Henry David Thoreau

Vom Rebell zum US-Nationalheiligen

Der amerikanische Schriftsteller Henry David Thoreau in einer zeitgenössischen Aufnahme
"Walden oder Leben in den Wäldern" ist das bekannteste Buch von Thoreau. Am Walden See steht heute ein Nachbau der Hütte, in der er damals lebte. © picture alliance / dpa
Eva Hepper im Gespräch mit Joachim Scholl · 13.06.2017
Seinerzeit hielt man Henry David Thoreau mit seiner Liebe zur Einfachheit und Natur für naiv und vermutlich etwas durchgeknallt. Heute wird der US-Schriftsteller, dessen Geburtstag sich bald zum 200. Mal jährt, wie ein Heiliger verehrt. Und seine Bücher sind so aktuell wie nie.
Henry David Thoreau (1817 – 1862) war Dichter, Schriftsteller, Naturbeobachter, Aussteiger und Rebell. Und ist genau deshalb heute so aktuell wie nie zuvor. Zu seiner Zeit nicht über die Maßen beachtet und als Naivling und philosophierender Waldschrat verschrien, ist Thoreau im 21. Jahrhundert eine Art Nationalheiliger der USA. Am 12. Juli jährt sich sein Geburtstag zum 200. Mal.
Die Einfachheit im Alltag, das Leben mit der Natur, Entschleunigung und die Pflicht zum Ungehorsam waren sein Credo, das er in zahlreichen Vorträgen und Büchern verbreitete. Auch sprach Thoreau sich gegen Gewalt aus und legte seine Arbeit als Lehrer nieder, weil er Gegner der Prügelstrafe an Schulen war.

"Er hat ausprobiert, nicht nur reflektiert"

Das Besondere an Thoreau ist aus Sicht von Literaturjournalistin Eva Hepper auch, dass "er ausprobiert und nicht nur reflektiert hat". Nicht selbstverständlich für einen der in Harvard studierte, als ausgewiesener Intellektueller griechische und lateinische Werke im Original las und unter anderem Sekretär von Ralph Waldo Emerson war. Seine klassische Bildung schlug sich wiederum in der Tatsache nieder, dass Thoreau "ein hervorragender Stilist und Schriftsteller" war.
Kein Wunder also, dass viele seiner Werke neu herausgebracht wurden und neue Biografien erschienen sind – unter anderem die erste von einem deutschen Autor geschriebene: "Henry David Thoreau. Waldgänger und Rebell" von Frank Schäfer.
Eva Hepper ist begeistert:
"Das ist ein wunderbarer Erzähler, der den ganzen Thoreau einfängt: sein Leben, sein Werk. Und wir erfahren, was ihn beeinflusst hat, auf welchem Fundament dieser Thoreau eigentlich stand."

"Walden" wurde zur Aussteiger-Bibel

Berühmt wurde Thoreau mit "Walden", seinem Bericht über sein Leben am Walden-See, an den er sich zwei Jahre, zwei Monate und zwei Tage zurückzog (1845-1847), um die Natur zu beobachten, Forschung zu betreiben und über sich und das Leben Rechenschaft abzulegen. Es gilt als Aussteiger-Bibel schlechthin. So war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Hippies ihn für sich entdeckten und er zum Leitstern diverser Gegenkulturen wurde.
Nicht zuletzt hätten sich Widerstandskämpfer wie Mahatma Gandhi oder Martin Luther King auf ihn und seinen Essay "Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat" bezogen, sagt Eva Hepper.

Frank Schäfer: Henry David Thoreau. Waldgänger und Rebell
Suhrkamp Taschenbuch, 2017, 252 Seiten, 16,95 Euro

Eine Auswahl neu erschienener Bücher von Thoreau finden Sie hier:

Henry David Thoreau, Wo und wofür ich lebte,
gelesen von Burghart Klaußner, Diogenes Hörbuch, 2017, 17,00 Euro

Tagebuch I, übersetzt von Rainer G. Schmidt, Matthes und Seitz Verlag, 2016, 326 Seiten, 26,90 Euro
und
Tagebuch II, übersetzt von Rainer G. Schmidt, Matthes und Seitz Verlag, 2016, 377 Seiten, 26,90 Euro

Ktaadn, Mit einem Essay von Ralph Waldo Emerson, aus dem amerikanischen Englisch von Alexander Pechmann, Jung und Jung, 2017, 160 Seiten, 20,00 Euro

Die Wildnis von Maine. Eine Sommerreise, aus dem amerikanischen Englisch von Alexander Pechmann, Jung und Jung, 2015, 160 Seiten, 19,80 Euro

Walden. Der Traum vom einfachen Leben, aus dem Amerikanischen von Fritz Güttinger, Reclam Verlag, 2017, 327 Seiten, 8,95 Euro

Wilde Früchte, mit Illustrationen von Sonia Schadwinkel, aus dem Amerikanischen von Uda Strätling, Manesse Verlag, 2012, 320 Seiten, 29,00 Euro

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