Helene Hegemann: "Schlachtensee"

Aufständische Körper in Extremsituationen

12:12 Minuten
Helene Hegemann sind auf den Stufen vor einem Gebäude und schaut in die Kamera. Sie trägt ein schwarzes Oberteil, ihre langen Haare sind braun mit helleren Strähnen.
Helene Hegemann hat ihren neuen Roman "Schlachtensee" in Berlin geschrieben, nahe dem Gewässer, das dem Buch dann den Titel gab. © Joachim Gern
Helene Hegemann im Gespräch mit Frank Meyer · 09.06.2022
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Helene Hegemanns neues Buch "Schlachtensee" enthält 15 Geschichten, die extreme körperliche Erfahrungen thematisieren. Die 30-Jährige sieht darin auch einen Hilferuf in einer Welt, in der Körper zunehmend nur als Last empfunden werden.
Helene Hegemann hat gleich mit ihrem ersten Buch „Axolotl Roadkill“ einen großen Erfolg gefeiert – und musste sich mit Plagiatsvorwürfen auseinander setzen. Nach weiteren Büchern, mit denen sie sehr erfolgreich war, veröffentlicht sie nun mit „Schlachtensee“ einen Band mit 15 Geschichten, die zumeist an dem namensgebenden See im Berliner Südwesten entstanden sind.
„Ich habe in der Zeit dort gewohnt, in der die wichtigsten Bestandteile des Buches entstanden sind“, berichtet die 30-Jährige. Im Buch komme der See zwar nicht vor, aber bei der Suche nach dem Titel sei ihr "Schlachtensee" am passendsten erschienen.

Extreme körperliche Erfahrungen

Viele der – durchaus auch komischen – Geschichten charakterisiert, dass den Romanfiguren extreme Dinge widerfahren: "Das ist ja das Schöne an der Literatur, dass man da die Freiheit hat, alles ins Extreme steigern zu können und gleichzeitig außerhalb der Kategorie 'krass' zu denken", sagt Hegemann dazu.
Dass etwa die Eltern einer Hauptfigur enthauptet wurden, was in einem Nebensatz erwähnt werde, könne man einerseits als extreme Übersteigerung lesen, sagt Hegemann. „Man kann aber auch den gesamten Text einfach lesen als einen Text über eine Figur, deren Eltern enthauptet worden sind", sich also auf das Extrem also einlassen. "Und das finde ich natürlich erst mal interessanter.“
Die krassen Dinge, die den Gestalten widerfahren, sind allesamt körperlich. Es gehe um „aufständische Körper“, sagt Hegemann denn auch. "Körper, die merken, es stimmt was nicht, und die deswegen extrem darauf reagieren. Entweder, weil sie verletzt werden oder weil eine innere Verletzung unerträgliche Zustände hervorruft, die aber alle einfach körperlich sind und überhaupt nicht geistig.“
Sie stellt den Bezug zum Leben des Menschen in der heutigen Zeit dar, in der alles möglichst kalkulierbar sein soll, aber alles immer unberechenbarer werde. "Vielleicht sind es Körper, die merken, dass sie überflüssig sind“ in einer auf Effizienz getrimmten, kapitalistischen Welt. Körper, "die deshalb dem Bewusstsein der Leute, die in ihnen existieren müssen, kurz mal zu verstehen geben: Kämpf um mich, oder ich mache dir das Leben schwer."

Überflüssige Körper

"Es geht ums Verändern einer Haltung zur Existenz in einer Welt, in der, glaube ich, Körper generell überflüssig sind", sagt Hegemann, auch wenn das sehr reißerisch formuliert sei.
„Wenn man darauf trainiert wird, sein Leben effizient zu gestalten, dann muss man sich irgendwann eingestehen: So ein Körper stört. Der kann ausufern, der kann fett werden, der muss ernährt werden. Der verliebt sich unter Umständen in jemanden, der ihm nicht guttut", erläutert die Schriftstellerin.
"Man wird im Grunde von seinem eigenen Körper immer wieder zurückgeworfen, wenn man am kapitalistischen Vorankommen interessiert ist."

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