Jubiläum einer Verlagslegende

Von Jörg Plath |
Der Wohlstand des Gründerzeitbooms ließ zu Anfang des letzten Jahrhunderts eine Reihe von Kulturverlagen entstehen. Vor genau 100 Jahren gründete Ernst Rowohlt sein Unternehmen. Mit seinem Namen verbinden sich Bücher berühmter Autoren wie Kurt Tucholsky und Hans Fallada. Heute führt er Thomas Pynchon, Paul Auster, Elfriede Jelinek oder Daniel Kehlmann im Programm.
Ernst Rowohlt ist eine Legende: eine üppige Hemingway-Gestalt, die seine Autoren nach, gern auch vor Vertragsabschluss unter den Schreibtisch zu trinken vermochte, ein Satyr, der den Gegensatz von Buch und Leben mühelos aufhob. Und noch etwas ist untrennbar mit Rowohlt verbunden: Rowohlts Rotations-Romane, kurz: rororo, die Heinrich-Maria Ledig-Rowohlt, der Sohn, 1950 aus den USA importierte. Mit ihnen begann in Deutschland das Taschenbuchzeitalter.

Beide Rowohlts sind lange tot, der Verlag aber feiert das 100-jährige Jubiläum. Was ein wenig geschummelt ist, denn der Gründer verkauft 1912 in Leipzig die Rechte an den Büchern von Johannes R. Becher, Max Brod, Georg Heym, Franz Kafka und Arnold Zweig an Kurt Wolff, um im Verlag von Samuel Fischer Prokurist zu werden. Nach dem Ersten Weltkrieg startet Rowohlt neu in Berlin mit Balzac, Casanova, Ringelnatz und Tucholsky.

Als er in der Weltwirtschaftskrise in Schwierigkeiten gerät, kauft sich 1931 Ullstein ein. Hans Falladas "Kleiner Mann, was nun?" saniert den Verlag. Unter den Nationalsozialisten hält Ernst Rowohlt seine Hand schützend über Lektoren und Autoren, geht spät ins Ausland und wird noch später Soldat der Wehrmacht. Nach dem Zweiten Weltkrieg zieht der Verlag nach Hamburg und publiziert neben Borchert, Sartre, Beauvoir, Camus und Nabokov viel angelsächsische Literatur. Zu den Prominenten von damals – Ernest Hemingway, Henry Miller und Sinclair Lewis – gesellen sich heute Thomas Pynchon, Paul Auster, Siri Hustvedt und Denis Johnson.

Andere Traditionen hatten ein kürzeres Leben: Die in der Zeit nach 1968 berühmte politische Reihe rororo-aktuell ist ebenso eingestellt wie die kurz darauf lancierte Serie "neue frau", und der nach dem Mauerfall neu gegründete Rowohlt Berlin Verlag für osteuropäische Literatur wurde merklich populärer ausgerichtet.

Verkäuflicher wirkt auch das große Taschenbuchprogramm mit so bekannten Reihen wie "rotfuchs" oder "rororo bildmonographien". Wie andere Verlage auch schrieb Rowohlt zu Beginn des Jahrtausends rote Zahlen. Der Holtzbrinck-Konzern, zu dem Rowohlt seit 1982 gehört, setzte nach der Sanierung Alexander Fest als Leiter in Hamburg-Reinbek ein. Sein größter Erfolg ist Daniel Kehlmanns Roman "Die Vermessung der Welt" mit 1,3 Millionen verkauften Exemplaren.

Programmhinweis: Im "Radiofeuilleton" hören Sie um 15.10 Uhr ein Gespräch zum Thema mit Michael Naumann, ehemaliger Rowohlt-Verleger und nun Stiftungsvorstand der Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Stiftung.