Museum Hermitage Amsterdam

Neue Ausrichtung nach Bruch mit Russland

06:07 Minuten
Eine Frau betrachtet Johannes Vermeers Gemälde "Dienstmagd mit Milchkrug".
Das Hermitage Amsterdam will sich in der Übergangsphase auf niederländische Künstler fokussieren. © AFP / ANP / Robin van Lonkhuijsen
Von Kerstin Schweighöfer · 24.04.2022
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Die Hermitage Amsterdam hat als Ableger der Eremitage St. Petersburg regelmäßig hochkarätige Leihgaben von dort erhalten. Nach der Invasion der Ukraine hat das Museum die Beziehungen zu Russland beendet und sich in Dutch Heritage umbenannt.
Der riesige Mittelsaal der Hermitage Amsterdam ist zurzeit gähnend leer, bis auf ein kleinformatiges Bild an einem Ende des langgezogenen Raums. Es ist die berühmte "Dienstmagd mit Milchkrug" von Jan Vermeer. Es wirkt winzig klein und ein bisschen verloren.
Eigentlich sollten hier Hunderte von Arbeiten russischer Konstruktivisten von Malewitsch bis Kandinsky hängen. Ende Januar wurde die Ausstellung "Russische Avantgarde" eröffnet. Doch nach dem russischen Überfall auf die Ukraine wurden die mehr als 500 Ausstellungsstücke abgehängt, eingepackt, nach St. Petersburg zurückgeschickt und durch Vermeers "Dienstmagd" ersetzt.

Neue Ausstellung mithilfe des Rijksmuseum

Mit dieser hochkarätigen Leihgabe hat das Amsterdamer Rijksmuseum der Hermitage sozusagen aus der Patsche geholfen: Innerhalb kürzester Zeit wurde rund um das Milchmädchen eine Ausstellung gestrickt.

Es ging um unser Band mit dem Mutterhaus, der Eremitage in St. Petersburg, einem russischen Staatsmuseum. Wir konnten uns nicht länger aus den politischen Entwicklungen heraushalten, auch wenn damit unsere Existenz auf dem Spiel steht. Wir verurteilen den Angriff auf die Ukraine aufs Schärfste.

Museumsdirektorin Annabelle Birnie

Die Zusammenarbeit zwischen Amsterdam und St. Petersburg begann bereits in den 1990er-Jahren, als die Niederländer den Russen halfen, das Dach des Flügels mit den Rembrandtgemälden der Eremitage zu reparieren. Damals entstand die Idee einer Dependance an der Amstel. 2009 wurde sie von der damaligen Königin Beatrix und dem russischen Präsidenten Medwedew eröffnet.

Beziehungen waren schon länger belastet

Seitdem hat es schon einige Momente des Zitterns und Bangens um die Existenz gegeben. Nach der russischen Besetzung der Krim im Februar 2014 zum Beispiel, oder nur wenige Monate später nach dem Abschuss des Fluges MH17 über der Ostukraine, vermutlich durch eine russische Luftabwehrrakete. Alle 298 Insassen starben damals, die meisten waren Niederländer.
Wenige Tage nach der Invasion der Ukraine Ende Februar teilte die Hermitage mit, dass man sämtliche Beziehungen zu Russland abbreche. Man habe keine Wahl gehabt, sagt Birnie.
"Es war keine leichte Entscheidung. Wir haben jahrzehntelang eng mit unseren russischen Kollegen zusammengearbeitet. Wir waren ein Team. Es hat weh getan, den Kontakt so abrupt abzubrechen."

Art der Neuausrichtung ist noch offen

Nach Vermeers Milchmädchen sollen noch drei weitere sogenannte Fokusausstellungen rund um ein niederländisches Meisterwerk folgen. So lange nennt sich das Museum “Dutch Heritage Amsterdam”.
Nach seinem russischen Mutterhaus will es nicht mehr benannt werden. Wie es danach weitergehen soll, ist offen. Aus der ganzen Welt würden Vorschläge eintreffen, erzählt Direktorin Birnie.
Man könne den Flügel als Kunsthalle nutzen, das geplante Sklaverei-Museum darin unterbringen oder ein Modemuseum daraus machen. Auch der Direktor der Berliner Stadtmuseen, Paul Spies, hat sich gemeldet: Er schlägt vor, nach dem Vorbild von "Berlin Global" eine permanente experimentelle Ausstellung über Amsterdam und die Beziehungen der Stadt mit dem Rest der Welt einzurichten.
Annabelle Birnie nimmt alles zur Kenntnis, dankbar und gelassen. Man werde sehen, sagt sie. Vielleicht breche ja doch wieder eine Ära des Brückenbauens an. Dann wäre ein Neustart nicht ausgeschlossen. Ihre größte Hoffnung aber ist die auf ein baldiges Ende des Kriegs.

 
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