Heiligsprechung

"Wir suchen Menschen, nach denen wir uns ausrichten können"

Ruhrbischof Overbeck betont die Wichtigkeit von Leitbildern.
Ruhrbischof Overbeck betont die Wichtigkeit von Leitbildern. © dpa / picture alliance / Jan-Philipp Strobel
Moderation: Ute Welty · 26.04.2014
Am Sonntag werden in Rom gleich zwei Päpste heiliggesprochen. Dadurch wird öffentlich deutlich gemacht, was viele Leute sowieso schon glauben, sagt der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. Ein Gespräch über zwei Kirchenkarrieren und die Frage, ob man Heilige heute überhaupt noch braucht.
Ute Welty: Zwei Päpste und dann eben ab morgen zwei Heilige, die viel gemeinsam haben. Aber es gibt eben auch große Unterschiede. Darüber spreche ich jetzt mit dem Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, guten Morgen, Exzellenz!
Franz-Josef Overbeck: Guten Morgen!
Welty: Wie unterscheiden Sie denn den einen vom andern?
Overbeck: Zum einen sind die zwei Männer unterschiedlicher Zeiten, Papst Johannes XXIII. hat das Zweite Vatikanische Konzil, also eine der großen Kirchenversammlungen einberufen, die für uns als Kirche von großer Bedeutung sind; Johannes Paul II. hat praktisch dieses Konzil noch mal auf Weltebene umgesetzt. Von daher kann man sie einfach unterscheiden. Auf der anderen Seite sind das zwei Männer, so habe ich sie immer wahrgenommen, den einen, Johannes Paul II. habe ich auch persönlich kennengelernt, den anderen natürlich nicht, weil er gestorben ist, bevor ich geboren wurde, die eine große Ausstrahlung hatten, menschlich auch für viele Leute, die gleichzeitig Männer waren, für die das Gebet ganz wichtig war, das merkte ich zumindest in den Begegnungen mit Johannes Paul II.
Welty: Würden Sie sagen, dass der eine mehr nach außen gewirkt hat und der andere mehr nach innen?
Overbeck: Unter unterschiedlichen Bedingungen gilt das. Johannes Paul II. war der erste Papst, der auch alle Medien nutzen konnte, die auch damals eben eine Bedeutung bekamen, die sie vorher noch nicht hatten, und der gleichzeitig aufgrund der Möglichkeiten, globalisiert zu leben, überall gewesen ist. Johannes XXIII., eine ganze Generation früher, konnte und hat das getan, was damals möglich war. Mit einem Bild gesprochen, das er selber oft benutzt hat, er hat die Fenster aufgemacht. Und das ist dasjenige, was von ihm, glaube ich, das Wichtige ist.
"Neue Besinnung auf unsere Wurzeln"
Welty: Beiden ist gemein, dass sie aus eher bescheidenen Verhältnissen kommen, dass sie große Aufmerksamkeit hatten für das Schicksal der Juden. Inwieweit haben sich diese Erfahrungen auch auf die jeweilige Amtsführung ausgewirkt?
Overbeck: Papst Johannes XXIII. war lange als Nuntius, also als ein päpstlicher Gesandter in Ländern, in denen deutlich wurde, wie schwierig oft die Geschichte zwischen Christentum und Judentum ist, das gilt vor allen Dingen auch für die Türkei, in der er lange war. Und Johannes Paul II. ist in der Nähe von Auschwitz, nicht ganz, aber ziemlich in der Nähe von Auschwitz groß geworden und hat von daher eine innige, auch vor allen Dingen durch sein Leben bestimmte Beziehung zum Judentum. Beiden ist, glaube ich, aber auch etwas gemeinsam, nämlich die Erkenntnis, dass es das Christentum ohne das Judentum nicht gibt, und von daher gesehen eine neue Besinnung auf unsere Wurzeln, dazu gehört das Judentum, eben absolut notwendig ist.
Welty: Beide werden ja jetzt gemeinsam heiliggesprochen, wäre das dem einen auch ohne den anderen widerfahren?
Overbeck: Ich glaube, beide werden jeweils als Persönlichkeiten heiliggesprochen und gleichzeitig gehören sie jetzt auch durch dieses Ereignis von morgen zusammen. Sie sind natürlich für die Kirche in einer großen Linie zu sehen, aber beide sind eine sehr eigenständige Persönlichkeit mit einer sehr eigenen Form von Heiligkeit.
Welty: Es gibt nicht wenige Beobachter, die sagen, Johannes XXIII. wäre nicht sozusagen in den Genuss einer Heiligsprechung gekommen, wenn man das nicht so hätte verbinden können.
Overbeck: Johannes XXIII. ist immer schon sehr populär gewesen, bald nach seinem Tod - die Leute nannten ihn Papa buono, der gute Papst auf Italienisch - war klar, dass er für viele ein besonderer Fürsprecher – so sagen wir Katholiken – bei Gott ist. Und von daher gesehen hat er seine sehr eigene Prägung und auch seine eigene Bedeutsamkeit.
"Der Prozess schließt ein, dass Wunder geschehen"
Welty: Eine Heiligsprechung bedeutet, dass diese Person weltweit verehrt wird. Aber ist das bei den beiden genannten Personen nicht ohnehin der Fall?
Overbeck: Das ist der Fall, auf diese Weise wird nur noch einmal öffentlich deutlich gemacht, was viele Leute sowieso glauben und auch in ihrer Glaubenspraxis anwenden, nämlich zu sagen, wir haben Fürsprecher bei Gott und dazu gehören diese beiden.
Welty: Der Prozess schließt ein, dass auf Fürsprache der fraglichen Personen ein Wunder geschieht, und das wird von der Kirche auch penibel überprüft, bevor es eben zur Heiligsprechung kommt. Was setzen Sie dem Eindruck entgegen, dass diese Vorgehensweise doch ein wenig mittelalterlich wirkt?
Overbeck: Das sind Kriterien, die sich durch die lange Geschichte der Kirche gezeigt haben als sinnvoll. Und von daher gesehen gehört das eben zu unserer langen Tradition, ohne dass es allerdings eine wichtige und vor allen Dingen bei den Menschen im Herzen verankerte Verehrung dieser Menschen gibt, sei es Männer oder Frauen, kann keiner wirklich innerlich von den Menschen als heilig angenommen werden. Von daher ist das Wunder in diesem Sinne nur ein Zeichen dafür, dass Gott auf eine Weise wirkt, die wir uns Menschen nicht vorstellen können.
Welty: Braucht es im 21. Jahrhundert, in einem Bistum wie Essen beispielsweise noch Heilige?
Overbeck: Heilige selbst sind Vorbilder in diesem Sinne, dass jeder Mensch für sich den Weg sucht, den Gott für ihn bestimmt. Das heißt in diesem Sinne auch heilig zu werden. Das kann man schon in der Bibel nachlesen. Ich erlebe in unserem Bistum Essen – ich bin auch Militärbischof, insofern merke ich es auch noch mal auf einer ganz anderen Ebene –, Vorbilder werden gesucht, Menschen, an denen wir uns ausrichten können. Johannes Paul II. war 1987 bei uns im Bistum Essen, und von daher ist er bei vielen Menschen auch daher noch in lebendiger Erinnerung. Das ist etwas, was viele gerne wie eine Richtschnur und einen Leitfaden für sich nehmen.
Die Heiligsprechung "aufmotzen"
Welty: Hilft es in diesem Zusammenhang, wenn man wie gehört eine Heiligsprechung zeitgemäß durch die Musik eines Filmkomponisten, ich sage mal, aufmotzen will?
Overbeck: Das ist so etwas wie eine Inspiration und ich glaube, dass das, was wahr ist – und dazu gehört für uns, dass wir als Menschen gottverbunden leben – Menschen inspirieren kann. Warum nicht die Musik und damit auch ganz moderne Kultur?
Welty: Vor der doppelten Heiligsprechung in Rom das Interview in der "Ortszeit" mit dem Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. Ich danke sehr dafür!
Overbeck: Bitte schön, einen guten Tag Ihnen!
Welty: Gleichfalls!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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