Hörbuch

Flirrendes Bild einer Gitarristenlegende

Besprochen von Hartwig Tegeler · 21.11.2013
Jimi Hendrix gilt als einer der größten Gitarristen der Musikgeschichte. Das sechsstündige Hörbuch muss leider ohne seine Musik auskommen. Trotzdem ist es immer noch spannend, in Hendrix' Leben einzutauchen.
Nein, leider gibt´s auf dem sechs-Stunden-Hörbuch über Jimi Hendrix keine Jimi-Hendrix-Musik. Rechtegründe, zu teuer für den Verlag. Meint der Verlag. Verständlich? Na ja!? Aber, wenn man bei einem Buch über Mozart, Beethoven, Springsteen, Bach oder Hendrix Musik eben nicht erwartet, ist ein Hörbuch über einen Musiker ohne dessen Musik nie ganz. Das gilt auch für "Starting at Zero". Ein halb gelungenes, halb nicht gelungenes Hörbuch. Gelungen, weil es immer noch spannend ist, hörend in das Leben von Jimi Hendrix einzutauchen:
"Voodoo Child. November 1942 bis Juli 1962."
Was Kapitel 1 der Biographie ist, beginnend mit einer erstaunlichen ersten Erinnerung.
"Ich wurde in Seattle, Washington, USA, am 27. November 1942 im Alter von Null Jahren geboren. Ich erinnere mich, wie mich eine Krankenschwester gewickelt und fast mit einer Nadel gestochen hätte."
Chronologisch - wie im gleichnamigen Buch von Alan Douglas und Peter Neal - ist das Leben im Hörbuch "Starting at Zero" nacherzählt. Basierend auf unzähligen Interviews, Aufzeichnungen, Tagebucheintragungen und Notizzetteln, die Jimi Hendrix Tag für Tag füllte. Und wo wir erfahren, wie er zur Elektrischen kam.
"Mit 17 gründete ich mit ein paar Jungens eine Band. Die anderen übertönten mich alle. Zuerst wusste ich nicht, wieso. Doch nach drei Monaten kapierte ich, dass ich eine elektrische Gitarre brauchte."
Faszinierendes Porträt eines radikalen Künstlers
"Starting at Zero" vermischt Anekdotisches mit Reflexionen, die Jimi Hendrix über seine Musik anstellte.
"Ich spiele immer mit Gefühl. Versuche, meinen Emotionen freien Lauf zu lassen. Meiner Wut, meiner Zärtlichkeit, meinem Mitleid. Genauso ergeht es Noel und Mitch. In unserer Musik vereinen sich unsere Gefühle. Obwohl wir drei einen völlig unterschiedlichen Musikgeschmack haben. Die Musik muss sich weiter entwickeln. Deshalb probieren wir immer was Neues."
So entsteht ein flirrendes Bild der musikalischen wie politischen sechziger Jahre, wir erfahren, wie Hendrix zum Megastar wurde, wie widersprüchlich er mit dem Ruhm umging. Es entfaltet sich das faszinierende Porträt eines radikalen Künstlers, der seine Musik immer weiter voran trieb in ihrer Entwicklung:
"Eins spanischer Tänzer hat Soul. Jeder hat Soul. Die Musik für sich selbst genommen jedoch nicht. Sie kommt aus dem Herzen. Damit meine ich nicht unbedingt die Töne, die man hören kann. Ich meine auch das, was man fühlt. Oder mit dem Verstand oder der Phantasie wahrnimmt. Das kann ich am besten mit Feeling oder Vibration beschreiben. Der Klang einer funky Gitarre macht mich heiß. Geht mir durch und durch. Bis ich fast darin eintauchen kann."
Thomas M. Meinhardt, dem Vorleser, hört man Stunde um Stunde neugierig zu. Nur ab und an - mit dem Fehlen der Musik ist man fast versöhnt -, da gibt es diese fürchterlichen Einschübe, wenn ein amerikanischer Sprecher - Timothy Touchton - die Jimi-Hendrix-Texte als Lyrik vorträgt.
"Broken glass was all in my brain
They fall in my dreams and cut me in my bed
I said
Makin' love was strange in my bed
a makin' love was strange in my bed."
Hendrix-Texte entfalten ihre Wucht nur zusammen mit Musik
Grausam, dieses Pathos. Wenn man den Song "Room full of mirrors" dagegen hört, wird schnell klar, das Hendrix-Texte ihre faszinierende Wucht nur entfalten zusammen mit der Musik, dem Rhythmus, den Phrasierungen, mit dem Gesang von Hendrix Stimme, die er übrigens selber ja nie mochte. Mit pathetischer Deklamation - das größte Missverständnis diese Hörbuches - hat das alles nichts zu tun. Wohl eher mit Blues, von dem Hendrix als dem Wesen seiner Musik immer wieder redete, auch, wenn er am Ende seines Lebens fast schon den Übergang zum Jazz vollzogen hatte. In seiner Todes- bzw. Begräbnisphantasie ist davon schon alles enthalten.
"Wenn ich mal sterbe, soll es eine Jamsession geben. Ich will, dass die Leute völlig ausflippen. So, wie ich mich kenne, werde ich wohl noch auf meiner eigenen Beerdigung verhaftet. Ich wünsche mir laute Musik. Unsere Musik. Keine Beatles-Songs; viel, viel Blues. Roland Kirk soll kommen. Und ich werde mal bei Miles Davis anfragen, ob er Lust hätte. Dafür lohnt es sich fast zu sterben. Nur für eine solche Beerdigung."
Zu hören ist Jimi Hendrix am Ende von "Starting at Zero" dann doch; nicht mit Musik, aber mit seiner Stimme. Sieben Tage vor seinem Tod gab er ein langes Radio-Interview. Da erscheint ein freundlicher, fast schüchtern kichernder Jimi Hendrix, vielleicht zugedröhnt, aber ziemlich präzise seine Star-Status analysierend. Der magische Gitarrist, der sich am Ende immer mehr dazu gedrängt fühlte, auf der Bühne Gitarren zu demolieren oder anzuzünden.
Die Bühne war aber auch mein Ort war, Aggressionen abzubauen. Meint Jimi Hendrix in diesem Hörbuch ohne Hendrix-Musik. Wir Radioleute sind bei dem Thema natürlich privilegiert und können Sie auch musikalisch heranlocken an einen, der am 27. November 1942 geboren wurde, und dessen Musik beileibe noch kein toter Hund ist.

Jimi Hendrix: Starting at Zero
Gelesen von Thomas M. Meinhardt, Timothy Touchton, Sa-bine Kastius , Sergio Minutillo
Aus dem Amerikanischen von Kristof Kurz
MP3-CD. Hörverlag, München 2013, 13,99 Euro

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