlebnis! Und ich denke, das stärkt auch den Glauben! Das wünsche ich mir in unserer Kirche manchmal! Denke ich mir … War toll! Also, ich hätte gut dabei meditieren können, habe ich den Eindruck."
Nachdenklich geht sie mit den anderen zurück in das katholische Bildungszentrum St. Ursula, wo der Kurs "Wie geht Islam?" weitergehen soll. Im Hof trifft sie Dua Zeitun, eine Muslima aus Osnabrück, die den Kurs leitet.
"Sie und auch er eben waren sprachgewaltig! Sie können von ihrem Glauben auch reden und reden und reden! Und wir sind oft so sprachlos. Aber ich denke, das ist auch kulturell ein bisschen bedingt, kann das sein? Südliche Länder sind etwas redegewandter."
Dua Zeitun: "Ich weiß nicht; ich habe die südlichen Länder nicht oft besucht. Also, wenn sie Aachen meinen, wenn sie Aachen meinen …"
Regina Klapper: "Kommt doch von ihrer Familie - oder?"
Dua Zeitun: "Ja."
Regina Klapper: "Das meine ich!"
Dua Zeitun: "Also, mein Vater zum Beispiel ist auch Imam, und seit ich denken kann, hat er immer Gemeindearbeit geleistet. Das war ihm immer wichtig. Und ich bin dann quasi halt in seine Fußstapfen getreten. Und da merkt man, dass man da richtig aufblüht. Das musste jetzt kommen! Das kann ich auch nicht lassen …"
Das Eigene im Fremden entdecken
Drinnen, im Kloster, erklärt Dua Zeitun dann den Koran, das muslimische Alltagsleben, die Feste, die Säulen des Islam.
"Also, 'Salāt' heißt das Gebet, kommt aus dem Arabischen. Dann kommt 'Zakāt', die Armensteuer. Und dann auch 'Haddsch', das ist die Pilgerfahrt nach Mekka. Und 'Saum' ist das Fasten im Monat Ramadan."
In Thüringen gibt es gerade einmal 7000 Muslime, das entspricht etwa 0,3 Prozent der Bevölkerung. Das Wissen über den Islam ist sehr gering. Und wer einen Kurs wie diesen besucht, weiß oft noch mehr als andere.
Umfrage: "Ach, ich bin einfach ein neugieriger Mensch! Und gerade über die Glaubensgeschichte haben wir in der DDR gar nichts gehört. Und dann habe ich Reisen gemacht und hab auch nicht die Verbindung gehabt mit der Bevölkerung und der Glaubenssache."
"Man hört ja sehr viel über den Islam. Das sind Medien, die uns die Informationen rantragen, und das sind Gespräche mit Nachbarn, man liest einiges … Und diese Neugierde: Was ist der Islam? Wie geht man mit dem Islam um? Um auch mal, wenn es wieder zu solchen Gesprächen kommt, richtig zu argumentieren. Und das ist die Neugier, die mich hergebracht hat!"
Besonders interessant wird es für das gute Dutzend Kursteilnehmer, wenn sie im Fremden das Eigene und im Eigenen das Fremde entdecken. So geht es auch Mechthild Wiefelobert aus Süd-Thüringen
"Wie sehen die muslimischen Kinder, wenn dort Jesus mit Nägeln an das Kreuz getrieben wird? Also, das hat mich wirklich sehr befremdet, dass man diesen Toten da darstellt. Ich hab gedacht, das muss für ein Kind ein Schock sein."
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