Ideenreicher Verleger

Von Maike Albath · 12.03.2008
Heinrich Maria Ledig-Rowohlt war ein Vollblutverleger und schon zu Lebzeiten eine Legende. Er rettete den von seinem Vater Ernst Rowohlt gegründeten Verlag über die Kriegsjahre und erfand 1947 den Rowohlt-Rotations-Roman, der wie eine Zeitung gedruckt wurde: Das RoRoRo-Heft kostete damals 50 Pfennig, weniger als eine Zigarette. Bereits in den ersten Wochen wurden 50.000 Exemplare verkauft. Größter Geniestreich aber war das Rowohlt-Taschenbuch.
"Das war eine stehende Redewendung von Ernst Rowohlt, dass er gesagt hat: 'Mein Verlag hat kein Profil, aber tausend Gesichter'."

Heinrich Maria Ledig-Rowohlt, der Sohn des Verlagsgründers Ernst Rowohlt, war berühmt für seine literarische Spürnase. Mit amerikanischen Schriftstellern im Schlepptau und einer Montecristo im Mundwinkel schlug er sich die Nächte auf der Reeperbahn um die Ohren. Sein Vater hat sich erst spät zu dem am 12. März 1908 unehelich geborenen Heinrich bekannt: Bis zu seinem zweiundvierzigsten Geburtstag sprach er ihn mit "Herr Ledig" an.

"Meine Mutter war Schauspielerin und ist durch die Welt herumgetrieben worden. Ich war in einem Internat abgestellt, gewissermaßen. Dort war ein Internatsleiter, der hatte Leseabende - ein oder zwei Mal in der Woche - für die Abiturienten. Ich war damals schon lesefreudig, habe im Schlafsaal unter der Bettdecke mit der Taschenlampe gelesen und sogar, erinnere ich mich, beim Licht der Straßenlaterne am Fenster."

Der lesesüchtige Heinrich wollte unbedingt zur Marine gehen, aber der Direktor seines Internats konnte ihn dann doch zu einer Ausbildung im Buchhandel überreden. Von Köln wechselte er nach London zur Buchhandlung Foyels. In der Zwischenzeit besann sich Ernst Rowohlt auf seinen Sohn und holte ihn 1931 in den Rowohlt Verlag, wo damals Joachim Ringelnatz, Kurt Tucholsky, Ernst von Salomon, Robert Musil und Alfred Polgar erschienen. Ledig-Rowohlt hatte in London Geschmack an der angelsächsischen Literatur gefunden.

"Wirklich erinnerlich ist mir ein sehr herausragender Fall, und zwar William Faulkner: 'Licht im August'. Da bin ich aber schon mit der Begeisterung für Faulkner infiziert aus London gekommen. Da haben wir Faulkner, 'Licht im August', zum ersten Mal erworben. Mit meinem Vater konnte man ja literarische Pferde stehlen."

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten landeten die meisten Schriftsteller des Verlages auf der schwarzen Liste. 1938 emigrierte Ernst Rowohlt nach Brasilien, Heinrich Maria Ledig-Rowohlt führte das Haus unter dem Dach der Deutschen Verlagsanstalt von Stuttgart aus noch eine Weile lang weiter. 1943 verboten ihm die Nazis seine Tätigkeit. Ledig-Rowohlt, der jüdische Autoren unter Decknamen weiter veröffentlicht hatte, musste an die Ost-Front und wurde schwer verwundet.

Doch bereits 1945 erhielt er von den Amerikanern eine Lizenz für Zeitschriften und kam auf die Idee, Romane im Rotationsverfahren auf Zeitungspapier zu drucken: Die Rowohlt-Rotations-Romane waren erfunden. Kurze Zeit später gelang ihm sein größter verlegerischer Coup:

"Und eines schönen Tages - ich war inzwischen von den Amerikanern nach New York geschickt worden, zusammen mit anderen jungen Verlegern - habe ich da drüben dann die Taschenbücher kennen gelernt. Davon infiziert kam ich zurück. Und ich habe zu meinem Vater gesagt: Das mit den Zeitungsromanen wird nicht mehr lange dauern, wir müssen den deutschen Lesern auch wieder etwas Buchähnliches bieten. Das ist doch sehr leicht zu machen, ich habe das da drüben gesehen. Jetzt können wir falzen, müssen wir nur noch etwas finden, wie wir es binden. So sind dann die Taschenbücher entstanden."

Es war eine Revolution und Demokratisierung des gesamten Buchmarktes: Auf einmal gab es billige Bücher für alle. Simone de Beauvoir, Sartre, Camus, Henry Miller, Nabokov, Jean Genet, Italo Svevo und John Dos Passos kamen zu erschwinglichen Preisen heraus. In den sechziger Jahren entwickelte Heinrich Maria Ledig-Rowohlt ein starkes Gespür für die Zeitenwende und bot der Außerparlamentarischen Opposition ein Forum.

"Die wollten auf die Straße gehen und protestieren. Ich habe gesagt: 'Kommt doch hier rein, in Rowohlt aktuell. Denn demonstrieren ist gut, aber jetzt sagt mal, wofür wollt Ihr demonstrieren, was sind eure Ziele?'"

Voller Elan für neue Bücher, und noch mit über 80 als Übersetzer aktiv, reiste Ledig-Rowohlt 1992 zu einem Verlegerkongress nach Neu-Dehli, wo er plötzlich starb. Sein Daseinszweck war bis zum Schluss die Literatur.
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