Pilzwiderstandsfähige Rebsorten

Der Wein der Zukunft?

Arno Becker kniet vor einem Rebstock und lächelt in die Kamera. In seinerHand hält er ein Rebblatt.
Weinbauberater Arno Becker präsentiert "Solaris", eine pilzwiderstandsfähige Rebsorte. © Anke Petermann/Deutschlandradio
Von Anke Petermann · 30.10.2018
Immer häufiger fragen Verbraucher nach umweltschonend angebauten Weinsorten. Doch Mehltau und Fäulnisbefall stellen die Winzer vor Probleme. Pilzwiderstandsfähige Reben könnten hierfür die Lösung sein.
Ein Blick über die Reben-Demonstrationsanlage vorm Dienstleitungszentrum Ländlicher Raum Rheinhessen-Nahe-Hunsrück. Die pilzwiderstandsfähigen Sorten fallen auf. Insofern nämlich, erklärt Arno Becker von der Weinbauberatung in Oppenheim, "dass das Blattwerk auch zum jetzigen Zeipunkt sich noch sehr robust und satt grün präsentiert."
Die meisten anderen Sorten in der Modellanlage zeigen dagegen teils schon vergilbte Blätter oder solche mit einem weißlichen Hauch drauf, als hätte sie jemand mit Mehl bestäubt. Arno Becker greift nach einem Blatt der Färbertraube: "Das ist der echte Mehltau, den wir hier sehen. Den kann man ganz gut erkennen: Wenn man mit dem Finger über den filmigen mehligen Belag drüber streicht, kann man ihn abwischen und es riecht pilzig-modrig."

Chemie gegen den Pilz

Der Weinbauberater hält sich das Blatt unter die Nase und verzieht das Gesicht. Ein später Befall mit sogenanntem Oidium. Selbst wenn die Trauben bereits gelesen sind, kann das einem Winzer nicht gefallen Denn: "Das ist etwas, was sich ins nächste Jahr hinein fortpflanzt. Das heißt: Wenn das eine richtige Ertragsanlage wäre, müsste man schon früh behandeln, um diese Sporen zu tilgen."
Weißliche Pilzflecken auf einem roten Weinblatt
Kein gutes Zeichen: Mehltau auf einem Weinblatt© Anke Petermann/Deutschlandradio
Um Pilzsporen zu vernichten, dürfen im konventionellen Weinbau verschiedene chemische Fungizide gespritzt werden. Diese enthalten Wirkstoffe, die als umwelt- und gesundheitsgefährdend gekennzeichnet werden müssen. Sie sorgen aber dafür, dass der echte Mehltau die Trauben nicht mit seinem typischen Spinnweben-Geflecht überzieht, sie verhärtet und aufplatzen lässt.

Biowinzer greifen zum Schwefel

Als Biowinzer darf er mit Schwefel behandeln, erzählt Philipp Wedekind vom gleichnamigen Weingut im rheinhessischen Nierstein: "Dieses Jahr sind wir wegen der Trockenheit auch mit Molkepulver gegen den echten Mehltau vorgegangen. Da sind die Möglichkeiten beim echten Mehltau ein bisschen vielfältiger. Beim falschen Mehltau steht uns momentan nur das Kupfer zur Verfügung."
Das umstrittene Schwermetall ist das einzige Mittel, das der Bioweinbau gegen die Schadpilze namens Peronospora anwenden darf. "Und unser Ansinnen ist, diesen Kupfer-Verbrauch auf ein Minimum herunterzufahren. Und das Ganze kann man auch mit unanfälligeren Rebsorten praktizieren."

Widerständigere Rebsorten statt Fungiziden

Für den jungen Winzer gehörten die robusten Piwis von Anfang an dazu:
"Es begann damals mit einem 'Johanniter'. Das ist eine Weißweinrebsorte mit einem Geschmacksprofil zwischen Weißburgunder und Riesling. Diese Rebsorte habe ich während meiner Lehrzeit kennengelernt. Die ist im Staatlichen Weinbau-Institut in Freiburg gezüchtet worden."
Weil der Johanniter mit weniger Spritz-Einsätzen auskommt, fand Wedekind ihn nicht nur ökologisch, sondern auch betriebswirtschaftlich interessant. Die etwas pflegeleichtere Piwi-Sorte pflanzte er in der Parzelle an, die vom Betriebssitz am weitesten entfernt liegt.

Vorteile im Anbau

Geschmacklich ist der Biowinzer zufrieden mit seiner ersten Piwi-Sorte. Aktuell vermarktet er den 2015er Jahrgang für 7,50 Euro in der 0, 7-Liter-Flasche. Anbautechnisch bieten neuere Piwis unter den Roten größere Vorteile:
"Der Cabernet Cortis bleibt sehr, sehr lange gesund, auch ohne Pflanzenschutz, und der Cabernet Jura genauso. Zu dem kommt die härtere oder dickere Beerenschale. Das macht es sehr viel angenehmer, weil die Trauben länger gesund bleiben und wir eine höhere Ausbeute haben, wenn wir Rotweine lesen, und müssen nicht so viele faule Trauben raussortieren."

Winzer und Verbraucher haben Vorbehalte

Die Züchtung von Piwis begann vor über hundert Jahren. Warum sie sich nicht längst stärker im Weinbau etabliert haben? Weinbauberater Arno Becker erklärt es so:
"Es werden zwei genetische Varianten miteinander gekreuzt. Die eine Variante ist die europäische, die hat eine hervorragende Weinqualität. Und die andere genetische Variante ist die amerikanische, die hat eine hervorragende Resistenz aber eine sch… - na ja, sagen wir mal: eine dürftige Weinqualität. Es ist in der Tat so, dass in vielen Köpfen noch dieses Thema haftet, das wir eigentlich schon seit hundert Jahren überwunden haben." Das des schlechten Geschmacks des amerikanischen Resistenzpartners.
Mit "Fox-Ton", nassem Fuchsfell, wurde der beschrieben - ein Grund dafür, dass die Kreuzungen zeitweise verboten waren. Und immer noch bei nur 3 % der Anbaufläche in Rheinland-Pfalz liegen.

Lockerbeerige Trauben helfen gegen Fäulnisbefall

In der Oppenheimer Modellanlage zeigt Arno Becker die Sorte "Felicia": "Das sind Trauben, die sind lockerbeerig." Ein Merkmal der neueren Piwi-Sorten.
"Die Beeren an sich berühren sich nicht großartig und quetschen sich damit auch nicht großartig ab. Denn das Problem ist immer: Wenn sich die Beeren gegenseitig abquetschen, kann immer mal so ein Tropfen Saft austreten. Und mit dem Saft tritt auch Zucker aus. Und der Zucker ist dann hervorragende Quelle für Fäulnisbildung, also Botrytis. Dann kann es ganz schnell gehen, dass eine galoppierende Fäulnis entsteht - wie im Jahr 2014 beispielsweise. Wenn Sie hier aber eine lockerbeerige Traube haben, ist das bei weitem nicht so schnell der Fall."
Auf 70 Prozent Fungizid-Einsparung beziffert das Julius-Kühn-Institut den Effekt bei der "Felicia". Je mehr sich die Erkenntnis durchsetzt, wieviel Chemie-Einsatz Piwis den Böden, dem Wasser und den Insekten ersparen, umso stärker dürfte die Akzeptanz bei den Konsumenten wachsen, glaubt Biowinzer Wedekind. Er will jedenfalls dafür werben.
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