Hochwasser im Weinbaugebiet

Unklare Zukunftsperspektiven im Ahrtal

07:36 Minuten
Im Ahrtal in der Eifel ist der Fluss nach Dauerregen über die Ufer getreten und bedroht Häuser und Weinreben, wie hier in Dernau.
Häuser und Reben bedroht: Der Weinbau im Ahrtal hat schweren Schaden genommen. © imago-images / Future Image / Christoph Hardt
Jürgen Dollase im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 26.07.2021
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Viele Winzer im Ahrtal wurden durch das Hochwasser vor zwei Wochen schwer geschädigt. Ein Überblick über die Bedeutung der Weinbauregion im Ahrtal und das Ausmaß der Schäden mit Unterstützung des Gastrokritikers Jürgen Dollase.
Die Überschwemmungen vom 14. und 15. Juli haben viele Weinbauern an der Ahr schwer getroffen. Gelagerte Weinfässer und Flaschen gingen verloren oder wurden zerstört, ebenso wie Reben in tieferen Lagen sowie Maschinen und Arbeitsgeräte. Wie soll die anstehende Ernte in den verschonten Steillagen eingebracht werden und wie soll es in Zukunft überhaupt weitergehen? Eine kurze Lageeinschätzung mithilfe des Gastrokritikers Jürgen Dollase.

Was ist das Besondere am Ahr-Weinbaugebiet?

Das Weinbaugebiet an der Ahr ist eins der kleinsten in Deutschland und bekannt für seine guten Rotweine. Einige der kostbarsten Roten hierzulande kommen aus der Region. Und das, obwohl sie eigentlich zu weit im Norden liegt.
Das milde Mikroklima des engen Ahrtals und die vulkanischen Böden gleichen den Standortnachteil aus. Die Region ist das größte geschlossene Weinanbaugebiet für Rotwein in Deutschland. Zugleich ist es mit circa 550 Hektar Rebfläche eins der kleinsten.
Der Umsatz betrage etwa 50 Millionen Euro im Jahr bei den wichtigsten Weingütern, sagt Gastrokritiker Dollase. Auf etwa 65 Weingütern werde hauptberuflich Wein erzeugt. Spätburgunder ist mit Abstand die bedeutendste Rebsorte.

Mittelbare und unmittelbare Folgen der Flut

Die Reben in den vielen Steillagen seien nicht betroffen, sagt Dollase. Diejenigen in den Tallagen seien aber zerstört und die Weinkeller überflutet, Weinfässer und Weinflaschen weggespült, zerstört oder im Schlamm begraben.
In etwa acht Wochen beginne die Weinlese für die roten Sorten, doch die Weinbauern hätten keine Maschinen mehr dafür. Man sei nun dabei, Unterstützung aus anderen Weinbauregionen zu organisieren, um die Ernte überhaupt einbringen zu können. Denn auch die Infrastruktur für die Vinifizierung fehle nun.
Die Weine könnten als Folge mittelfristig teurer werden, sagt Dollase. Er hoffe auf die Solidarität von Weinfreunden bei dieser Entwicklung. Für kleinere Weingüter werde Solidarität aber nicht ausreichen, sie werden in Zukunft auf großzügige staatliche Strukturhilfen angewiesen sein.

Eine ungewöhnliche Hilfsaktion

Unter der Bezeichnung Flutwein sei eine Hilfsaktion gestartet worden, bei der man eine Kiste Wein für 250 Euro bestellen könne, sagt Dollase. 100 Euro davon seien eine Spende. Man bekomme dann einige Flaschen Wein, von denen niemand weiß, was drin sei, denn die Etiketten dieser Flaschen seien von der Flut weggespült.
"Eine sehr merkwürdige, aber unbedingt notwendige Aktion", sagt der Gastrokritiker. Man müsse zu unorthodoxen Mitteln greifen, um den Winzern ihre Arbeit weiterhin zu ermöglichen.
Dass manche Flaschen möglicherweise ein paar Tage im Schlamm oder im Wasser gelegen hätten, spiele für die Qualität keine Rolle, sagt Dollase: "Auch den Korken macht das nichts aus. Die halten dicht. Ich glaube, es ist auszuschließen, dass da irgendetwas mit den Weinen passiert. Das werden auch sicher gute Weine sein. Da wird kein Unsinn verschickt."

Außerdem hören Sie bei uns eine Reportage von Anke Petermann [Audio] über die vom Hochwasser geschädigte mittelständische Wirtschaft und insbesondere den Weinbau im Ahrtal.

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