Himmelpfort in Brandenburg

Wo der Weihnachtsmann wohnt

Der Weihnachtsmann radelt 2013 zur Eröffnung von Deutschlands größter Weihnachtspostfiliale in Himmelspfort.
Der Weihnachtsmann radelt zur Eröffnung von Deutschlands größter Weihnachtspostfiliale in Himmelspfort. Bis zu 2.000 Briefe erhält er täglich. © dpa / picture-alliance
Von Tini von Poser |
In Himmelpfort, einem 500-Seelen-Dorf, ist der Weihnachtsmann zu Hause. Um ihm einen Besuch abzustatten, strömen während der Weihnachtszeit Menschenmassen in das Dorf. Nicht alle Himmelpforter sind von dem Weihnachtstourismus begeistert.
"Zu laut ist mir das nicht. Was mich wirklich stört, sind diese Unmengen an Leuten, die hier einfallen", sagt Helge Höppner, ein jung gebliebener Rentner mit Schnauzbart und gebürtiger Himmelpforter. "Das ganze Dorf ist zugeparkt Das ist unangenehm. Muss man mit fertig werden. Ich glaube nicht, dass sich das ändert den nächsten Zeiten."
Himmelpfort, das 500-Seelen-Dorf bei Fürstenberg in Brandenburg, beherbergt eines von insgesamt neun Weihnachtspostämtern in Deutschland, das die Deutsche Post betreibt. Angeblich kann man dort auch den Weihnachtsmann treffen, was zahlreiche Besucher anlockt. Die Weihnachtszeit war vor fünf, sechs Jahren noch anders, sagt Helge Höppner.

"Da war Weihnachten noch ganz normal. Was jetzt hier draus geworden ist, findet nicht ganz so mein Verständnis. Weil inzwischen sprengt diese Party doch alle zu vertretenden Dimensionen. Das Dorf ist einfach zu klein. Das reicht nicht aus für die vielen Menschen."

Weihnachtsmann-Tourismus

Entlang der schmalen Kopfsteinpflaster-Straße, die sich durch Himmelpfort schlängelt, parkt ein Auto hinter dem anderen. Renovierte Häuser mit farbigem Anstrich wechseln sich mit grauen Gebäuden ab, an denen der Putz abbröckelt. Fenster, Türen und Vordergärten sind geschmückt. Vom Weihnachtsmann, der an einer Mauer hoch klettert, bis zum einfachen Leuchtstern ist alles dabei.

Vor dem Eingang der Postfiliale – ein hellbraunes Haus mit rotem Dach – warten rund 50 Menschen in der Kälte. Eine Frau, die als Weihnachtsengel verkleidet ist, lässt die Familien nur gruppenweise in die Filiale.
"Jetzt können wir endlich alle hinein watscheln."
"Alle Mann hinein! Der Weihnachtsmann sitzt vorne in der Mitte. Schön durchgehen, schön nach vorne gehen!"
"Wo ist denn der Weihnachtsmann? Und ist er auch echt?"
"Ja, natürlich! Guck mal, Du kannst Dich da anstellen."
"Kommt mal nach vorne ihr Kinder."
Auf einem großen Sessel thront ein Weihnachtsmann wie aus dem Bilderbuch. Weißer Bart, Brille, rote Zipfelmütze, roter Mantel, abgesetzt mit weißem Fell: "Können wir denn auch ein Liedchen singen? Ja, welches Lied wollen wir singen? Welches können wir alle am besten? Oh Tannenbaum wahrscheinlich. Da singen die Erwachsenen alle schön mit und bei den Omas und Opas achte ich darauf, dass alle schön mitsingen, sonst hole ich die Rute raus. Also eins, zwei."
Mariama Jamanka, Olympiasiegerin 2018 im Zweierbob, und der Weihnachtsmann zeigen die Adresse der Weihnachtspostfiliale in Himmelspfort.
Mariama Jamanka, Olympiasiegerin 2018 im Zweierbob, und der Weihnachtsmann zeigen die Adresse der Weihnachtspostfiliale in Himmelspfort.© dpa / picture-alliance

Weltfrieden und Gummibärchenmaschine

Über die Briefe, die ihm geschickt werden, sagt der Weihnachtsmann: "Natürlich wird oft Weltfriedengeschrieben. Aber es kommen auch so skurrile Wünsche vor, dass man sich eine Maschine wünscht, die aus Blumenkohl Gummibärchen macht, oder aber dass Kakao aus dem Wasserhahn kommt."
Neben solch skurrilen Wünschen erzählen manche Kinder dem Weihnachtsmann auch von ihren Sorgen: "Es ist schon so, dass manche Kinder das ein oder andere Problem haben, wenn die Eltern sich getrennt haben, oder Krankheiten, auch da schreiben mir die Kinder, dass die Mami oder sie selbst krebskrank sind, sowas ist dann schon sehr traurig, wo ich versuche, den Kindern etwas Trost zu geben."
"Diese Geschichte, dass der Weihnachtsmann in Himmelfport ist, die ist magisch", sagt Brit Eismann, eine blonde Frau mit freundlichem Gesicht. "Himmelpfort ist halt ein Weihnachtsort. Das ist auch gut so. Das tut dem Ort gut. Also Menschen kommen hierher wegen dem Weihnachtsmann, finden es vielleicht schön und kommen im Sommer wieder."
Eismann ist mit ihrer Familie erst vor einigen Jahren nach Himmelpfort gezogen, weil sie unbedingt auf dem Land leben wollte. Mit ihrem Mann hat sie ein Grundstück mit drei alten Gebäuden erworben: eines für die Familie, die anderen für Feriengäste.
"Ich mag die Stille in Himmelpfort, und die ist immer da. Selbst wenn der Ort voll ist mit Touristen, mit Menschen, mit Autos, ist trotzdem eine gewisse Stille da."

Manche finden, der Ort hat eine positive Energie

Brit Eismann lässt sich offenbar nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Mit alteingesessenen Himmelpfortern komme sie als Zugezogene nur schwer in Kontakt, sagt sie. Trotzdem lebe sie gern hier.
"Wenn man sich den Namen Himmelpfort durch den Mund gehen lässt und durch die Gedanken, dann entstehen ganz viele Bilder, und es hat einen wunderschönen Klang. Und wenn es einen schönen Klang hat, dann ist schon einmal eine positive Energie da. Und Himmelpfort liegt einfach wunderbar zwischen Wäldern und Seen. Und man fällt aus seinem Haus entweder in den See oder in den Wald. Und das macht Spaß. Das hat uns auch mitbewogen, hierher zu ziehen."
Vor etwa zehn Jahren hat die Gemeinde den Weihnachtsmarkt ins Leben gerufen, direkt auf der Wiese neben der Ruine eines alten Zisterzienserklosters. Die Gemeinde verdient nichts daran, aber dafür die Bewohner, die dort ihre Stände haben. Einer, der wie Brit Eismann von dem Besucherandrang in der Weihnachtszeit profitiert, ist Andy Eisenholz. Das sei sein Künstlername, seinen echten Namen wolle er nicht verraten, sagt er mit einem Grinsen unter seinem schwarzen Spitzbart. Er arbeitet mit Holz, baut Möbel, schnitzt Holzfiguren, die er hier anbietet.
"Weil wir ja einen Wichtelmarkt hier haben, habe ich mich entschieden, lauter Wichtel zu machen, und das heißt kleine Holzfiguren, so ca. 60 Zentimeter groß, sehen alle etwas verschieden aus, wie man sich so Zwergenwichtel vorstellt, mit langen Bärten und so weiter."
Zwischen Weihnachtsmarkt und Weihnachtpostamt befindet sich auch das sogenannte Weihnachtshaus. Matthias Paul, zugezogen aus Westdeutschland, ist der Betreiber: "Die Menschen, die hier leben, unterscheiden sich nicht wesentlich von anderen Dörfern."

Wintersaison dank Weihnachtsmann

Wie fast alle Dörfer hier in der Gegend leide Himmelpfort unter Bevölkerungsschwund und Überalterung. Allerdings: "Eins weiß ich, dass wir hier eine zweite Saison haben. Andere Dörfer gleicher Größe hier in der Gegend haben vielleicht Sommergäste und eine Sommersaison, und hier kommen vor Weihnachten nochmal viele Menschen her. Es wird auch über Himmelpfort berichtet."
"Es ist einfach eine schöne Sache, und die Sache mit dem Weihnachtsmarkt, wo es immer Probleme gab, wenn zu viel Verkehr ist, und die Autos usw., das die Dinge, wer nicht mitmacht, als unangenehm empfindet", erklärt Dorfvorsteher Lothar Kliesch. "Aber so jemand wie ich, der sich auch um die wirtschaftliche Entwicklung Gedanken macht, findet das prima. Da bin ich auch ein bisschen unnachsichtig: Du musst nicht meckern, sondern einfach nur mitmachen. Und was derjenige sich einfallen lässt, das ist ja seine Sache. Aber nur meckern geht nicht. Wobei die Leute hier in der Uckermark gerne meckern."
Es ist später Nachmittag. Die Postfiliale schließt. Schlagartig leert sich der Weihnachtsmarkt. Ein Auto nach dem anderen verlässt Himmelpfort. Das Tageslicht ist der Dunkelheit gewichen. Und der Trubel der Stille. Das Dorf wirkt plötzlich wie ausgestorben. Wohl ein Vorgeschmack davon, wie die Stimmung in Himmelpfort nach der Weihnachtszeit ist.
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