Impfpflicht

Warum ein Bürgerrat mitentscheiden sollte

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Eine Person mit einem schwarzen Schutzhandschuh zieht mit einer Impfspritze eine Impfdosis auf.
Greift eine Impfpflicht zu sehr in Freiheitsrechte ein oder ist sie notwendig in der Pandemie? Ein Bürgerrat könnte den Streit entschärfen. © imago / Fotostand / K. Schmitt
Claudine Nierth im Gespräch mit Ute Welty · 26.01.2022
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Erstmals debattiert der Bundestag über eine Corona-Impfpflicht. Zu diesem Thema sollten alle Positionen gehört werden, sagt Claudine Nierth von "Mehr Demokratie". Sie fordert einen Bürgerrat – auch um das Vertrauen in die Demokratie zu stärken.
Die Bundestagsabgeordneten debattieren erstmals über eine allgemeine Impfpflicht gegen Corona. Einen eigenen Gesetzesentwurf der Ampelregierung gibt es nicht; es soll eine Gewissensentscheidung werden. Derzeit sind drei Ansätze verschiedener Gruppen erkennbar: eine Impfpflicht für Erwachsene, eine ab einer bestimmten, höheren Altersgrenze und die generelle Ablehnung einer solchen Pflicht.
Angesichts der noch immer vergleichsweise niedrigen Impfquote sehen Befürworter die Impfpflicht als notwendig an, um die Pandemie zu beenden. Gegner sehen in ihr einen unzulässigen Eingriff in ihre persönlichen Freiheitsrechte. In letzter Zeit haben Proteste gegen eine Impfpflicht immer mehr Zulauf.

Per Losverfahren in den Bürgerrat

Die Nichtregierungsorganisation „Mehr Demokratie“ schlägt nun einen Bürgerrat zu dem gesellschaftlich umstrittenen Thema vor. Dieser könne den Konflikt entschärfen. „Der Vorteil eines Bürgerrates ist, dass er ausgelost ist“, sagt Bundesvorstandssprecherin Claudine Nierth. Alle hätten so eine Chance dazu, aus dem Einwohnermelderegister gezogen zu werden und anschließend die Politik zu beraten.

Impfpflicht - ja oder nein? Bund und Länder haben den Willen zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht [Kommentar und Dossier] signalisiert. Doch ihre Umsetzung und auch ein möglicher Zeitplan bleiben umstritten. Nun gibt es dazu erstmals eine Orientierungsdebatte im Bundestag. Welche Form der Impfpflicht könnte kommen?

In einem Bürgerrat seien alle Positionen vertreten und es werde ein offener Diskurs geführt, so Nierth. Außerdem gebe es viel Input von Experten: „Es wäre tatsächlich ein Mehrwert für die Politik.“ Mit Blick auf die Proteste gegen eine Impfpflicht sagt sie: „Demonstrationen sind nicht das Problem, sie gefährden nicht die Demokratie. Sie sind ein Symptom.“

Proteste ernst nehmen

Immer wenn Menschen auf die Straße gingen, hätten sie das Gefühl, sie würden nicht gehört und ihre Positionen nicht berücksichtigt. „Das ist schon ein Zeichen, das man sehr ernst nehmen soll“, betont die Aktivistin, „zumal die Impfpflicht tatsächlich auch ein Eingriff in ein Grundrecht ist. Das betrifft uns alle. Deswegen sollten möglichst viele Menschen mit einbezogen werden in die Entscheidung.“
Dies umso mehr, als die jüngste Studie der Körber-Stiftung gezeigt habe, dass fast jeder Zweite das Vertrauen in die Demokratie verloren habe.
(bth)
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