"In Love" von Alfred Hayes

Geld und Gefühle

"Liebe ist wichtiger als Geld" steht auf dem Plakat eines Occupy-Anhängers in Frankfurt am Main.
"Liebe ist wichtiger als Geld" steht auf dem Plakat eines Occupy-Anhängers in Frankfurt am Main. © picture alliance / dpa / Boris Roessler
Von Gabriele von Arnim |
Der 1985 gestorbene Alfred Hayes ist ein zu Unrecht in Vergessenheit geratener US-Autor. In dem wiederentdeckten Roman "In Love" werden der Geliebten des Ich-Erzählers 1000 Dollar für eine Nacht geboten. Es entwickelt sich eine große Erzählung über Liebe und Sicherheit, Moral und Verführbarkeit.
Ein Mann von fast vierzig Jahren sitzt an einem Nachmittag in einer Hotelbar und erzählt einer geduldigen jungen Frau von sich und seiner Unruhe. Er habe kein Lebensziel, sagt er und es quäle ihn die Vorstellung, dass es vielleicht nie eines gab. Oder er es nicht erkannte. Er fürchtet das Gefühl des Verlusts, das ihn unglücklich machen könnte. Andere sagen, er sähe traurig aus – aber ist er es auch? Der Mann - intelligent und zweifelfreudig - irrt ziemlich ahnungslos in seinem Innenleben herum.
Vielleicht hat er wirklich den einen großen Lebensfehler gemacht, als er die Frau gehen ließ, die er einst regelmäßig ausführte, sie besuchte, mit ihr schlief. Sie war sehr jung, schon geschieden und voller romantischer Vorstellungen von der Liebe. Nur wer bereit sei, für sie zu sterben, wolle sie wirklich. Sie wohnte in einer winzigen, unordentlichen Wohnung, hatte keine Energie, keine Interessen, ein Kind, das bei ihrer Mutter lebte, und liebte es, ihre Hand allen möglichen Wahrsagern entgegenzustrecken, damit sie ihr die große Liebe und das große Geld voraussagten.
Vor allem als Drehbuchautor erfolgreich
Unser namenloser Erzähler war weder emotional noch finanziell in der Lage, diese Sehnsucht zu stillen. Ihm gefiel das erotische Arrangement, das praktische Idyll, wie er es nennt und das er nun nachträglich in seiner Perfektion in Frage stellt. War er ein seelenkarger Liebesflaneur, der einfach genießen wollte, ohne sich festzulegen. Gewiss war er ein Mann, der Gefühlen nicht traute, einer, der sein Ich häufiger spielte als dass er es lebte. Ein Poseur möglicher Empfindungen. Es dauerte, bis er erkannte, dass er ein einziges unheilbares Laster habe – und das sei er selbst.
Alfred Hayes, ein englischer Schriftsteller, 1911 in London geboren und 1985 in Kalifornien gestorben, lebte meist in Italien oder den USA. Er schrieb Romane, Gedichte und war vor allem als Drehbuchautor erfolgreich.
In Love ist ein wiederentdeckter Roman aus den 50er-Jahren. In seinem Grundthema zeitlos. Wann weiß man, dass man liebt. Doch zugleich durchwogt ein geradezu staunenswert altmodischer Machismo dieses Buch. Frauen suchen Sicherheit. In anderen Worten: einen Mann, der für sie sorgt.
Die Geliebte unseres Erzählers lernt eines Tages in einem Club einen reichen Mann kennen. Sie tanzen –und er bietet ihr 1000 Dollar für eine Nacht.
Sätze so kühl wie Samt
Und so beginnt das wunderbar erzählte Spiel der unberechenbaren Überlegungen und Emotionen. Soll sie den Mann anrufen, unmöglich, nein, sie kann es nicht, aber das Geld zu haben für ihre kleine Tochter, wäre fantastisch. Natürlich sagt ihr nonchalanter Liebhaber lächelnd, dass sie absolut frei sei zu tun, was sie wolle.
Mit einem ganz feinen Gespür für die zermürbende Unzuverlässigkeit unserer Gefühle, beschreibt Hayes, wie das Angebot des reichen Mannes die junge Frau betört und verstört. Als sie es ablehnt, beginnt er, ihr den Hof zu machen. Wie sympathisch er ihr wird, wie beruhigend sein Geld auf sie wirkt. Hayes dringt mit Sätzen so kühl wie Samt unerbittlich ein in das Gewirr von Neugier und Argumenten, von Moral und Verführbarkeit, von Liebessuche und Liebesflucht.

Alfred Hayes: In Love
Aus dem Englischen von Matthias Fienbork
Nagel & Kimche, München 2015
144 Seiten, 16.90 EUR

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