Ikonografie des Protests in den USA

Solidarität bekunden reicht nicht aus

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Mit schwarzen Profilbildern auf Social Media wurde nach dem Tod von George Floyd am BlackTuesdays gegen Rassismus und Polizeigewalt protestiert
Mit schwarzen Profilbildern auf Social Media wurde nach dem Tod von George Floyd gegen Rassismus und Polizeigewalt protestiert © imago images / Jessica Gow
Martin Lüthe im Gespräch mit Vladimir Balzer · 02.06.2020
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Schwarze Flächen führen nicht allein zu Veränderung. Auch werde beim Blick in die USA und der Solidarität mit den Protesten gegen Polizeigewalt vergessen, dass es auch hierzulande eine Geschichte des Rassismus gibt, sagt der Historiker Martin Lüthe.
Das Posten einer schwarzen Fläche in den sozialen Medien beim #BlackoutTuesday stelle eine Möglichkeit dar, die Solidarität mit der Protestbewegung in den USA zu zeigen, sagt Martin Lüthe, Professor am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien der FU Berlin. Er forscht unter anderem zur amerikanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts.

Aktivismus vom Sofa

Man müsse sich zudem fragen, wem man beim "Schwarz machen" des eigenen Profilbildes helfe, so Lüthe - über die Solidaritätsbekundung hinaus. Er erkennt darin auch die Idee des "Slacktivism": ein Aktivismus, dem man über die sozialen Medien einfach von der eigenen Couch aus nachgehen kann, ohne indes sich tatsächlich länger mit dem Gegenstand zu beschäftigen.
Dies stelle dann lediglich eine Möglichkeit dar, das Gewissen zu beruhigen: "Da bleibt natürlich die Durchschlagskraft über die Solidaritätsbekundung hinaus offen."
Bilder und Bildsprache seien wichtig, das zeige auch die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre in den USA. "Da gibt es so berühmte Fotografien von Schäferhunden, die friedlich protestierende Menschen angegriffen haben." Dies verbildliche deutlich das Aggressionspotenzial der Politik, findet Lüthe.
"Es gibt eine Bildsprache von Protest - und es gibt auch eine Bildsprache von Protest gegen Polizeigewalt und die Willkür davon. Aber die Frage ist, was ist diese Initiative "Black out Tuesday" Wert; da bin ich jetzt selber so ein bisschen unsicher."

Rassismus in Deutschland bekämpfen

Um zu erkennen, was denjenigen in den USA helfe, die dort gerade für ihre Bürgerrechte protestierten, müsse man sich mit der Geschichte der Kultur von afrikanisch-amerikanischen Menschen, der Geschichte ihrer Protestbewegung und der Geschichte von Rassismus befassen. Und da gelange man dann auch zum Rassismus in Deutschland: "Das Über-den-Teich-Zeigen ist nur dann sinnvoll, wenn man sich gleichzeitig auch solidarisch erklärt, mit den antirassistischen Kämpfen, die auch in Deutschland stattfinden." Denn es gebe auch hierzulande "Gewalt gegen schwarze deutsche Menschen, der die hier ausgesetzt sind".
(mle)
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